Betreff
Berufskolleg 4.0
Vorlage
40/0196/XVII/2021
Art
Bericht

Beschlussvorschlag:

Der Schul- und Bildungsausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis und empfiehlt, wie von der Verwaltung vorgeschlagen weiter vorzugehen.


Sachverhalt:

 

A.   Aufgabe beruflicher Bildung

Der Klimawandel erfordert eine Veränderung des Umgangs mit den natürlichen Ressourcen.
Er hat aber auch einen Strukturwandel zu Folge, da traditionelle Formen der Erzeugung und Nutzung von Energie (z.B. Steinkohle und Braunkohle) durch die Erzeugung und Nutzung regenerativer Energie (Wind- und Sonnenenergie, Erdwärme, Herstellung von Kohlenwasserstoff) abgelöst werden. Dies betrifft insbesondere den Rhein-Kreis Neuss als Teil des rheinischen Reviers. Aus diesem Grund ist es erforderlich, die berufliche Bildung an die Herausforderungen des Strukturwandels anzupassen.

Insbesondere gilt es, die Schülerinnen und Schüler neben den herkömmlichen Verfahrensweisen auch mit den modernen klimaschonenden Techniken vertraut zu machen und die Digitalisierung voranzutreiben. Hierdurch wird nicht zuletzt ein Innovationspotenzial beruflicher Bildung in Wirtschaft und Handwerk transferiert. Auch ist die Attraktivität der beruflichen Bildung gegenüber der akademischen Bildung weiterhin herauszustellen.

Dies verlangt nicht nur eine zukunftsweisende digitale Ausstattung der Berufskollegs sondern auch die Schaffung eines entsprechenden Lernumfeldes. Die vorgenannten Entwicklungen haben Auswirkungen auf die Berufskollegs, deren Angebote auch in der Vergangenheit schon ständig den Anforderungen der regionalen Wirtschaft und den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler angepasst wurden.

B Die Berufskollegs des Rhein-Kreises Neuss

Der Rhein-Kreis Neuss verfügt über vier Berufskollegs:

Das Berufsbildungszentrum Grevenbroich, das Berufsbildungszentrum Dormagen, das Berufsbildungszentrum Neuss-Hammfeld und das Berufsbildungszentrum Neuss-Weingartstraße. Insgesamt waren an den Berufskollegs des Rhein-Kreises Neuss zum 15.10.2020 7.580 Schüler und Schülerinnen angemeldet.

Die Anzahl der Schüler und Schülerinnen ist in den vergangenen Jahren leicht gesunken. Die Berufsbildungszentren des Rhein-Kreises Neuss wurden nach verschiedenen Schwerpunkten durch gezielte Investitionen ausgebaut.

 

Schwerpunkte des BBZ Dormagen sind insbesondere die Bereiche Chemie, Technik, Logistik und Verkehr.

 

Auf den Sozialpädagogisch-, hauswirtschaftlichen Bereich, die  Kfz-Technik und den Frisörberuf ist das BBZ in Grevenbroich ausgerichtet.

Am BBZ Neuss Hammfeld sind die Fachbereiche Elektrotechnik, Farbtechnik und Raumgestaltung, Haustechnik und Holztechnik konzentriert.

Das BBZ Neuss Weingartstraße ist ein Berufskolleg für die Kaufmännischen Berufe und die Medizinischen Fachberufe.

 

Im Übrigen werden folgende Berufliche Gymnasien angeboten:

·         Wirtschaftsgymnasium am BBZ Neuss-Weingartstraße und BBZ Grevenbroich;

·         Erziehungswissenschaftliches Gymnasium am BBZ Grevenbroich;

·         Berufliches Gymnasium für Technik und Elektrotechnik sowie

·         Berufliches Gymnasium für Technik und Ingenieurwissenschaften am BBZ Neuss-Hammfeld.

 

Schließlich werden an den Berufsbildungszentren die Berufsschule für Metalltechnik, Elektrotechnik, Chemie- Biologie- Physik, Farbtechnik und Raumgestaltung, Holztechnik, Wirtschaft und Verwaltung, Ernährung und Hauswirtschaft sowie Gesundheit- und Körperpflege angeboten.

 

Die Schüler und Schülerinnen verteilen sich auf die einzelnen Schulen wie folgt:

 

Schüler gesamt:

Berufsschule:

Vollzeitschule:

Fachschule:

Ausbildungsvorbereitung
Teilzeit:

BBZ Neuss Hammfeld

1.604

767

558

149

130

BBZ Neuss Weingartstraße

2.556

1.858

585

111

3

BBZ
Grevenbroich

1.994

1.102

682

160

50

BBZ
Dormagen

1.426

902

385

139

0

 

Der Strukturwandel im Rhein-Kreis Neuss erfordert, dass sich die Berufskollegs der geänderten Situation anpassen und die Inhalte ihrer beruflichen Bildung und ihrer Schwerpunkte neu definieren. Bereits heute hat der Rhein-Kreis Neuss in die Berufliche Bildung investiert, um den Strukturwandel zu ermöglichen.

 

C Materielle Voraussetzungen

I
Digitalisierung

Aktuell werden alle Schulen des Rhein-Kreises Neuss an das Breitbandnetz über das Breitbandförderprogramm des Bundes angeschlossen nach der aktuellen Planung soll dies bis zum Frühjahr 2021 abgeschlossen sein. Über die Förderprogramme Gute Schule 2020 des Landes und den Digitalpakt des Bundes wird der Aufbau eines funktionsfähigen Wlan Netzes in allen Schulen vorangetrieben. Eine Nutzung der digitalen Infrastruktur soll über den Citrix-Server erfolgen, der es Lehrkräften und Schülern ermöglicht, auf die Digitale Infrastruktur des Kreises zu zugreifen. Damit ist digitales Lernen von jedem Ort aus möglich. Außerdem wird über die IT-Abteilung ZS4 mit Hilfe des Citrix-Servers der Second-Level-Support für die Schulen online geleistet.

Aus dem Programm Gute Schule 2020 und Digitalpakt (ca. 11 Millionen Euro) werden rund 8,6 Millionen Euro für Maßnahmen zum Ausbau der digitalen Infrastruktur einschließlich der damit zusammenhängenden Baumaßnahmen vorgesehen. In diesen Mitteln sind auch 700.000 Euro für die Projekte Elektromobilität, Förderung der Herstellung von Wasserstoff im Elektrolyseverfahren und Additive Manufacturing.

 



II. Gebäude und Campus


Für das BBZ Neuss-Hammfeld ist vorgesehen, dem Außengelände einen Campus ähnlichen Charakter zu geben. Dafür wurden seitens des Kreises Neuss 427.000 € als Eigenmittel in den Haushalt eingestellt und 925.000 € aus dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz II (KInvFöG II) eingesetzt.


Für die Bauliche Sanierung des BBZ Dormagens sind rund 10 Millionen € vorgesehen, davon rund 2,1 Mio €, die durch Umschichtung aus dem Programm Gute Schule 2020 und Digitalpakt frei wurden. Die Baumaßnahme soll 2021 ausgeschrieben und 2022 umgesetzt werden.

 

 

III Technische Ausstattung der Berufskollegs

Seitens des Rhein-Kreis Neuss ist vorgesehen, die Berufskollegs zu Berufsakademien auszubauen, in denen Schülerinnen und Schüler mit modernen Techniken vertraut gemacht werden:

1.   BBZ Neuss Hammfeld:

     Akademie für Technik, Informatik, industrielle Berufe, Elektrotechnik

2.   BBZ Neuss Weingartstraße:

Akademie für Wirtschaft, Gesundheit und Handel

3.   BBZ Grevenbroich:

Akademie für Wirtschaft, Dienstleistung, Erziehung, Gastronomie und Lebensmittelverarbeitung, Automobilität

4.   BBZ Dormagen:

Akademie für Chemie, Chemietechnik, Logistik

 

Hierzu werden aus dem Digitalpakt 700.000 € für folgende Projekte bereit gestellt:

a)   Elektromobilität am BBZ Grevenbroich

b)   Additive Manufacturing am BBZ Neuss Hammfeld

c)   Labor zur Herstellung von Wasserstoff im Elektrolyseverfahren am BBZ Dormagen.

          

a)   Elektromobilität am BBZ Grevenbroich

Hier werden den Auszubildenden Kompetenzen zur Arbeit an HV-Fahrzeugen (Hochvolt-, Hybrid- und Elektro) vermittelt. Dabei wird besonderer Wert auf eine praxisorientierte Vermittlung der Kompetenzen am realen Objekt gelegt. Um die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich zu gewährleisten, werden Schulungsstände an denen sehr realitätsnah gearbeitet wird und die Unfälle selbst bei nicht beaufsichtigter Tätigkeit ausschließen, gewählt. Für die Kfz-Werkstatt ist geplant drei Schulungsstände zu beschaffen.

b)   Additive Manufacturing am BBZ Neuss-Hammfeld

Mit „Additive Manufacturing“ wird der 3D-Druck als Fertigungsverfahren bezeichnet, bei dem aus unterschiedlichen Materialien dreidimensionale Gegenstände hergestellt werden können. Aktuell wendet das BBZ Neuss-Hammfeld den 3D-Druck mit Kunststoff bereits an.
In den nächsten Ausbaustufen ist die Anschaffung eines 3D-Scanners und der 3D-Druck mit geeigneten Metallen vorgesehen.

c)   Herstellung von Wasserstoff im Elektrolyseverfahren

Der Fachbereich Chemietechnik am BBZ Dormagen soll zu einem Kompetenzzentrum „Elektrolyse, Brennstoffstelle und Regenerative Energien“ ausgebaut werden. Umweltschutztechnik wird fester Bestandteil sowohl der Erstausbildung als auch der Weiterbildung in der Fachschule für Technik sein. Geplant ist, die Errichtung eines Labors zur Herstellung von Wasserstoff im Elektrolyseverfahren sowie die Beschaffung von Apparaturen für Schülerversuche und einer elektrochemischen Workstation.

 

 

IV.  Das Berufskolleg 4.0

 

Die Entwicklung der unternehmerischen Wertschöpfung geht über die bisher etatisierten oder zu etatisierenden Investitionen in die Zukunft hinaus. Insbesondere werden die Beherrschung der zeitgleichen Datenkommunikation sowie die hierfür vorhandene Infrastruktur Wegweiser des erfolgreichen Strukturwandels werden.

 

1.    Mobile Kommunikation im Standard 5G LTE

 

5G ist die neue Generation im Mobilfunk. Sie schafft die Grundlage für die Vernetzung von intelligenten Geräten und von Maschinen in der Industrie. Durch größere Kapazitäten wird die mobile Datenübertragung in einer Mobilfunkzelle erhöht. 5G unterstützt somit die Automatisierung von Produktionsprozessen und ergänzt den bisherigen Mobilfunkstandard LTE. Durch den parallelen Betrieb beider Technologien sind künftig größere Kapazitäten und schnellere Netzgeschwindigkeiten möglich (Quelle: Deutsche Telekom, Was ist 5G? Grundwissen zum 5G Netz).

 

Insofern ist die mobile Kommunikation mit 5G für eine Datenkommunikation in Echtzeit, die Nutzung intelligenter Geräte, Aufbau und Wartung von Netzinfrastrukturen, autonomes Fahren und für den Datenverkehr in der Bürokommunikation unabdingbar.

 

Zurzeit stehen keine Haushaltsmittel für den Ausbau von 5G zur Verfügung.

 

2.    Steuerung des Transformationsprozesses

 

Um den Transformationsprozess zu steuern, ist es notwendig, dass Schulen, Schulträger, Industrie, Handwerk und freiberuflich Tätige eng zusammenarbeiten, die Chancen der neuen Technik erkennen, hierfür aufgeschlossen werden und diese Erkenntnisse in der beruflichen Bildung umgesetzt werden. Hierfür ist eine aktive Steuerung der Transformationsprozesse erforderlich.

 

3.   Strukturwandel

a.   Rechtliche Grundlagen

Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ hat im Januar 2019 mit ihrem Abschlussbericht einen konkreten Plan für eine schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung vorgeschlagen. Ergänzend wurden Vorschläge für wirtschaftliche, soziale und strukturpolitische Begleit- und Unterstützungsmaßnahmen verabschiedet. Die Bundesregierung hat diese Vorschläge mit der Verabschiedung der Eckpunkte zur Umsetzung der strukturpolitischen Empfehlung für ein Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen vom 22.05.2019 aufgegriffen, um einen inhaltlichen und finanziellen Rahmen für Strukturhilfe für die vom Strukturwandel betroffenen Regionen zu schaffen. Das Eckpunktepapier bildet die Grundlage für das Strukturstärkungsgesetz Kohleregion und das Kohleausstiegsgesetz.

 

Mit diesen Gesetzen soll den Braunkohlerevieren ein verbindlicher Rahmen geboten werden, nicht nur für die schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, sondern auch mit Blick auf einen Instrumenten-Mix für die notwendigen Investitionen und Förderungen, um konkrete Perspektiven für neue zukunftssichere Arbeits- und Ausbildungsplätze in den betroffenen Regionen zu schaffen.

b.   Strukturstärkungsgesetz

Das Strukturstärkungsgesetz sieht finanzielle Hilfen für Investitionen und weitere Maßnahmen bis 2038 im Rheinischen Revier von insgesamt 15 Milliarden Euro vor. Zum Fördergebiet Rheinisches Revier zählen die Gemeinden und Gemeindeverbände Rhein-Kreis Neuss, Rhein-Erft Kreis, Kreis Euskirchen, Kreis Düren, Städteregion Aachen, Kreis Heinsberg und die Stadt Mönchengladbach.

Mit der Zukunftsagentur Rheinisches Revier wurde in der Region der zentrale Knotenpunkt zur Steuerung und Koordinierung des Strukturwandels geschaffen. Die Zukunftsagentur Rheinisches Revier wird bei ihrer Arbeit von Revierknoten unterstützt, die das Fachwissen und den Ideenreichtum bündeln, die in der Region vorhanden sind. Das Wirtschafts- und Strukturprogramm soll über den gesamten Förderzeitraum partizipativ weiterentwickelt werden.

c.   Revierknoten

Die Revierknoten, die unter dem Dach der Zukunftsagentur Rheinisches Revier GmbH eingerichtet wurden, sollen die Zukunftsagentur durch die Erstellung und Fortschreibung fachlicher Teilkonzepte für das Wirtschafts- und Strukturprogramm unterstützen. Sie sollen außerdem die relevanten Fachakteure aus der Region beteiligen und das Fachwissen sowie den Ideenreichtum des rheinischen Reviers bündeln. Die eingerichteten Revierknoten sind:

-       Energie- und Industrie

-       Ressourcen und Agrobusiness

-       Innovation und Bildung

-       Raum

-       Infrastruktur und Mobilität (Vorsitz Dirk Brügge)

-       Internationale Bau- und Technologieausstellung.

-        

d.     Innovation und Bildung

Im Rahmen des Revierknotens Innovation und Bildung gilt es, die durch die zunehmende Spezialisierung innovativer Unternehmen steigenden Anforderungen an die Kompetenzen der Mitarbeitenden in Schule und Ausbildung frühzeitig zu vermitteln. Im Rahmen dieser Vermittlung könnten die Berufsbildungszentren und eine Entwicklung derselben zur Berufsakademien eine wichtige Rolle spielen. Auch eine Förderung über das Bundesprogramm Stark könnte möglich sein.

 

Aus den vorgenannten Gründen ist beabsichtigt, gemeinsam mit der Stabsstelle Strukturwandel (ZS6) Fördermittel zur Gestaltung der beruflichen Bildung innerhalb des Strukturwandels und zum Ausbau des 5G LTE Standards zu beantragen. Mögliche Eigenmittel stehen im Bereich „Strukturwandel“ zur Verfügung.