Beschlussvorschlag:
Der Schul- und Bildungsausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis und empfiehlt, wie von der Verwaltung vorgeschlagen weiter vorzugehen.
Sachverhalt:
A. Aufgabe
beruflicher Bildung
Der Klimawandel
erfordert eine Veränderung des Umgangs mit den natürlichen Ressourcen.
Er hat aber auch einen Strukturwandel zu Folge, da traditionelle Formen der
Erzeugung und Nutzung von Energie (z.B. Steinkohle und Braunkohle) durch die
Erzeugung und Nutzung regenerativer Energie (Wind- und Sonnenenergie, Erdwärme,
Herstellung von Kohlenwasserstoff) abgelöst werden. Dies betrifft insbesondere
den Rhein-Kreis Neuss als Teil des rheinischen Reviers. Aus diesem Grund ist es
erforderlich, die berufliche Bildung an die Herausforderungen des
Strukturwandels anzupassen.
Insbesondere gilt
es, die Schülerinnen und Schüler neben den herkömmlichen Verfahrensweisen auch
mit den modernen klimaschonenden Techniken vertraut zu machen und die
Digitalisierung voranzutreiben. Hierdurch wird nicht zuletzt ein
Innovationspotenzial beruflicher Bildung in Wirtschaft und Handwerk
transferiert. Auch ist die Attraktivität der beruflichen Bildung gegenüber der
akademischen Bildung weiterhin herauszustellen.
Dies verlangt nicht nur eine zukunftsweisende digitale Ausstattung der
Berufskollegs sondern auch die Schaffung eines entsprechenden Lernumfeldes. Die
vorgenannten Entwicklungen haben Auswirkungen auf die Berufskollegs, deren
Angebote auch in der Vergangenheit schon ständig den Anforderungen der
regionalen Wirtschaft und den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler
angepasst wurden.
B Die Berufskollegs des Rhein-Kreises Neuss
Der Rhein-Kreis
Neuss verfügt über vier Berufskollegs:
Das
Berufsbildungszentrum Grevenbroich, das Berufsbildungszentrum Dormagen, das
Berufsbildungszentrum Neuss-Hammfeld und das Berufsbildungszentrum Neuss-Weingartstraße.
Insgesamt waren an den Berufskollegs des Rhein-Kreises Neuss zum 15.10.2020 7.580
Schüler und Schülerinnen angemeldet.
Die Anzahl der Schüler und Schülerinnen ist in den vergangenen Jahren leicht
gesunken. Die Berufsbildungszentren des Rhein-Kreises Neuss wurden nach
verschiedenen Schwerpunkten durch gezielte Investitionen ausgebaut.
Schwerpunkte des
BBZ Dormagen sind insbesondere die Bereiche Chemie, Technik, Logistik und
Verkehr.
Auf den Sozialpädagogisch-,
hauswirtschaftlichen Bereich, die Kfz-Technik
und den Frisörberuf ist das BBZ in Grevenbroich ausgerichtet.
Am BBZ Neuss Hammfeld sind die Fachbereiche Elektrotechnik, Farbtechnik und
Raumgestaltung, Haustechnik und Holztechnik konzentriert.
Das BBZ Neuss Weingartstraße ist ein Berufskolleg für die Kaufmännischen Berufe
und die Medizinischen Fachberufe.
Im Übrigen werden folgende
Berufliche Gymnasien angeboten:
·
Wirtschaftsgymnasium
am BBZ Neuss-Weingartstraße und BBZ Grevenbroich;
·
Erziehungswissenschaftliches
Gymnasium am BBZ Grevenbroich;
·
Berufliches
Gymnasium für Technik und Elektrotechnik sowie
·
Berufliches
Gymnasium für Technik und Ingenieurwissenschaften am BBZ Neuss-Hammfeld.
Schließlich werden
an den Berufsbildungszentren die Berufsschule für Metalltechnik,
Elektrotechnik, Chemie- Biologie- Physik, Farbtechnik und Raumgestaltung,
Holztechnik, Wirtschaft und Verwaltung, Ernährung und Hauswirtschaft sowie
Gesundheit- und Körperpflege angeboten.
Die Schüler und
Schülerinnen verteilen sich auf die einzelnen Schulen wie folgt:
|
Schüler gesamt: |
Berufsschule: |
Vollzeitschule: |
Fachschule: |
Ausbildungsvorbereitung |
BBZ Neuss Hammfeld |
1.604 |
767 |
558 |
149 |
130 |
BBZ Neuss Weingartstraße |
2.556 |
1.858 |
585 |
111 |
3 |
BBZ |
1.994 |
1.102 |
682 |
160 |
50 |
BBZ |
1.426 |
902 |
385 |
139 |
0 |
Der Strukturwandel
im Rhein-Kreis Neuss erfordert, dass sich die Berufskollegs der geänderten
Situation anpassen und die Inhalte ihrer beruflichen Bildung und ihrer
Schwerpunkte neu definieren. Bereits heute hat der Rhein-Kreis Neuss in die
Berufliche Bildung investiert, um den Strukturwandel zu ermöglichen.
C Materielle Voraussetzungen
I Digitalisierung
Aktuell werden
alle Schulen des Rhein-Kreises Neuss an das Breitbandnetz über das
Breitbandförderprogramm des Bundes angeschlossen nach der aktuellen Planung
soll dies bis zum Frühjahr 2021 abgeschlossen sein. Über die Förderprogramme Gute
Schule 2020 des Landes und den Digitalpakt des Bundes wird der Aufbau eines
funktionsfähigen Wlan Netzes in allen Schulen vorangetrieben. Eine Nutzung der digitalen
Infrastruktur soll über den
Citrix-Server erfolgen, der es Lehrkräften und Schülern ermöglicht, auf die
Digitale Infrastruktur des Kreises zu zugreifen. Damit ist digitales Lernen von
jedem Ort aus möglich. Außerdem wird über die IT-Abteilung ZS4 mit Hilfe des
Citrix-Servers der Second-Level-Support für die Schulen online geleistet.
Aus dem Programm
Gute Schule 2020 und Digitalpakt (ca. 11 Millionen Euro) werden rund 8,6
Millionen Euro für Maßnahmen zum Ausbau der digitalen Infrastruktur
einschließlich der damit zusammenhängenden Baumaßnahmen vorgesehen. In diesen
Mitteln sind auch 700.000 Euro für die Projekte Elektromobilität, Förderung der
Herstellung von Wasserstoff im Elektrolyseverfahren und Additive Manufacturing.
II. Gebäude und Campus
Für das BBZ Neuss-Hammfeld ist vorgesehen, dem Außengelände einen Campus
ähnlichen Charakter zu geben. Dafür wurden
seitens des Kreises Neuss 427.000 € als Eigenmittel in den Haushalt
eingestellt und 925.000 € aus dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz II
(KInvFöG II) eingesetzt.
Für die Bauliche Sanierung des BBZ Dormagens sind rund 10 Millionen €
vorgesehen, davon rund 2,1 Mio €, die durch Umschichtung aus dem Programm Gute
Schule 2020 und Digitalpakt frei wurden. Die Baumaßnahme soll 2021
ausgeschrieben und 2022 umgesetzt werden.
III Technische Ausstattung der
Berufskollegs
Seitens des Rhein-Kreis
Neuss ist vorgesehen, die Berufskollegs zu Berufsakademien auszubauen, in denen
Schülerinnen und Schüler mit modernen Techniken vertraut gemacht werden:
1. BBZ
Neuss Hammfeld:
Akademie
für Technik, Informatik, industrielle Berufe, Elektrotechnik
2. BBZ
Neuss Weingartstraße:
Akademie für Wirtschaft, Gesundheit und
Handel
3. BBZ
Grevenbroich:
Akademie für Wirtschaft, Dienstleistung, Erziehung, Gastronomie und
Lebensmittelverarbeitung, Automobilität
4. BBZ
Dormagen:
Akademie für Chemie, Chemietechnik, Logistik
Hierzu werden aus
dem Digitalpakt 700.000 € für folgende Projekte bereit gestellt:
a) Elektromobilität am BBZ Grevenbroich
b) Additive Manufacturing am BBZ Neuss
Hammfeld
c) Labor zur Herstellung von Wasserstoff im
Elektrolyseverfahren am BBZ Dormagen.
a) Elektromobilität am BBZ Grevenbroich
Hier werden den Auszubildenden Kompetenzen zur Arbeit an HV-Fahrzeugen
(Hochvolt-, Hybrid- und Elektro) vermittelt. Dabei wird besonderer Wert auf
eine praxisorientierte Vermittlung der Kompetenzen am realen Objekt gelegt. Um
die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich zu gewährleisten,
werden Schulungsstände an denen sehr realitätsnah gearbeitet wird und die
Unfälle selbst bei nicht beaufsichtigter Tätigkeit ausschließen, gewählt. Für
die Kfz-Werkstatt ist geplant drei Schulungsstände zu beschaffen.
b) Additive Manufacturing am BBZ
Neuss-Hammfeld
Mit „Additive Manufacturing“ wird der 3D-Druck als Fertigungsverfahren
bezeichnet, bei dem aus unterschiedlichen Materialien dreidimensionale Gegenstände
hergestellt werden können. Aktuell wendet das BBZ Neuss-Hammfeld den 3D-Druck
mit Kunststoff bereits an.
In den nächsten Ausbaustufen ist die Anschaffung eines 3D-Scanners und der
3D-Druck mit geeigneten Metallen vorgesehen.
c) Herstellung von Wasserstoff im
Elektrolyseverfahren
Der Fachbereich Chemietechnik am BBZ Dormagen soll zu einem
Kompetenzzentrum „Elektrolyse, Brennstoffstelle und Regenerative Energien“
ausgebaut werden. Umweltschutztechnik wird fester Bestandteil sowohl der
Erstausbildung als auch der Weiterbildung in der Fachschule für Technik sein.
Geplant ist, die Errichtung eines Labors zur Herstellung von Wasserstoff im
Elektrolyseverfahren sowie die Beschaffung von Apparaturen für Schülerversuche
und einer elektrochemischen Workstation.
IV. Das
Berufskolleg 4.0
Die Entwicklung
der unternehmerischen Wertschöpfung geht über die bisher etatisierten oder zu
etatisierenden Investitionen in die Zukunft hinaus. Insbesondere werden die
Beherrschung der zeitgleichen Datenkommunikation sowie die hierfür vorhandene
Infrastruktur Wegweiser des erfolgreichen Strukturwandels werden.
1. Mobile Kommunikation im Standard 5G LTE
5G ist die neue
Generation im Mobilfunk. Sie schafft die Grundlage für die Vernetzung von
intelligenten Geräten und von Maschinen in der Industrie. Durch größere
Kapazitäten wird die mobile Datenübertragung in einer Mobilfunkzelle erhöht. 5G
unterstützt somit die Automatisierung von Produktionsprozessen und ergänzt den
bisherigen Mobilfunkstandard LTE. Durch den parallelen Betrieb beider
Technologien sind künftig größere Kapazitäten und schnellere Netzgeschwindigkeiten
möglich (Quelle: Deutsche Telekom, Was ist 5G? Grundwissen zum 5G Netz).
Insofern ist die
mobile Kommunikation mit 5G für eine Datenkommunikation in Echtzeit, die
Nutzung intelligenter Geräte, Aufbau und Wartung von Netzinfrastrukturen,
autonomes Fahren und für den Datenverkehr in der Bürokommunikation unabdingbar.
Zurzeit stehen
keine Haushaltsmittel für den Ausbau von 5G zur Verfügung.
2. Steuerung des Transformationsprozesses
Um den
Transformationsprozess zu steuern, ist es notwendig, dass Schulen, Schulträger,
Industrie, Handwerk und freiberuflich Tätige eng zusammenarbeiten, die Chancen
der neuen Technik erkennen, hierfür aufgeschlossen werden und diese
Erkenntnisse in der beruflichen Bildung umgesetzt werden. Hierfür ist eine
aktive Steuerung der Transformationsprozesse erforderlich.
3. Strukturwandel
a. Rechtliche Grundlagen
Die von der
Bundesregierung eingesetzte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und
Beschäftigung“ hat im Januar 2019 mit ihrem Abschlussbericht einen konkreten
Plan für eine schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung
vorgeschlagen. Ergänzend wurden Vorschläge für wirtschaftliche, soziale und
strukturpolitische Begleit- und Unterstützungsmaßnahmen verabschiedet. Die
Bundesregierung hat diese Vorschläge mit der Verabschiedung der Eckpunkte zur
Umsetzung der strukturpolitischen Empfehlung für ein Strukturstärkungsgesetz
Kohleregionen vom 22.05.2019 aufgegriffen, um einen inhaltlichen und
finanziellen Rahmen für Strukturhilfe für die vom Strukturwandel betroffenen
Regionen zu schaffen. Das Eckpunktepapier bildet die Grundlage für das
Strukturstärkungsgesetz Kohleregion und das Kohleausstiegsgesetz.
Mit diesen
Gesetzen soll den Braunkohlerevieren ein verbindlicher Rahmen geboten werden,
nicht nur für die schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung,
sondern auch mit Blick auf einen Instrumenten-Mix für die notwendigen
Investitionen und Förderungen, um konkrete Perspektiven für neue
zukunftssichere Arbeits- und Ausbildungsplätze in den betroffenen Regionen zu
schaffen.
b. Strukturstärkungsgesetz
Das
Strukturstärkungsgesetz sieht finanzielle Hilfen für Investitionen und weitere
Maßnahmen bis 2038 im Rheinischen Revier von insgesamt 15 Milliarden Euro vor.
Zum Fördergebiet Rheinisches Revier zählen die Gemeinden und Gemeindeverbände
Rhein-Kreis Neuss, Rhein-Erft Kreis, Kreis Euskirchen, Kreis Düren,
Städteregion Aachen, Kreis Heinsberg und die Stadt Mönchengladbach.
Mit der
Zukunftsagentur Rheinisches Revier wurde in der Region der zentrale Knotenpunkt
zur Steuerung und Koordinierung des Strukturwandels geschaffen. Die
Zukunftsagentur Rheinisches Revier wird bei ihrer Arbeit von Revierknoten
unterstützt, die das Fachwissen und den Ideenreichtum bündeln, die in der
Region vorhanden sind. Das Wirtschafts- und Strukturprogramm soll über den
gesamten Förderzeitraum partizipativ weiterentwickelt werden.
c. Revierknoten
Die Revierknoten,
die unter dem Dach der Zukunftsagentur Rheinisches Revier GmbH eingerichtet
wurden, sollen die Zukunftsagentur durch die Erstellung und Fortschreibung
fachlicher Teilkonzepte für das Wirtschafts- und Strukturprogramm unterstützen.
Sie sollen außerdem die relevanten Fachakteure aus der Region beteiligen und
das Fachwissen sowie den Ideenreichtum des rheinischen Reviers bündeln. Die
eingerichteten Revierknoten sind:
-
Energie-
und Industrie
-
Ressourcen
und Agrobusiness
-
Innovation
und Bildung
-
Raum
-
Infrastruktur
und Mobilität (Vorsitz Dirk Brügge)
-
Internationale
Bau- und Technologieausstellung.
-
d. Innovation und Bildung
Im Rahmen des
Revierknotens Innovation und Bildung gilt es, die durch die zunehmende
Spezialisierung innovativer Unternehmen steigenden Anforderungen an die
Kompetenzen der Mitarbeitenden in Schule und Ausbildung frühzeitig zu vermitteln.
Im Rahmen dieser Vermittlung könnten die Berufsbildungszentren und eine
Entwicklung derselben zur Berufsakademien eine wichtige Rolle spielen. Auch
eine Förderung über das Bundesprogramm Stark könnte möglich sein.
Aus den
vorgenannten Gründen ist beabsichtigt, gemeinsam mit der Stabsstelle
Strukturwandel (ZS6) Fördermittel zur Gestaltung der
beruflichen Bildung innerhalb des Strukturwandels und zum Ausbau des 5G LTE
Standards zu beantragen. Mögliche Eigenmittel stehen im Bereich
„Strukturwandel“ zur Verfügung.