Beschluss:

Der Kulturausschuss lehnte den Antrag der Kreistagsfraktion DIE LINKE auf Prüfung einer Möglichkeit zur Durchführung eines historischen Forschungsprojektes zur „Verfolgung, Verschleppung und Ermordung von Homosexuellen, Sinti und Roma, geistig Behinderten, Zeugen Jehovas und anderer Personengruppen, die allein schon aufgrund ihrer Verhaltensweisen, dem Idealbild einer rassisch überhöhten Volksgemeinschaft widersprachen“ im Gebiet des Rhein-Kreises Neuss während der Zeit des Nationalsozialismus mehrheitlich ab.


Protokoll:

Herr Maier-Bode erläuterte den Antrag seiner Fraktion. Die Verwaltung möge die Möglichkeit der Durchführung eines historischen Forschungsprojektes zur „Verfolgung, Verschleppung und Ermordung von Homosexuellen, Sinti und Roma, geistig Behinderten, Zeugen Jehovas und anderer Personengruppen, die allein schon aufgrund ihrer Verhaltensweisen, dem Idealbild einer rassisch überhöhten Volksgemeinschaft widersprachen“, im Gebiet des Rhein-Kreises Neuss während der Zeit des Nationalsozialismus prüfen. Ziel des Projektes sollte ein wissenschaftlicher Beitrag zum besseren Verständnis von Gesellschaften sein. Für die im Antrag genannten Minderheiten gebe es wenig Forschung und sei wenig Erinnerungsarbeit geleistet worden. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in Deutschland sollte hier eine Aufarbeitung erfolgen, um heutigen und zukünftigen Generationen exemplarisch vor Augen zu führen, zu welchen Gewaltexzessen eine Gesellschaft mit permanenten Ausgrenzungstendenzen führen kann.

 

Herr Lonnes stimmte Herrn Maier-Bode zu, dass im Dritten Reich massenhaft Bürger, darunter auch die im Antrag genannten Gruppen, die nicht dem Menschenbild der NSDAP entsprachen, begründet mit der Rassenideologie verfolgt und auch ermordet worden seien. Dem sei nach 1945 jedoch das Grundgesetz, insbesondere die Bestimmungen zur Menschenwürde, entgegengesetzt worden.

 

Im Rhein-Kreis Neuss sei bisher die Situation der Judenverfolgung im Dritten Reich in der Stadt Neuss u. a. durch Professor Rohrbacher und die Lage der Zwangsarbeiter für den Rhein-Kreis Neuss durch Peter Staatz, für die Stadt Neuss durch Andreas Niewerth und Christoph Roolf sowie für die Stadt Dormagen durch einen Aufsatz von Klaus Streckenbach gut erforscht worden. Auch lägen Beiträge zur Zwangssterilisation vor. Darüber hinaus gebe es Untersuchungen des Landschaftsverbandes Rheinland zur Situation der Psychatrie in Brauweiler sowie für Düsseldorf und Köln zum Thema Sinti und Roma und zur Verfolgung von Homosexuellen. Es sei davon auszugehen, dass die NSDAP systematisch in allen in den von ihr geschaffenen Verwaltungseinheiten, insbesondere den Gauen, in gleicher Weise Minderheiten verfolgt habe, so dass es zu rechtfertigen sei, wenn nicht jede Körperschaft die Verfolgung aller Minderheiten untersuche, sondern diese Untersuchungen für die Region exemplarisch erfolgten. Die von der Kreistagsfraktion DIE LINKE gesehene Gefahr der Wiederholung einer solchen Kultur, werde indes bei der Verwaltung insbesondere für den Rhein-Kreis Neuss nicht gesehen. Das Rheinland sei historisch durch das Zusammenleben vieler Kulturen geprägt.

 

Herr Radmacher fragte nach, warum Juden in dem Antrag nicht angesprochen seien. Zu den im Antrag genannten Gruppen sollte der Erfolg eines solchen Projektes vorab abgefragt werden. Auch er sehe die Gefahr einer möglichen Wiederholung für den Rhein-Kreis Neuss nicht, insbesondere nicht für eine staatliche Verfolgung von bestimmten Gruppen, die mit dem Antrag unterstellt werde.

 

Herr Maier-Bode wies darauf hin, dass die Juden im Antrag nicht benannt worden seien, da es zu dieser Personengruppe eine ausreichende geschichtliche Aufarbeitung gebe. Der Antrag stelle auf Minderheiten ab, die bislang nicht im Fokus standen. Auch gehe es nicht um das Verhalten staatlicher Einrichtungen, sondern um das gesellschaftliche Klima.

 

Herr Dr. Schröder erläuterte auf Nachfrage vom Vorsitzenden Rehse, dass es zu den im Antrag genannten Gruppen keine einschlägigen Studien für den gesamten Rhein-Kreis Neuss gebe, eine solche Erforschung einen beträchtlichen Aufwand bedeute und im Archiv des Rhein-Kreises Neuss zu den meisten der genannten Gruppen sehr wenig zu finden sei. Hier müsse in einer Vielzahl anderer Archive sehr breit geforscht werden, ohne die Gewissheit zu haben, dass sich die Verfolgung bezogen auf das Kreisgebiet aufklären lasse.

 

Frau Broll wies darauf hin, dass angesichts der Haushaltslage ein solch umfangreiches Projekt nicht umzusetzen sei.

 

Frau Dr. Flick empfahl hierzu ggf. eine universitäre Recherche anzustoßen.

 

Vorsitzender Rehse wies darauf hin, dass der Rhein-Kreis Neuss mit dem jährlich vergebenen Integrationspreis einen wichtigen Beitrag zu Vielfalt, Toleranz und Verständigung leiste.