Protokoll:

Herr Mankowsky verweist auf die Sitzungsunterlagen mit den von der Verwaltung zusammengefassten, detaillierten und aktuellen Informationen über antibiotikaresistente Keime in Oberflächengewässern. Herr Mankowsky berichtet, dass die Verunsicherung in der Bevölkerung teilweise recht groß sei und sich so mancher frage, ob er überhaupt noch in einem See schwimmen könne. Aufgrund der engen Verbindung von Gesundheit und Umwelt habe sich die Verwaltung daher entschlossen, hier im Planungs- und Umweltausschuss über den aktuellen Sachstand zu informieren.

Amtsarzt Herr Dr. Dörr referiert diesbezüglich über drei Schwerpunktfelder:

·         Bakterien, insbesondere über antibiotika-  bzw.  multiresistente Keime

·         Oberflächengewässer (Bäche, Flüsse und Seen)

·         Antibiotika.

Aus seinem Vortrag ist folgendes festzuhalten: In der Öffentlichkeit habe die aktuelle Diskussion über antibiotikaresistente Keime in Oberflächengewässern Anfang 2017 begonnen, ausgelöst durch einen Fernsehbericht über den Tod eines Mannes in Hessen. Der Mann habe beim Schwimmen in einem Fluss wahrscheinlich größere Mengen Wasser verschluckt und verstarb dann kurze Zeit später, trotz Antibiotikaeinsatz, an einer nicht heilbaren Infektion. Er informiert über eine unlängst durchgeführte Studie, die ergeben habe, dass antibiotikaresistente Keime in Bächen, Flüssen und Seen teilweise auch in größeren Mengen existieren. 

Amtsarzt Herr Dr. Dörr erinnert an Alexander Flemming, der 1928 per Zufall die wachstumshemmende Wirkung des Schimmelpilzes Penicillium entdeckt und damit die Antibiotika-Forschung eingeleitet habe. Er stellt heraus, dass in Krankenhäusern lediglich 15 % der Gesamtmenge an Antibiotika verordnet werde, von den niedergelassenen Ärzten im häuslichen Bereich dagegen 85 %. Er sagt, dass bundesweit pro 1000 Einwohner durchschnittlich 14,5 Einheiten (Dosen) täglich an Antibiotika verordnet werden. Im Rhein-Kreis Neuss seien es 13,9 Einheiten, in Mönchengladbach 17,9. Erwähnenswert seien auch die Unterschiede zwischen Stadt und Land. Im Rhein-Kreis Neuss führten Grevenbroich mit 16,8 und Neuss mit 16,0 die Statistik an, in Jüchen seien es dagegen nur 10,2 Einheiten.

Amtsarzt Herr Dr. Dörr erklärt, wie diese Keime in die Oberflächengewässer gelangen können, nämlich schwerpunktmäßig über die Abwässer aus Krankenhäusern, aber natürlich auch aus Privathaushalten. Im Endeffekt gelangen diese Bakterien über die kommunalen Kläranlagen in die Flüsse. Aber auch tierische Ausscheidungen wie die Gülle, die z. B. nach Starkregenereignissen gemeinsam mit dem Boden in die Gewässer gespült werden, tragen zur Verbreitung bei. Er betont diesbezüglich, dass es noch keine offizielle Bewertung gebe, welche antibiotikaresistente Keime in welcher Menge überhaupt gefährlich für die menschliche Gesundheit seien. Diese wesentliche Fragestellung sei bis dato überhaupt noch nicht geklärt.

Amtsarzt Herr Dr. Dörr berichtet, dass Antibiotika häufig verordnet werden, weil Patienten ihren Hausarzt aus verschiedenen Gründen dazu drängeln. Beispielsweise um schneller wieder arbeiten zu können oder aus Angst, andere Menschen anzustecken. Besser sei es allerdings, zunächst einmal den Krankheitsverlauf abzuwarten. So verschreiben einige Hausärzte neuerdings den Patienten sicherheitshalber Antibiotika nur noch mit dem Hinweis, diese nur bei Bedarf einzunehmen, etwa, wenn der Krankheitsverlauf sich verschlechtere.

Er betont, dass der Einsatz von Antibiotika unbedingt reduziert werden müsse. Ansonsten wachse die Gefahr, dass es für bestimmte resistente Keime zukünftig keine Reserve-Antibiotika mehr gebe, mit all den ernsten Konsequenzen für die Betroffenen. Für dieses Ziel der Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes müssen allerdings auch die Leitlinien für die Ärzteschaft neu konzipiert werden. Aktuell führen diese Leitlinien nämlich noch zu einem verstärkten Einsatz dieser Medikamente.

Er hebt hervor, dass auch verbesserte Hygienemaßnahmen zu einer Reduzierung der eingesetzten Antibiotikamengen beitragen. Diesbezüglich verweist er auf eine Internetinfo des Kreisgesundheitsamtes zum Thema, die bis dato bereits ca. 18.000 mal abgerufen worden sei.

Amtsarzt Herr Dr. Dörr fasst zusammen: Der Antibiotikaeinsatz könne nur reduziert werden durch

·         Fach-Informationen für die Ärzteschaft,

·         Beratung und Information der Patienten

·         eine gute Diagnostik

·         verbesserte Hygienemaßnahmen

 

Er stellt schließlich fest, dass die beiden Badeseen des Rhein-Kreises Neuss in Kaarst und in Straberg bis dato immer das Qualitätssiegel mit der Bewertung „ausgezeichnet“ erhalten haben. Er verweist auf das in den Sitzungsunterlagen beschriebene Forschungsvorhaben des Bundes über antibiotikaresistente Keime in klinischen, landwirtschaftlichen und kommunalen Abwässern. Dieses Forschungsprojekt werde Ende im Januar 2019 beendet, dann wisse man mehr.

 

Frau Hugo-Wissemann erkundigt sich zum Einsatz von Antibiotika in der Viehhaltung. Sie interessiere einen Mengenvergleich zwischen Mensch und Tier. Herr Kaisers fragt, wie groß der Anteil einer Dosis Antibiotika sei, der ausgeschieden werde und somit nicht im Körper verarbeitet werde. Herr Schmitz fragt, ob für das Qualitätssiegel in Badegewässern speziell auch resistente Antibiotikakeime untersucht werden. Amtsarzt Herr Dr. Dörr informiert, dass das Erlangen von Zahlenmaterial im Veterinärbereich viel aufwendiger und komplizierter sei als in der Humanmedizin. Er gehe jedoch von erheblichen Mengen aus, von denen ca. 20 % der Reinsubstanz den Körper wieder verlassen. Er betont, dass aber die eingesetzte Gesamtmenge der entscheidende Faktor sei. Als Beispiel führt er an, dass es früher strikte Vorgaben gegeben habe, z. B. bei Scharlach genau 10 Tage lang ein bestimmtes Antibiotikum einzunehmen. Erst allmählich setze es sich durch, dass je nach Krankheitsverlauf geringere Einnahmezeiten vollkommen ausreichen. Das Umsetzen in der Ärzteschaft setze allerdings erst allmählich ein. Aber man wisse inzwischen, dass bestimmte Bakterienpopulationen bis zu 30 % Multiresistenzen aufweisen.

Frau Edelburg und Herr Dr. Kalthoff verweisen auf den Einfluss der Landwirtschaft als eine Ursache für die Verbreitung der multiresistenten Keime. Herr Dr. Kalthoff betont, dass in Gebieten mit großen Tiermastbetrieben bis zu 20 % der Bevölkerung Träger von multiresistenten Keimen seien. Er ergänzt, dass diese Keime sich auch über den Luftpfad verteilen und somit die Luft ein weiterer Infektionsweg darstelle. Frau Fayaz bemerkt, dass auch Haustiere mit Antibiotika behandelt werden.

Amtsarzt Herr Dr. Dörr betont, dass im Regelfalle die resistenten Keime bei gesunden Menschen durch das eigene Immunsystem in Schach gehalten werden. In Krankenhäusern dagegen, wo vermehrt Patienten mit Infektionen behandelt werden, können sich die resistenten Keime rasend vermehren, da durch den erhöhten Antibiotikaeinsatz die normalen Bakterienstämme vernichtet werden und so erst Platz machen für die resistenten Populationen.

Herr Boestfleisch erkundigt sich zur Belastung des Regenwassers, Herr Heyner zur Belastung von Fischen und Herr Wappenschmidt zum Gefährdungspotential für Wassersporttreibende. Herr Wappenschmidt betont, dass der Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft in den letzten 10 Jahren um über 50 % gesenkt worden sei. Seit 2006 dürfen diese Mittel auch nicht mehr zu Mastverstärkung eingesetzt werden. Er schlägt vor, dass das Kreisveterinäramt dazu Zahlen und Fakten liefern solle und bietet an, dass die Landwirtschaftskammer sich daran beteilige. Die Ergebnisse sollen dann der Niederschrift beigefügt werden. Herr Mankowsky betont die Wichtigkeit des Themas „Antibiotikaeinsatz in der Tiermast und dessen Einfluss auf die Entstehung von multiresistenten Keimen“. Er schlägt vor, dieses ähnlich intensiv und sorgfältig aufzubereiten wie das Thema Insektensterben. Dazu könne in der nächsten Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses auch ein Expertengespräch stattfinden.

Vorsitzender Herr Markert und Herr Wappenschmidt unterstützen diesen Vorschlag.

Amtsarzt Herr Dr. Dörr verweist darauf, dass bis dato keine speziellen Untersuchungen auf antibiotikaresistente Keime in Oberflächengewässern erfolgen und auch gar nicht vorgesehen seien. Dies könne sich vielleicht ändern, je nachdem, welche Ergebnisse die Bundesuntersuchungen Anfang 2019 erbringen. Aktuell könne man jedoch nur anlassbezogen vorgehen. Sollten z. B. erhöhte Werte bei den coliformen Keimen in einem Badesee festgestellt werden, könne man weitere Spezialuntersuchungen durchführen. Er führt aus, dass Keime aus den Gewässern natürlich auch an und in die Fische gelangen, ebenfalls aus der Luft und somit ins Regenwasser. Herr Dr. Kalthoff belegt dies mit früheren, ähnlich gelagerten Untersuchungen des Landesumweltamtes.

Vorsitzender Herr Markert regt an, schon vor der Präsentation der Ergebnisse der Bundesuntersuchungen auf antibiotikaresistente Keime im Frühjahr 2019, stichprobenhaft die Seen im Rhein-Kreis Neuss untersuchen zu lassen. Er berichtet von einer Pilotanlage in Gelsenkirchen, wo durch Hintereinanderschaltung verschiedener Filtertechniken hervorragende Reinigungsleitungen in Krankenhausabwässern erzielt worden seien. Er plädiert dafür, solche Techniken auch im Rhein-Kreis Neuss zu etablieren. Herr Mankowsky spricht sich gegen stichprobenhafte Untersuchungen auf multiresistente Keime in Oberflächengewässern aus, weil man ja zurzeit noch gar wisse, was man mit den Ergebnissen anfangen solle. Es gebe ja noch immer keine verläßlichen Bewertungsverfahren. Herr Wappenschmidt und Herr Schröder schließen sich dieser Meinung an.

Herr Mankowsky verweist auf die Zuständigkeiten beim Betrieb von Kläranlagen. Vorsitzender Herr Markert betont, dass sich bei Vorklärung von Krankenhausabwässern mittels bereits vorhandener Hightech-Anlagen ggfs. kostenintensive Investitionen bei den kommunalen Kläranlagen vermeiden lassen. Herr Heyner spricht sich für eine Kontaktaufnahme mit dem Erftverband aus.

Herr Wappenschmidt merkt an, dass Krankenhäuser nicht die einzigen Einleiter von multiresistenten Keimen ins Abwasser seien. Er verweist auch auf die Kosten für zusätzliche Reinigungsstufen an den Kläranlagen. Vorsitzender Herr Markert sieht die Einleitungen von Krankenhausabwässern ohne Vorklärung kritisch, zumal sie alle Bürger finanziell belasten. Er spricht sich ebenfalls für einen Informationsaustausch mit dem Erftverband aus.