Beschluss:

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss stimmt den neuen Richtwerten zu.


Protokoll:

Herr Florian Schweiger, Fa. Analyse & Konzepte GmbH Hamburg, stellte den Methodenansatz sowie die Ergebnisse der Mietwerterhebung inklusive der neuen Mietobergrenzen vor. Die Präsentation ist dem Protokoll als Anlage beigefügt.

 

Kreistagsabgeordneter Cöllen erklärte, dass die CDU-Kreistagsfraktion dem Beschlussvorschlag folge. Ein wichtiges Kriterium werde in der Gerichtsfestigkeit der Methodik des Schlüssigen Konzeptes gesehen.

 

Kreistagsabgeordneter C. Thiel kritisierte, dass auch mit den neuen Mietobergrenzen vor allem im Stadtgebiet Neuss tatsächlich nicht genügend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung stehe und der Mangel an Wohnungen voraussichtlich noch weiter steigen werde. Das Argument der Gerichtsfestigkeit könne er nicht nachvollziehen, da es ja Gründe dafür geben müsse, dass überhaupt gegen ein Schlüssiges Konzept geklagt werde. Neben der Anzahl der gewonnenen sollte auch die der verlorenen Klageverfahren genannt werden. Bei Neuvermietungen würden in der Regel Sanierungen durchgeführt und die Mietpreise anschließend erhöht. Bestandsmieten würden die Lage auf dem Wohnungsmarkt daher im Gegensatz zu Angebotsmieten nicht realistisch abbilden. In der vorgelegten Fassung könne die UWG-Fraktion den Mietobergrenzen nicht zustimmen.

 

Kreisdirektor Brügge erwiderte, dass ein Mietspiegel naturgemäß keinen Wohnungsmangel beheben könne. Das vorgelegte Schlüssige Konzept entspreche der geltenden Rechtslage, wohingegen eine ausschließliche Berücksichtigung von Angebotsmieten rechtswidrig sei. Die Datenbasis könne als aussagekräftig eingestuft werden; schließlich hätten Vermieter wohl kaum ein Interesse daran, eher niedrige Mietpreise bei der Befragung anzugeben. Zudem würden bei Nachweis, dass trotz Bemühungen keine angemessene Wohnung gefunden werden kann, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft gezahlt. Nicht jede frei werdende Wohnung werde saniert.

 

Auf Nachfrage des Kreistagsabgeordneten Bartsch erklärte Herr Schweiger, dass man für die Ermittlung der Bestandsmieten die Mietwerte bis vier Jahre vor dem Stichtag herangezogen habe. Bei Mietpreisen, die nicht älter als neun Monate seien, spreche man von Neuvertragsmieten. Aufgrund einschlägiger Rechtsprechung seien Heizkosten kein Bestandteil des Schlüssigen Konzeptes.

 

Kreistagsabgeordneter Bartsch erklärte, dass die SPD-Fraktion dem Beschlussvorschlag nur schwer zustimmen könne. Das Konzept möge zwar den gesetzlichen Vorgaben, aber nach seiner Einschätzung nicht der Realität auf dem Wohnungsmarkt im Kreis entsprechen. Er selbst habe erfolglos versucht, über Zeitungsartikel, Internetportale und Wohnungsunternehmen Wohnungen zu den neuen Mietobergrenzen zu finden. Ein weiteres Problem sehe er darin, dass der Mietspiegel keine Berücksichtigung der Sätze für öffentlich geförderten Wohnraum zulasse. Wenn man den Wohnungsmangel durch öffentliche Wohnraumförderung beheben wolle, erreiche man folglich dennoch keine ausreichende Versorgung von SGB II-Empfängern mit angemessenen Wohnungen. Bereits die Wohnungsmarktanalyse von vor rund zwei Jahren habe einen Mangel an freien Wohnungen ergeben. Insofern sehe er die hohe Anzahl der im Konzept ausgewiesenen 6.000 Angebote skeptisch und befürchte Doppelzählungen.

 

Kreisdirektor Brügge wies drauf hin, dass die Berücksichtigungsfähigkeit von Mietsätzen im öffentlich geförderten Wohnungsbau durch Gesetzesänderung erfolgen müsse. Die aktuelle Rechtslage lasse eine abweichende Handhabung nach Rechtsprechung des BSG nicht zu.

Herr Schweiger ergänzte, dass die aufgeführten Angebote in einem Zeitraum von zwölf Monaten geschaltet worden seien. Dabei handele es sich um einzelne Wohnungen und keine Dopplungen. Die Anzeigen entstammen aus Internetportalen und Printmedien und seien nachweislich verfügbar. Hinzu komme, dass man auf diesem Wege erfahrungsgemäß nur etwa die Hälfte des Wohnungsmarktes überhaupt erfassen könne. Viele Wohnungen würden über Wartelisten oder den Bekanntenkreis vergeben und gar nicht erst inseriert.

 

Kreisdirektor Brügge erklärte, dass die Verwaltung die bei energetisch fortschrittlichen Wohnungen meist deutlich niedrigeren Heizkosten ebenfalls gerne als Vorteil berücksichtigten würde, die Rechtslage dies rechtskreisübergreifend jedoch nicht ermögliche. Die Neuerhebung der Mietwerte anstelle einer Indexfortschreibung beruhe auf einem Beschluss des Kreistages. Unabhängig davon sei die Verwaltung selbst von der Richtigkeit des Methodenansatzes und des Konzeptes überzeugt.

 

LL.M. Nilab Fayaz merkte an, vorab nicht das gesamte Konzept zur Prüfung erhalten zu haben. Zudem sah sie die Verfügbarkeit an bezahlbarem Wohnraum ebenfalls kritisch. Daher schlug sie vor, eine Pauschale von bis zu zehn Prozent auf die durch die Fa. Analyse & Konzepte ermittelten Mietobergrenzen aufzuschlagen. Zudem erkundigte sie sich nach der Anzahl der Negativurteile zu Schlüssigen Konzepten der Fa. Analyse & Konzepte.

 

Herr Schweiger konstatierte, dass es Negativurteile gebe, deren Anzahl sich schätzungsweise in einer Größenordnung von 30 bis 40 in erster Instanz und fünf bis sechs in zweiter Instanz bewege. Einen wesentlichen Kritikpunkt habe dabei die Vergleichsraumbildung dargestellt, welche in den betroffenen Kreisen anders als beim Rhein-Kreis Neuss erfolgt sei. Als weiteren Grund gab er eine zu hohe Berücksichtigung des SGB II-Datensatzes an. Beim Rhein-Kreis Neuss habe man in jedem Tabellenfeld maximal ein Drittel der ausgewerteten Werte aus dem SGB II-Datensatz berücksichtigt, was der Rechtsprechung gerecht werde.

 

Nach Einschätzung von Kreisdirektor Brügge stelle der Zuschlag einer beliebigen Pauschale im Gegensatz zur Mietwerterhebung, die auf nachprüfbaren Daten beruhe, reine Willkür dar. Das Verfahren zur Aufstellung eines Schlüssigen Konzeptes sei rechtlich normiert. Wenn behauptet werde, dass die ermittelte Datengrundlage fehlerhaft sei, müsse dies konkret belegt werden.

 

Kreistagsabgeordneter C. Thiel schlug eine Beschlussfassung des Kreistages mit einer Zielvorgabe für den Wohnungsbau in den kommenden Jahren vor.

 

Auf Nachfrage von LL.M. Nilab Fayaz erklärte Herr Schweiger, dass die stichprobenartig ausgewählten Datensätze des Jobcenters die tatsächliche Miete laut Mietvertrag ausweisen würden. Inwieweit diese konkret von den übrigen Miethöhen abweichen, könne er nicht sagen. Es gebe jedoch keine signifikanten Unterschiede, so dass keine Verzerrung zu erwarten sei.

 

Kreistagsabgeordneter Cöllen beantragte zur Geschäftsordnung den Schluss der Aussprache, da die Argumente nach Einschätzung der CDU-Fraktion als erschöpfend ausgetauscht seien.

 

Als Gegenrede meldete sich Kreistagsabgeordneter C. Thiel zu Wort mit dem Hinweis, dass die Anwesenheit von Herrn Schweiger für Fragen genutzt werden sollte und diese Möglichkeit in einer Demokratie nicht eingeschränkt werden dürfe.

 

Kreisdirektor Brügge erläuterte kurz die einschlägige Vorschrift in der Geschäftsordnung, welche diese Antragsmöglichkeit vorsehe und das Verfahren regle. Bis zum Antrag noch nicht beantwortete Fragen laut Rednerliste wurden nach der Abstimmung von Herrn Schweiger beantwortet.

 

Ausschussvorsitzender Dr. Klose erklärte die Aussprache nach Abstimmung über den Antrag zur Geschäftsordnung (13 x Ja, 11 x Nein, keine Enthaltungen) als geschlossen und bat um Protokollierung aller vorgebrachten Bedenken. Er fasste zusammen, dass die Fraktionen in der Debatte inhaltlich gar nicht weit auseinander lägen. Eine defizitäre Entwicklung bei der Wohnungsversorgung in der Bundesrepublik und im Kreis stehe außer Zweifel. Es stelle sich nunmehr die Frage, wie dieses Problem bekämpft werden könne. Die Gestaltung des Mietspiegels stelle jedenfalls kein geeignetes Instrument dar, um wohnungspolitische Fehlentwicklungen zu korrigieren. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Kreises seien aufgrund der gesetzlichen Vorgaben sehr begrenzt.


Abstimmungsergebnis:

Mehrheitlich beschlossen.

 

13 x Ja (CDU, FDP, Die Linken)

11 x Nein (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, UWG, Freie demokratischer Bund RKN)