Sitzung: 20.11.2018 Planungs-, Klimaschutz- und Umweltausschuss
Protokoll:
Herr Dr. Gattke vom Erftverband informiert über aktuelle
Untersuchungen zur mikrobiellen Belastung von Fließgewässern
und über das Vorkommen antibiotikaresistenter Keime im Einzugsgebiet der Erft.
Dazu nutzt er eine Powerpoint-Präsentation. Am Beispiel des bekannten
Fäkalkeimes E. coli stellt er fest, dass
das Erftwasser keimmäßig die Badewasserqualität nur relativ knapp verfehle. Als
mögliche Ursachen für die Keimbelastung der Fließgewässer informiert er am
Beispiel der Swist, einem Nebengewässer der Erft. Dort stamme ein Großteil der
Belastungen aus landwirtschaftlich genutzten Böden und aus sogenannten
Mischwassereinleitungen.
Herr Dr. Gattke informiert über ein groß angelegtes
Forschungsprojekt zur biologischen bzw. hygienisch-medizinischen Relevanz und
Kontrolle antibiotikaresistenter Krankheitserreger in klinischen,
landwirtschaftlichen und kommunalen Abwässern und deren Bedeutung in
Rohwässern, kurz als HyReKA-Projekt bezeichnet. An diesem Forschungsprojekt mit
einem Fördervolumen von ca. 7,5 Millionen € seien neben dem Umweltbundesamt
mehrere Universitäten, der Erftverband sowie weitere Vertreter aus der
kommunalen Wasserwirtschaft beteiligt.
Herr Dr. Gattke erklärt, warum dieses hoch wissenschaftliche
Forschungsprojekt überhaupt initiiert worden sei. Dies sei vor allem der
Zunahme des Antibiotikaeinsatzes um 40 % alleine in den letzten 10 Jahren
geschuldet und daraus resultierenden schwerwiegenden Antibiotikaresistenzen. Er
betont, dass multiresistente Bakterien ein stetig wachsendes Problem im
Gesundheitswesen darstellen und stellt die Ziele des Projektes vor:
·
Quellen
und Verbreitungswege identifizieren sowie Eintragsmengen in die Umwelt
quantifizieren
·
Verbreitungswege
in ihrer Relevanz vergleichen und das Übertragungspotential auf den Menschen
bestimmen
·
Technische
Verfahren bewerten und Eliminationsstrategien für die Ausbreitungskontrolle
entwickeln
· Handlungsempfehlungen für behördliche Regularien formulieren
Herr Dr. Gattke stellt Zwischenergebnisse vor. So sei z. B.
das Antibiotikum Sulfamethoxazol, welches bei Harnwegsinfekten und bei
Lungenentzündungen eingesetzt werde, in 60 % aller Proben festgestellt worden.
Er zeigt den Gewässerverlauf der Swist und stellt fest, dass das Antibiotikum
Sulfamethoxazol erst ab dem Bereich gefunden werde, in welchem sich die
Kläranlagen befänden. Im Oberlauf ohne Kläranlagenabläufe werden dagegen
überhaupt keine Antibiotika festgestellt. Vergleiche man dann noch verschiedene
Antibiotika und die Reinigungsleistungen in den Kläranlagen, so könne man
feststellen, das Sulfamethoxazol gar nicht, andere Antibiotika dagegen komplett
aus dem Abwasser gefiltert werden.
Herr Dr. Gattke informiert über multiresistente Keime, z. B.
über das MRSA, was zu Lungenentzündungen führe und durch das vermehrte
Auftreten in Altenheimen allgemein bekannt geworden sei. Er weist darauf hin, dass
Vancomycin-resistente Enterokokken, kurz VRE genannt, aus der Massentierhaltung
auf den Menschen übergesprungen seien. Diese ebenfalls resistenten Keime
gelangen ungefiltert durch die Kläranlagen hindurch in den Vorfluter. Zu den
Klärtechniken sagt Herr Dr. Gattke, dass durch die
Ultrafiltration, die auch im Klärwerk Kaarst/Nordkanal angewendet werde, nahezu
100 % aller Keime herausgefiltert werden. Es stünden folglich heutzutage schon
effektive Verfahren zur weitergehenden Abwasserbehandlung zur Verfügung. Die
dabei entstehenden Klärschlämme sollten jedoch nicht landwirtschaftlich
genutzt, sondern verbrannt werden. Er betont diesbezüglich, dass das Risiko,
dass eines Tages keine Antibiotika mehr wirken werden, nicht alleine durch
verbesserte Abwassertechniken beseitigt werden könne.
Herr Dr. Gattke berichtet auch
von den Erfolgen bei der Behandlung von Mischwasser durch
Retentionsbodenfilterbecken. Mischwassereinleitungen entstünden, wenn nach
starken Regenfällen das Kanalnetz überlastet sei und der Überschuss aus Regen-
und Abwasser gemeinsam an der Kläranlage vorbei in einen Vorfluter eingeleitet
werde. Er stellt heraus, dass z. B. Kliniken wie die Uniklinik Bonn sogenannte
Hotspots darstellen, weil im dortigen Abwasser viel höhere Konzentrationen an
Keimen aufträten. Herr Dr. Gattke betont, dass es für das
Trinkwasser keine Gefährdung gebe, solange die Grenzwerte nach
Trinkwasserverordnung eingehalten werden. Bei den multiresistenten Keimen gebe
es allerdings für Gewässer bis heute noch keine Grenzwerte, sie werden im
Regelfalle auch gar nicht separat untersucht.
Herr Dr. Kalthoff fragt, wie lange die E. coli Bakterien
leben. Herr Dr. Gattke antwortet: Ca. 7 Tage bei 20 Grad, wenn es kälter sei,
entsprechend kürzer. Herr Dr. Kalthoff
fragt, ob sich die Keime auch über eine Rückverdunstung verbreiten können. Herr Dr. Gattke sagt, dass sich dieses nach aktuellem Forschungsstand
nicht als Problem zeige. Frau Eikler
möchte wissen, ob in den Retentionsbodenfilterbecken Belastungen festgestellt
werden. Herr Dr. Gattke verneint dies und erklärt, dass die Bakterien dort wie
in jedem natürlichen Boden auch, nach ein paar Tagen absterben und abgebaut
werden. Herr Wappenschmidt erklärt,
dass seines Wissens nach der Einsatz von Antibiotika im Veterinärbereich in den
letzten Jahren um 30 % gesunken sei. Herr Dr. Gattke betont, dass es sich bei der Steigerung um 40 %
innerhalb von 10 Jahren um die Gesamtmenge an Antibiotika handle, also
inklusive des gesamten Humanbereichs. Er stellt heraus, dass ein wesentliches
Problem sei, dass die Resistenzen inzwischen über Geninformationen an andere
Bakterien weiter gegeben werden.
Anmerkung der Schriftführung: Herr Dr. Gattke
wird seinen Powerpoint-Vortrag um eine weitere Folie ergänzen. Auf dieser werde
die Entwicklung des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung dargestellt.
Vorsitzender Herr Markert erkundigt sich zu den Todesfällen, die im
Zusammenhang mit den resistenten Keimen immer wieder genannt werden. Herr Dr. Gattke erklärt, dass diesbezüglich das Hauptproblem im
klinischen Bereich liege und nicht bei der Gewässernutzung, auch nicht beim
Schwimmen außerhalb von Badegewässern. Frau
Fayaz fragt, wann das Projekt beendet sei. Herr Dr. Gattke sagt,
dass das Projekt im Juli 2019 abgeschlossen sei, dass aber bereits im April
2019 eine Abschlusskonferenz stattfinde, wo dann auch die wichtigen Handlungsempfehlungen
vorgestellt werden.
Vorsitzender Herr Markert regt an, die Kaarster Kläranlage mit der
allseits gelobten Ultrafiltrationstechnik zu besichtigen. Herr Professor Schäfer sagt, dass eine Besichtigung der Kläranlage
Kaarst sicherlich sehr interessant und informativ sei, zumal dort bis Mai 2019
weitere Neuerungen installiert werden.