Protokoll:

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke schlug vor, dass in den anstehenden Klausurtagungen der Fraktionen Prioritätenlisten an Projekten erstellt werden sollten, die unabhängig von einer Sitzung interfraktionell abgestimmt werden könnten. Die bereitgestellten Bundesmittel würden nicht alle in das Rheinische Revier kommen können. Durch Priorisierung der Projekte könnten konkrete Maßnahmen angemeldet werden.

 

Kreistagsabgeordneter Dr. Dieter Welsink wies darauf hin, dass die Kreistagsfraktionen CDU und FDP ihren Antrag gerne einbringen würden. Aufgrund der Komplexität des Themas schlug er vor, dass der Antrag heute nicht zur Abstimmung gestellt, sondern zunächst in die Fraktionen zur weiteren Beratung gegeben werde.

 

Kreistagsabgeordneter Rainer Thiel sagte, dass ein Statement zur aktuellen Situation von jeder Fraktion selbstverständlich sei. Der Beitrag der SPD-Kreistagsfraktion sei bewusst kein Antrag, da eine Abstimmung in diesem Stadium noch nicht notwendig sei. Der Kreis befinde sich in einem Prozess. Er stimmte zu, dass eine gemeinsame Priorisierung der Projekte notwendig sei, damit die Region gemeinsam nach außen hin auftreten könne und größere Chancen haben werde. Er habe mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass ein anderer Landrat der Meinung sei, dass für den Strukturwandel kein Geld benötigt werde. Er denke, dass der Rhein-Kreis Neuss den Ehrgeiz habe die sich bietenden Möglichkeiten vollends auszuschöpfen.

 

Kreistagsabgeordnete Susanne Stephan-Gellrich erklärte, dass die Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen bereits im Dezember einiges zu dem Thema vorgelegt habe. Dennoch sei die Fraktion diskussionsbereit und biete an in die Fraktionen zur gemeinsamen Beratung zu kommen.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke trug zu den Unterpunkten vor. Die Präsentation ist dem Protokoll als Anlage beigefügt.

 

Herr Prof. Dr. Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut stellte den Klimaschutz als Zukunftsthema für den Rhein-Kreis Neuss vor. Die Präsentation ist dem Protokoll als Anlage beigefügt.

 

Für RWE stellte Herr Dr. Eberhard Uhlig, Herr Erik Schöddert und Herr Wilfried Pakmor eine alternative Nutzung der Kraftwerksfläche Frimmersdorf vor. Die Präsentation ist dem Protokoll als Anlage beigefügt.

 

Kreistagsabgeordneter Dr. Dieter Welsink bedankte sich bei den Referenten und stellte fest, dass das Thema ein gesellschafts-politischer Prozess sei, der eingeleitet werde. Die Rahmenbedingungen im Rhein-Kreis Neuss seien gut. Die Vorträge hätten einige Modelle bereits dargestellt, die zeigen, dass der Weg sowieso gegangen werden müsse. Der Kreis sei bereits geübt in solchen Transformationsprozessen, allerdings nicht in diesem Tempo und der Komplexität. Er merkte an, dass der Kreis sich nicht überfordern dürfe und seine Schwerpunkte festlegen sollte. Als Schwerpunkte sollten die betroffenen Gebietskörperschaften unterstützt werden und die Gesamtverantwortung für die Region übernommen werden. Die Fraktionen seien mit dem Material gut vorbereitet und könnten die Ziele festlegen. Es werde erkennbar, dass alle Gremien des Kreises auf diesem Weg mitgenommen werden müssten, da die Themenbandbreite viele Ausschüsse betreffe. Er sei zuversichtlich, dass nach den Vorträgen mit Perspektive an die Themen rangegangen werden könne.

 

Kreistagsabgeordneter Rainer Thiel erläuterte, dass vieles von dem vorgetragenen als Anträge bereits diskutiert und besprochen worden sei. Der Kreis diskutiere schon sehr lange über Wirtschaftspolitik. Es sind 8.000 bis 12.000 Arbeitsplätze, die bis dahin wegfallen. In Grevenbroich und Bedburg als Kraftwerkstandorte würden ohnehin viele Arbeitsplätze wegfallen. Unserer Region und der Energiewirtschaft werde eine Sonderlast aufgebürdet, weil andere Regionen und Sektoren ihre Beiträge zur Reduzierung von CO2-Ausstoß nicht geliefert haben. Die Gesellschaft kostet es einige Mrd. Euro, damit der Kohleausstieg ein paar Jahre früher erfolgen könne. Er könne nicht verstehen, dass führende Politiker jetzt sagen, dass für sie 2030 als Ausstiegdatum bleibe, da andere Regionen ansonsten mehr leisten müssten. Der Kreis müsse sich deutlich positionieren und sagen, dass die Region das nicht mit mache. Es müsse eine neue Leitentscheidung kommen, damit Rechtssicherheit gewonnen werden könne. Die Region müsse Klarheit über die Risiken und Nebenwirkungen des Ausstiegs erlangen. Diese Klärung sei unter anderem Aufgabe der Politik. Um den Kreis als Industriestandort zu sichern, müssten mehr Flächen und konkrete Plätze bereitgestellt und konkrete Maßnahmen entwickelt werden. Der Rhein-Kreis Neuss sei Industriegebiet und wolle auch Industriegebiet bleiben. Das müsse der Leitgedanke eines Konzeptes sein. Es sei die Verpflichtung des Kreistages diese Voraussetzungen für die kommenden Generationen zu erhalten. Bei der Umwandlung in Energielandschaften und der Entdichtung der Energieversorgung müsse mit der Bevölkerung geredet werden, auch um auf größere Akzeptanz zu stoßen. Die Herausforderungen für den Strukturwandel seien im wesentlichen Infrastruktur und Flächen. Der Kreis brauche ein regional abgestimmtes Gesamtkonzept für den schneller und

härter kommenden Strukturwandel. Strukturwandel brauche Struktur. Der Rhein-Kreis Neuss müsse diese Generationenaufgabe auch entsprechend organisieren. Die SPD Kreistagsfraktion habe seit langem dazu einen Wirtschafts- und Strukturausschuss vorgeschlagen, da der Kreisausschuss der Herausforderung nicht gerecht werden könne. Ein neu einzurichtender „Arbeitskreis Regionale Strukturpolitik“, der für Kommunen, Wirtschaft und Industrie, Arbeitnehmer und weitere Betroffene offen sei, könne die Konzepte und Projekte im Rhein-Kreis Neuss beraten und priorisieren und die regionale Zusammenarbeit vorbereiten. Darüber sollte im Kreistag diskutiert werden. Er erwarte, dass die Verwaltung sich ebenfalls entsprechend umstrukturiere.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke berichtete, dass in der Kreisverwaltung eine Stabstelle Strukturwandel eingerichtet worden sei. Diese sei in der Änderungsliste zum Haushalt bereits entsprechend berücksichtigt worden.

 

Kreistagsabgeordneter Dirk Rosellen meinte, dass das Ergebnis aus der Kommission kritisch betrachtet werden sollte. Auf die Region kämen große Herausforderungen und Aufgaben zu, die heute noch nicht absehbar seien. Es bleibe abzuwarten, ob der bekanntgegebene Zeitplan eingehalten werden könne, denn dieser bilde die Grundlage für die Abschaltung. Der Atomausstieg sei noch nicht endgültig vollzogen worden und sieben Jahre früher als geplant sollen nun die Braunkohlekraftwerke abgeschaltet werden. Damit in der Region eine energieintensive Industrie erhalten bleibe, müssten viele Fragen geklärt werden. Das Ergebnis der Kommission entspreche nicht dem, was der Kreistag in seiner Resolution mehrheitlich beschlossen hatte. Der Kreistag müsse sein Möglichstes tun, um viele Projekte und ein Konzept zu entwickeln. Die in den Haushalt eingestellten 1 Mio. Euro würden eine erste finanzieller Ansatz sein, um Projekte auf den Weg bringen zu können.

 

Kreistagsabgeordneter Hans Christian Markert merkte an, dass der Blick nach vorne gerichtet und die Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Verwendung der 15 Mrd. Euro herausgepickt werden sollten. Allein auf diesem Wege bestünden Chancen Projekte in die Region reinzuholen, die dem Revier als führende Industrieregion zustehen würden. Die Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen sei hoch erfreut, dass der Antrag, welcher vor den Ergebnissen der Kommission eingebracht wurde, auch nach der Bekanntgabe der Ergebnisse bestand habe. Er stellte fest, dass es bereits bei den meisten Themen großen Konsens gebe. Der Kreis müsse über die Transformation zu erneuerbaren Energien beraten und werde gut beraten, nicht nur die Elektromobilität zu diskutieren, sondern auch alternative Kraftstoffe. Die Fraktion schließe sich deswegen dem Vorschlag der CDU und SPD Kreistagsfraktionen an, nicht streitig über die Anträge abzustimmen, sondern die Beratungen in den nächsten Wochen zu intensivieren und die Vorschläge gebündelt und priorisiert nach vorne zu bringen. Er halte die Nachhaltigkeit für einen guten Maßstab zur Priorisierung. Die Region habe die Pflicht der arbeitenden Bevölkerung gegenüber auch weiterhin Arbeitsplätze in der Region sicherzustellen. Er hob hervor, dass für die Transformation der Industrieregion die Ansiedlung neuen Gewerbes und neuer Industrie notwendig sei. Der Antrag der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen aus Dezember habe bereits die Sonderwirtschaftszonen thematisiert. Er wies darauf hin, dass beschleunigte Verfahren nicht den Umweltschutzgedanken ausschießen würden. Der Antrag fordere ebenfalls einen Schwerpunkt auf Rohstoffrecycling. Die RWTH Aachen habe bereits bei der ZRR gute Vorschläge dafür einbringen können und werde dem Kreistag sicher gute Ansätze liefern können. Er wies darauf hin, dass der Kreistag aufpassen müsse, damit keine Strukturwandelmittel in Mobilitätsprojekte reingesteckt würden, die auch ohne den Strukturwandel kommen würden. Er sehe ebenfalls Bedarf im Bereich der Güterverkehrsinfrastruktur und Trägersysteme. Zudem führte er aus, dass die Menschen in der Region in den Prozess eingebunden werden sollten. Er sehe deswegen den Bedarf eines Gremiums, der die nicht politisch tätige Bevölkerung involviere. Weiterhin halte die Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen an der Einrichtung einer Zukunftskommission fest, um externen Sachverstand in die Diskussionen einzubringen. Der Kreisausschuss könne der Herausforderung nicht ausreichend gerecht werden, weshalb ebenfalls die Bildung eines Wirtschaftsausschusses notwendig sei.

 

Kreistagsabgeordneter Oliver Schulz erläuterte, dass sich für die Kreistagsfraktion Die Linke die Priorisierung durch die Zeitleiste ergebe. Bis zum 31.12.2022 würden laut RWE 2.700 Arbeitsplätze wegfallen. In kürzester Zeit müssten für die Beschäftigten Lösungen gefunden werden. Deshalb müssten bereits jetzt ausreichend Mittel in den Doppelhaushalt eingestellt und aktiv vorgegangen werden. Die Priorität der Kreistagsfraktion die Linke liege eindeutig bei den Beschäftigten. Der Kreis habe durch das Technologiezentrum Glehn und dem Jobcenter Möglichkeiten mit Mitteln und Personal zu steuern. Wenn die Fachkräfte erst abgewandert seien, gebe es wenige Möglichkeiten diese wiederzugewinnen. Ein Ausbluten von Fachkräften könne sich der Rhein-Kreis Neuss als Standort nicht erlauben.

 

Landrat Petrauschke hielt fest, dass bereits in einigen Themen ein Konsens zu erkennen sei. Er stellte klar, dass der Kreis nicht davon ausgehe, dass die Mitarbeiter von RWE im Jobcenter laden. Sollten sie überhaupt arbeitslos werden, würden die Betroffenen im Bereich des SGB III weitervermittelt. Deswegen müsse der Kreis aufgrund mangelnder Zuständigkeit keine Mittel zur Verfügung stellen. Der Kreis müsse insoweit unterstützen, dass parallel Arbeitsplätze geschaffen werden, damit diese Vermittlung erfolgen könne. Der Rhein-Kreis Neuss müsse verdeutlichen, dass die Wirtschaft das Wesentliche erledigen und der Kreis mit seinen Gebietskörperschaften die Rahmenbedingungen schaffen müsse. Er schlug vor, dass vor der nächsten Kreistagssitzung die Ergebnisse aus den Fraktionen gebündelt in einem Konzept aufgearbeitet würden.

 

Kreistagsabgeordneter Carsten Thiel hob hervor, dass für ein langfristiger Strukturwandel mit System vollzogen werde. Dafür müsse mit den Kommunen gesprochen werden, damit Flächen bereitgestellt würden. Zudem müsse eine Einigung mit RWE erzielt werden, da es keine Rückbauverpflichtung gebe. Er sehe es als wichtig an, die Mittel mit dem größtmöglichen Nutzen einzusetzen und nicht zu experimentieren. Weiterhin wies er darauf hin, dass eine Kompensation der Arbeitsplätze schwer sein werde. Im Vordergrund stünden darüber hinaus eine verlässliche, günstige und dezentrale Energieversorgung, sowie die Schaffung eines zuverlässigen ÖPNVs, bevor ein weiterer Ausbau geplant werde.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke teilte mit, dass es einen nicht umlagerelevanten Grundstücksfonds als Position im Finanzhaushalt gebe. Er sei ursprünglich für Jüchen angedacht gewesen, damit im Rahmen des Tagebaugebietes Flächen ankaufen werden könnten. Beim Verkauf der Flächen sollte der finanzierte Betrag zurückfließen. Das Programm sei bisher nicht in Anspruch genommen worden. In der Änderungsliste zum Doppelhaushalt 2019/2020 seien 1 Mio. Euro für einen Grundstücksfonds „Strukturwandel“ eingeplant. Darüber hinaus würden noch rd. 0,9 Mio. Euro allgemeine Grunderwerbsmittel aus 2018 per Ermächtigungsübertragung nach 2019 übertragen, die auch für diesen Zweck Verwendung finden können.

 

Kreistagsabgeordneter Hans Christian Markert fragte, wo in Zukunft strukturell weiter über die Vorschläge beraten werde.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke meinte, dass einige Vorschläge in den Fachausschüssen bereits beraten worden und beraten werden könne.

 

Kreistagsabgeordneter Markus Roßdeutscher erklärte, dass die Kreistagsgruppe FdB über die Kreisverwaltung Fragen an Herrn Prof. Dr. Fischedick zukommen lasse.

 

Kreistagsabgeordneter Sebastian Kell fragte, wie die Stabstelle Strukturwandel personell besetzt sei.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke antwortete, dass die Stabstelle unter der Leitung von Herrn Temburg, Leiter des Amtes für Entwicklungs- und Landschaftsplanung, koordiniert werde. Derzeit seien zwei Stellen als Projektbegleitung ausgeschrieben. Zudem werde Frau Paust, die bisher im Amt für Entwicklungs- und Landschaftsplanung tätig war, das Team unterstützen.