Beschluss:

Der Naturschutzbeirat des Rhein-Kreises Neuss erhebt in den  Verfahren „Elektrifizierung der Regiobahninfrastruktur“ Abschnitt „Neuss Hbf - Bf Kaarster See“ und  dem „ Neubau der Eisenbahnüberführung (EÜ) Nordkanal“ keinen Widerspruch gegen eine Befreiung gem. § 67 BNatSchG von den Verbotsfestsetzungen der Landschaftsschutzgebiete und für die temporäre Inanspruchnahme der Kompensationsfläche.

 


Protokoll:

Herr Große stellte noch einmal kurz den in der Sitzungsvorlage dargelegten Sachverhalt dar. Hauptgegenstand sei die Elektrifizierung der Regiobahntrasse im Abschnitt zwischen Neusser Hbf und dem Bhf Kaarster See. Hinzu komme der Neubau der Eisenbahnüberführung im Bereich des Nordkanals. Er zeigte hierzu kurz anhand der Übersichtskarte den Trassenverlauf noch einmal an. Die Trasse verlief demnach teils im baulichen Innenbereich und teils im baulichen Außenbereich u.a. durch Landschaftsschutzgebiete mit den Verbotsfestsetzungen in Bezug auf bauliche Anlagen. Es handle sich um ein Planfeststellungsverfahren, das seitens der Bezirksregierung als Höhere Naturschutzbehörde bearbeitet werde und sich nach dem Eisenbahngesetz und dem Verwaltungsverfahrensgesetz NRW richte. Der Rhein-Kreis Neuss wurde als Träger öffentlicher Belange in dem Verfahren beteiligt und hatte hierzu bislang die in der Sitzungsvorlage beigefügte Stellungnahme abgegeben. Im Rahmen der Beteiligung des Rhein-Kreises Neuss beteilige dieser nun wiederum den Naturschutzbeirat der Unteren Naturschutzbehörde im Hinblick auf die Frage, ob die Erteilung von Befreiung von den Verboten für die betroffenen Landschaftsschutzgebiete auf dem Gebiet des Rhein-Kreises Neuss befürwortet werden kann. Das Votum werde dann der Bezirksregierung weitergegeben. Die Befreiung erfolge dann letztlich im Zuge der Konzentrationswirkung zum Planfeststellungsverfahren auf der Ebene der Bezirksregierung. Herr Große bat schließlich die anwesenden Projektträger und Planer um nähergehende Erläuterung des Vorhabens.

 

Herr Sebastian Iven, Vertreter der Regiobahn GmbH stellte zunächst die beiden anwesenden Planer, Herrn Sascha Leiße vom Planungsbüro Vössing Ingenieurgesellschaft mbH und Frau Andrea Hoffmeier vom Büro Bosch & Partner GmbH, vor. Herr Leiße sei für die Planung der Elektrifizierung zuständig und Frau Hoffmeier für die naturschutzfachliche Beurteilung des Vorhabens. Die Regiobahn GmbH betreibe ein eigenes Streckennetz, das zukünftig mit Elektrofahrzeugen befahren werden solle statt, wie bislang, mit Dieselfahrzeugen. Hierzu werde die Elektrifizierung der Strecke mit Oberleitungen erforderlich. Zum Teil solle die derzeit eingleisige Infrastruktur zweigleisig ertüchtigt werden und die stark sanierungsbedürftige Eisenbahnüberführung über den Nordkanal durch einen Neubau ersetzt werden. Das Vorhaben bringe neben der Errichtung von Oberleitungen und Oberleitungsmasten in erster Linie einen vegetativen Rückschnitt mit sich.

 

Frau Hoffmeier fuhr fort mit einer detaillierten Erläuterung der naturschutzrechtlich relevanten Aspekte des Vorhabens. Sie stellte diese anhand der dieser Niederschrift als Anlage beigefügten Präsentation dar. Für die Erstellung der Unterlagen habe ihr Büro in Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro Vössing im Auftrag der Regiobahn die Umweltgutachten u.a. für den im Rhein-Kreis Neuss relevanten 3. Planfeststellungsabschnitt erstellt. Hierzu seien ein Screening zur UVP-Pflicht, ein landschaftspflegerischer Begleitplan, eine Artenschutzprüfung der Stufe 2, eine allgemeinverständliche Zusammenfassung nach § 6 UVPG alt und ein Umweltbericht nach dem neuen UVPG angefertigt worden. Hierzu habe sie sich u.a. an den Standards und der methodischen Vorgehensweise der EBA-Leitfäden orientiert, die für Umweltvorhaben der Deutschen Bahn erstellt wurden.

 

Das Vorhaben sei zu großen Teilen im stark besiedelten Bereich gelegen. Nur wenige Bereiche, wie am Kaarster See und im Bereich Stadtwald/Morgensternsheide, würden sich als offene Flächen darstellen, die dann auch größtenteils als Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen seien. Betroffen seien die Landschaftsschutzgebiete Kaarster Graben/Nordkanal, Lange Hecke und Morgensternsheide/Stadtwald.

 

Es sei jeweils ein Wirkraum von 100 m beidseitig zu der betroffenen Bahnlinien untersucht worden. Als maßgebliche Vorhabenbestandteile mit Auswirkungen auf den Naturhaushalt seien die Elektrifizierung an sich mit der Errichtung von Oberleitungen und Oberleitungsmasten, der teilweise zweigleisige Ausbau und der Rückschnitt von Vegetation zur Einhaltung von Sicherheitsabständen zu den Oberleitungen identifiziert worden. Der Rückschnitt von Gehölzen sei auf einen Sicherheitsabstand von 6 m erforderlich. Im Abstand von 6 bis 9 m dürften jedenfalls keine größeren Gehölze wie Bäume stehen, wohl aber Gebüsche, die hier auch vorgesehen seien.

 

Die Eisenbahnüberführung am Nordkanal sei durch ein anderes Büro erarbeitet worden, das an dem Sitzungstermin nicht teilnehmen konnte. Hierzu werde Frau Hoffmeier aber einen kurzen Überblick geben.

 

Es sei eine Biotoptypenerfassung nach der LANUV-Methode und auf Grundlage von einschlägigen Fachsystemen durchgeführt worden. Im Rahmen des Scopings seien als relevante Artgruppen Vögel, Fledermäuse, Reptilien und Amphibien festgelegt worden. Eine Betroffenheit planungsrelevanter Arten sei nicht nachgewiesen worden.

 

Für die mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffe seien diverse Vermeidungsmaßnahmen getroffen worden. Die verbleibenden Beeinträchtigungen würden kompensiert werden. Bauflächen sollten möglichst auf bereits versiegelten bzw. anthropogen stark überformten Bereichen angelegt werden. Hierzu seien bislang im Zuge von Stellungnahmen Anmerkungen eingegangen, die dazu führten, dass weiterhin versucht werde, den Standort zu optimieren und die Unterlagen noch etwas zu überarbeiten.

 

Zum Schutz wertvoller Vegetationsbestände würden Vegetationsschutzzäune angelegt werden. Artenschutzrechtliche Vermeidungsmaßnahmen seien beispielshaft, die Gehölzrodungen außerhalb des Brutschutzzeitraums vorzunehmen. Es seien zwar keine Quartiere für Fledermäuse nachgewiesen worden, aber vor der Rodung von Bäumen würden diese im Rahmen einer ökologischen Baubegleitung zuvor auf Höhlen und Tierbesatz hin kontrolliert werden. Zum Schutz lichtempfindlicher Tiere wie der Wasserfledermaus werde auf nächtliche Bauarbeiten verzichtet, um diese nicht in ihrer Aktivitätszeit zu stören. Es seien keine planungsrelevanten Amphibienarten nachgewiesen worden. Zum Schutz bestimmter nicht planungsrelevanter Arten seien Sperrzeiten zur Baudurchführung vorgesehen und Zeitfenster entwickelt wroden, in denen in bestimmten relevanten Bereichen nicht gebaut werden dürfe. Zum Vogelschutz an Energiefreileitungen habe sie sich an den Richtlinien der Deutschen Bahn orientiert. Die Oberleitungen würden an allen Masten 60 cm unterhalb der Mastspitze angebracht werden und die Leitungen im Bereich der Masten isoliert werden. Im Hinblick auf Bodenschutz und Grundwasserschutz würden bodengefährdende Stoffe ordnungsgemäß gelagert und Schutzmaßnahmen vor Bodenverdichtung in anthropogen nicht überformten Bereichen vorgesehen werden. Die Entwässerung solle über vorhandene und neue Versickerungs- und Verdunstungsgräben erfolgen. Eine Betroffenheit planungsrelevanter Arten könne durch die Vermeidungsmaßnahmen letztlich ausgeschlossen werden.

 

Die verbleibenden Eingriffe in den Naturhaushalt könnten vollständig kompensiert werden. Hierzu seien nach dem landschaftspflegerischen Begleitplan entsprechende Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen, die fast ausschließlich auf eigenen Flächen der Regiobahn GmbH vorgenommen werden bzw. auf Flächen, die betriebsbedingt in Anspruch genommen werden. Zur Kompensation der Anlage des Gehölzsicherheitsstreifens werde auf Ökokontoflächen der Stadt Neuss und Stadt Kaarst zurückgegriffen werden. Im Sicherheitsstreifen zwischen 6 und 9 m würden jedenfalls Gebüsche angelegt werden. Die Baustelleneinrichtungsflächen seien nur temporär vorgesehen und würden nach Abschluss der Bauarbeiten vollständig rekultiviert und in den ursprünglichen Zustand wiederhergestellt werden.

 

Die Planung sei derzeit noch im Prozess, so dass aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen weitere Optimierungen im Hinblick auf die Lage der Baustelleneinrichtungsflächen vorgenommen würden, die in weniger relevante Bereiche verlagert werden würden. Dies sei beispielsweise bei der derzeitig geplanten Baustelleneinrichtungsfläche im Bereich Kruchensbusch der Fall.

 

Herr Leiße ergänzte, dass die Logistik der Arbeiten vom Gleis aus erfolge. Die erforderlichen Gegenstände für die Arbeiten würden auf den Baustelleneinrichtungsflächen lediglich zwischengelagert werden.

 

Frau Hoffmeier erklärte, dass in der Eingriffs-/Ausgleichsbilanzierung nach dem LANUV-Modell ein vollständiger Ausgleich erreicht werde und dementsprechend alle Beeinträchtigungen kompensiert würden. Die Artenschutzprüfung der Stufe 2 komme zu dem Ergebnis, dass über die vorgesehenen Vermeidungsmaßnahmen das Eintreten der Verbotstatbestände verhindert werde.

 

Frau Arndt fragte, ob Frau Hoffmeier die Stellungnahme der BUND Ortsgruppe Neuss zu dem Vorhaben bekannt sei. Frau Hoffmeier erklärte, dass diese eingegangen sei und in den nächsten Wochen bearbeitet werde. Frau Arndt erläuterte, dass entsprechend ihrer Stellungnahme die vorgesehenen Schutzmaßnahmen im Hinblick auf eine Erdkrötenanlage mit regem Krötenverkehr nicht ausreichend seien. Diese würden auch außerhalb der Zeit, die bis zum 30.06. angegeben worden sei, etwa zwei weitere Monate darauf noch unterwegs sein. Sie sagte, dass in diesem Bereich planungsmäßig auch einige Umbauten vorgenommen werden sollten. Es solle hierfür günstigstenfalls bis nach den 30.09. gewartet werden, jedenfalls aber über den August hinaus, weil unter der Brücke bis in den Wald hinein der Krötenverkehr laufe. Frau Hoffmeier antwortete, dass sie dies bereits gelesen und mit Herrn Iven und Herrn Leiße intern diskutiert hätte. Die Sperrzeiten für die Elektrifizierung würden aufgrund dessen verlängert werden. Für den provisorischen Haltepunkt würden die Leiteinrichtungen verlängert werden und auch zu bestimmten Zeiten aufgestellt werden, um ein Einwandern der Tiere in die Baustelle zu verhindern. Frau Arndt sprach davon, dass die gesamten Bauarbeiten verschoben werden sollten. Danach würden die Tiere voraussichtlich im Stadtwald unterkommen. Wenn die Haltestelle errichtet und die Leiteinrichtung wieder komplettiert worden ist, sei dies in Ordnung. Frau Hoffmeier erläuterte, dass die Leiteinrichtung erhalten bleiben solle und nicht geschädigt werde. Die Sperrfristen würden zwar verlängert werden, aber vermutlich nicht bis zum 30.09. Frau Arndt erwähnte, dass schon häufiger noch spät Tiere bei der Wanderung gesichtet worden seien. Frau Hoffmeier sagte, dies seien vereinzelte Tiere. Der Großteil müsste dann bereits abgewandert sein. Die Stellungnahme sei jedenfalls bekannt und der Amphibienschutz würde diesbezüglich noch weiter optimiert werden.

 

Bezüglich der Eisenbahnüberführung über den Nordkanal berichtete Frau Hoffmeier, dass dies von einem anderen Büro bearbeitet werde. Da dieses jedoch an der Sitzung nicht teilnehmen konnte, habe sie sich mit den Unterlagen beschäftigt, um einen kurzen Überblick zu geben. Hier seien vergleichbare Unterlagen erarbeitet worden. Die Artenschutzprüfung kam in diesem Bereich im Rahmen der Stufe 1 zu dem Ergebnis, dass eine vertiefende Prüfung nicht erforderlich sei. Die Eingriffe, die mit dem Neubau der Brücke einhergehen, seien vergleichbar zur Elektrifizierung. Im Umfeld würden als punktueller Eingriff Gehölze verloren gehen und zeitweilig Baustelleneinrichtungsflächen angelegt werden müssen. Es seien keine alten Gehölze betroffen. Der Eingriff sei auch zeitlich sehr beschränkt im Hinblick auf die Bauzeit, die geringer sei als die der Elektrifizierung. Die Flächeninanspruchnahme sei fast zur Hälfte auf bereits versiegelten und teilversiegelten Flächen gelegen. Der Rest seien temporäre Baueinrichtungsflächen. Alle Maßnahmen würden auch hier durch Kompensationsmaßnahmen vollständig ausgeglichen werden. Die Vermeidungsmaßnahmen seien vergleichbar zum Elektrifizierungsvorhaben. Einzuhalten seien gewisse Rodungszeiten, Maßnahmen zum Boden-/Gewässerschutz und eine Beachtung der unmittelbar benachbarten Amphibienleitanlage. Geplant seien außerdem, was aus den Unterlagen bislang noch nicht hervorgehe, zusätzliche Leiteinrichtungen aufzustellen und die Tiere aus der Baustelle rauszuhalten. Die Kompensation erfolge hier durch entsprechende Maßnahmen vor Ort.

 

Herr Klauth bedankte sich für den ausführlichen Vortrag. Da keine weiteren Wortmeldungen oder Ergänzungen erfolgten, wurde die Beschlussempfehlung der Verwaltung zur Abstimmung gegeben. Herr Große machte noch einmal darauf aufmerksam, dass das Votum dann entsprechend der Bezirksregierung weitergegeben werde.

 


Abstimmungsergebnis:

Einstimmig ohne Stimmenthaltungen.