Beschluss:

Der Naturschutzbeirat erhebt keinen Widerspruch gegen die Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG für die Sanierung des Stingesbachsammlers entsprechend der vorgestellten Planung der InfraStruktur Neuss AöR.


Protokoll:

Herr Steinhauer und Herr Untulis, Infrastruktur Neuss AöR, erläuterten auf Bitte des Vorsitzenden das anstehende Projekt.

 

Herr Untulis erläuterte, dass der Stingesbachsammler aus dem Jahr 1957 stamme, hydraulisch überlastet und in Teilen sehr schadhaft sei. Er sei nicht mehr zu unterhalten oder zu sanieren. Vorher sei er ein offenes Gewässer gewesen.

Es handele sich um den Entwässerungs-Hauptsammler der Neusser Nordstadt. Seine Trasse liege im sogenannten Pappelwäldchen in der Stingesbachaue und beginne an der Venloer Straße. Nach Querung der Bahnlinie verlaufe er weiter bis zum Hafen, wo das Regenwasser einer Klärung unterzogen werde.

Die Wahl der jetzt geplanten neuen Trasse sei wohl überlegt worden. Die erste Wahl sei die Bestandstrasse gewesen. Es habe sich aber herausgestellt, dass dies mit einem erheblichen Eingriff in die vorhandenen Grünstrukturen verbunden gewesen wäre. Die Trasse sei vollkommen zugewachsen. Der Kanal und die Kanalschächte seien nicht anfahrbar und könnten nicht unterhalten werden.

Neben seinen baulichen Mängeln weise der heutige Kanal auch eine mangelnde hydraulische Leistungsfähigkeit auf. Im Zuge der Generalentwässerungsplanung für Vogelsang habe man festgestellt, dass der Kanal von derzeit DN 1000 auf DN 1200 vergrößert werden müsse. Dies erhöhe seine Leistungsfähigkeit um etwa 60 %.

Bestandteil des Gesamtkonzeptes sei auch der Bau eines Regenrückhaltebeckens im Bereich des Kirmesplatzes außerhalb des Landschaftsschutzgebietes.

Trassenuntersuchungen im Wohngebiet hätten gezeigt, dass es nicht möglich sei, das Niederschlagswasser aus den nördlichen Gebiete auf der Strecke über die Gladbacher Straße abzuführen, da die Wassermengen dann so anwachsen würden, dass der Kanaldurchmesser über zwei Metern liegen müsse, was in den Straßen nicht realisierbar sei. Ein Engpunkt stelle auch die Bahnunterführung an der Gladbacher Straße dar. Dort könne der Kanal die Bahnlinie nicht queren. Man nutze hier die vorhandene Unterführung.

Für die Maßnahme müsse ein Teil des Grünbestandes entfernt werden. Man benötige eine etwa zehn Meter breite Arbeitstrasse für die Baufahrzeuge und die Kanaltrasse. Die dauerhaft erforderliche Wartungstrasse sei etwa drei Meter breit. Der Kanal liege dann unter dem bereits heute bestehenden Fuß-, Rad- und Wanderweg. Der für den Bau zu rodende Bereich werde nach der Verlegung wieder hochwertig aufgeforstet. Nicht wieder aufzuforstende Flächen, etwa 300 qm, würden über die Inanspruchnahme eines Ökokontos kompensiert. Ein Fachbüro werde die ökologische Baubegleitung durchführen und auch die erforderliche Ausschreibung der Baumaßnahme begleiten.

Man rechne mit bis zu zwei Jahren Bauzeit. Die Bauzeiten würden unter Berücksichtigung der Landschaftspflegerischen Begleitplanung und der artenschutzfachlichen Untersuchung festgelegt.

Die Sanierung des Hauptsammlers diene der schadlosen Niederschlagswasserabführung aus einem Einzugsgebiet von etwa 150 ha Größe. Bei einem Versiegelungsgrad von etwa 40 % ergebe dies rund 60 ha versiegelte Fläche. Die umliegenden Siedlungsgebiete lägen im Durchschnitt etwa ein bis zwei Meter höher als die Kanalachse. Das Wasser fließe diesem tiefsten Punkt entgegen und im freien Gefälle bis zum Rheinhafen.

 

Vorsitzender Grimbach dankte Herrn Untulis für die Erläuterungen. Es habe seines Wissens verschiedene Bedenken von Anwohnerinnen und Anwohnern gegeben, so die Befürchtung, dass Keller überflutet würden. Dies werde bei der Planung eines neuen Kanals kaum eintreten. Auch sei angemerkt worden, dass das Rückhaltebecken nicht erwähnt worden sei.

Was die Arbeitstrasse betreffe, sei er der Meinung, dass bei einem solchen Projekt eine Breite von etwa zehn Metern nicht überzogen und aus Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes vertretbar sei.

Er bat um weitere Erläuterungen zu den geäußerten Befürchtungen.

 

Herr Untulis ergänzte, dass es hier die Aufgabe sei, Wasser schadlos abzuführen. Dies sei mit einer Kanalisierung verbunden.

Im Bereich des Stingesbachsammlers seien zwei sogenannte Quelltöpfe vorgesehen. Diese stellten bei starken Niederschlägen eine Entlastung der Kanalisation dar. Ohne die Quelltöpfe könne es im Oberlauf der Kanalisation zu einem Rückstau kommen, der zu einer Überflutung der Straßen führen könne. Wichtig seien diese insbesondere auch für den Fall eines seltenen Extremniederschlages mit hohem Schadpotential. Dieses Risiko werde durch die Quelltöpfe gemindert. Ganz ausschließen könne man die Risiken in einem solchen Fall nicht, wie man im vergangenen Jahr anderenorts gesehen habe.

Befürchtungen hinsichtlich vernässter Keller könne er nicht teilen. Der Wald wirke bei Wasseraustritten wie ein Schwamm. Ein Teil des Wassers werde verdunsten, ein anderer versickern. Eine deutliche Erhöhung des Grundwasserspiegels sei nicht zu erwarten.

Für die Verlegung der Kanalrohre mit einem Außendurchmesser von etwa 1,60 Metern und einem Gewicht von einigen Tonnen benötige man eine Baustraße für die Fahrzeuge wie Verlegebagger und Lastwagen für den Aushub. Diese Trasse werde seitlich des Kanalgrabens vorbeigeführt, dies in Bauabschnitten von 20 – 50 Metern. Unmittelbar nach der Verlegung werde der jeweilige Kanalgraben wieder geschlossen und der Weg zunächst provisorisch wiederhergestellt.

Der in Anspruch genommene Wald werde wieder aufgeforstet. Während der Bauzeit würden die Waldränder vor unbeabsichtigter Beschädigung geschützt.

Der Bau werde in zwei Abschnitten abgewickelt. Der erste Abschnitt beginne am Tiefpunkt an dem Tennenplatz am Bahndamm und führe bei einer kalkulierten Bauzeit von 12 Monaten bis zur Römerstraße. Hierin enthalten seien auch die für den Bau nicht nutzbaren Zeiten wie zum Beispiel Brutzeiten. Die eigentliche Bauzeit sei Herbst bis früher Frühling. Dies werde durch die ökologische Baubegleitung mit dem Unternehmer abgestimmt. In Bereichen wie beispielsweise der Römerstraße und dem Kirmesplatz könne auch innerhalb der Schutzzeiten gearbeitet werden.

Die ISN werde die Maßnahme vollumfänglich so durchführen, dass etwaige Beeinträchtigungen von Bürgerschaft und Natur und Landschaft so weit wie möglich minimiert würden.

 

Herr Steinhauer ergänzte, dass das geplante Regenrückhaltebecken dimensionsgebend für den Kanal sei.

Die Lage im Bereich des bestehenden Rad- und Fußweges habe man gewählt, da dort nur etwa 70 % der naturnahen Flächen genutzt werden müssten. Jede andere Trassierung im Bereich des Stingesbaches erfordere die Anlage eines neuen Unterhaltungsweges für Wartung und Instandhaltung und sei mit erheblich größeren Eingriffen verbunden.

 

Vorsitzender Grimbach dankte für die ausführlichen Erläuterungen.

 

Beiratsmitglied Wittmer wies darauf hin, dass hier ein alter Rheinarm liege. Wenn Rheinhochwasser vorliege, staue sich das Wasser hier zurück. Aus dem Grund seien die Häuser am Pappelwäldchen vor vierzig Jahren mit einer Wanne gebaut worden. Das schnelle Abführen des Wassers mit einem neuen Kanal sei sicher sinnvoll.

 

Umweltdezernent Küpper nahm Bezug auf den Wunsch des Beirates aus der letzten Beiratssitzung nach Erläuterungen der Projektträger und Darstellungen der Planung durch eine Projektion. Diesem Wunsch sei man nachgekommen. Alle Plandarstellungen seien verfügbar. Jetzt bestehe die Möglichkeit, Fragen an den Projektträger zu richten. Er bat darum, hiervon Gebrauch zu machen, solange dieser Tagesordnungspunkt beraten werde.

 

Beiratsmitglied Bolz beklagte, dass heute die Flächenversiegelung durch Bebauung, versiegelte Vorgärten und andere Maßnahmen immer weiter zunehme. Dies sei auch in der Nordstadt ersichtlich. Letztlich werde dann beklagt, dass das Niederschlagswasser nicht mehr versickern könne.

Er fragte nach der Lage der Quelltöpfe unter Berücksichtigung der Tiefpunkte in dieser verlandeten nacheiszeitlichen Altstromrinne. Er habe Zweifel am Sinn eines Quelltopfes im östlichen Bereich.

 

Herr Untulis bestätigte, dass die Quellschächte tatsächlich nur im westlichen Bereich der Trasse vorgesehen seien. Die Markierung im Plan im östlichen Teil stelle einen anderen Abschnitt des Kanals, hier zur Furtherhofstraße, dar, der im Zuge des Projektes aufgenommen werde.

 

Auf die weitere Frage von Beiratsmitglied Bolz nach der Möglichkeit einer Installation von Kleintierdurchlässen im Bereich der Römerstraße mit Blick auf die Biotopverbundfunktion der Stingesbachaue antwortete Herr Untulis, dass man diesen Vorschlag gerne aufnehmen und mit dem zuständigen Fachamt der Stadt besprechen werde.

 

Abschließend regte Beiratsmitglied Bolz an, unabhängig von den jetzt anstehenden Fragen den vorhandenen Reitweg in den Bereich des Fuß- und Radweges zu verlegen, um die Biotopfunktion des Raumes zu stärken. Der Arbeitsraum an der geplanten Kanaltrasse lasse dies zu. Weiterhin bat er um Überprüfung der bei den Pflanzmaßnahmen geplanten Arten, da es sich in einigen Fällen um nicht-heimische Arten handele.

 

Herr Untulis sagte zu, dies mit dem Planungsbüro bzw. dem zuständigen Fachamt der Stadt Neuss zu besprechen.

 

Auch der Beiratsvorsitzende wies darauf hin, dass die vorgelegte Liste der potentiell natürlichen Vegetation fehlerhaft sei.

 

Weitere Wortmeldungen lagen nicht vor.


Abstimmungsergebnis:

Einstimmig ohne Stimmenthaltungen.