Protokoll:

Herr Napp-Saarbourg – Sprecher des Netzwerkes der Apotheken – stellte die Thematik „Apotheken in ländlichen Gebieten des RKN“ aus seiner Perspektive als Freivortrag anhand seiner Notizen vor.  

 

Herr Napp-Saarbourg wies darauf hin, dass es seit einiger Zeit einen Trend hin zu weniger Apotheken in Deutschland bzw. besonders in ländlichen Regionen gibt. Im Durchschnitt wird alle 27/28 Stunden eine Apotheke für immer geschlossen. Dies ist natürlich zunächst nicht bemerkbar, vor allem, wenn man in einer Stadt wohnt. Aber dadurch, dass dieser Trend schon seit ungefähr 10 Jahren anhält, nimmt die Apothekendichte und somit auch die Versorgung der Bürger im ländlichen Raum stetig ab.

 

Studienplätze in der Branche sind eigentlich gut gefüllt, aber die Absolventen kommen nicht in der stationären, niedergelassenen, ländlichen Apotheke an. Wodurch, wie auch in anderen Branchen, ein Fachkräftemangel vorherrschend ist. So fällt es in den Ruhestand gehenden Apothekern auch oft schwer, Nachfolger zu finden. Dies hat eine Reihe an Gründen, wie unter anderem: Sechs-Tage-Woche ist größtenteils Standard, work-life-balance ist eher ungünstig, und die Arbeitszeiten sind in den seltensten Fällen auf acht Stunden begrenzt. Darüber hinaus gibt es stetig ändernde Rahmenbedingungen durch gesetzliche Krankenkassen, Gesundheitsminister etc., wodurch eine durchgängige Planungssicherheit nicht gegeben ist. Der Krankenkassenabschlag ist zudem gesenkt worden, und die Apotheken können aufgrund von festgeschriebenen Preisen diese Verluste nicht einfach ausgleichen.

 

Herr Napp-Saarbourg wies zusätzlich noch auf die vergangenen Lieferengpässe, sowie dem nicht idealen Konzept von exklusiven Rabattverträgen hin.

 

Diese Probleme führen in Kombination mit einem hohen erforderlichen Startkapital (aufgrund von benötigten Anschaffungen und Regelungen zu Räumlichkeiten etc.), dazu, dass die Studien-Absolventen die niedergelassenen Apotheken nicht mehr als sichere Zukunftsperspektive ansehen. Die Industrie, Forschung, Verwaltung oder auch die in Krankenhäusern integrierten Apotheken erscheinen in dem Kontext als attraktivere Alternative. Hier sind geregelte Arbeitszeiten und allgemein bessere Rahmenbedingungen gegeben. Gerade in ländlichen Regionen gibt es zudem noch das Problem, dass sich hier weniger (Kinder-)Ärzte niederlassen und somit auch weniger Rezept-Ausstellungen für die örtlich ansässigen Apotheken zustande kommen.

 

Er wies auch darauf hin, dass der Online-Medikament-Versand-Handel viele Erleichterungen hat, die es ihm wiederum ermöglichen, ganz andere Preise als die niedergelassenen Apotheken anzubieten.

 

 

 

Im Anschluss an den Vortrag sind folgende Fragen aufgekommen:

 

Dezernent Herr Küpper: Was können wir als Kreis machen, um die Rahmenbedingungen zu verbessern?

 

Antwort: Viele Dinge werden nicht auf Kreisebene, sondern auf Bundesebene gesteuert. Von daher wäre das einzige eigentlich die Politiker in ihren Parteien dazu zu motivieren, sich der Problematik anzunehmen.

 

Herr Prof. Dr. med. Sievers: Ist es nötig, das Angebot der Apotheken in diesem Maße aufrecht zu halten, wenn Amazon o.ä. eventuell über Nacht liefern können?

 

Antwort: Amazon hat teilweise längere Lieferzeiten, und der Apotheker kann flexibler Lösungen anbieten und auch nochmal prüfen, ob das, was angefragt wird, auch Sinn ergibt, sowie Medikament Interaktionen und damit verbundene Risiken beschreiben.

 

Nachtrag Fragensteller: Im Rahmen der Digitalisierung wird vieles über Apps etc. den Apothekern abgenommen werden, sodass eventuell diese Medikament-Interaktionen via Knopfdruck in einer App abgerufen werden können.

 

Ergänzung durch Frau Albrecht: Das schon, aber bei unserer alternden Bevölkerung werden sich viele mit Apps dieser Art nicht beschäftigen bzw. damit umgehen können. Die Apotheke bietet darüber hinaus noch ein persönlicheres Element, was sich vermutlich auch nicht gänzlich ersetzen lässt.

 

Ergänzung durch Frau Krüppel: Wäre die Kombination aus beiden Systemen nicht sinnvoll, und wäre das Aufrechterhalten einer überflüssigen Struktur nicht vergebene Mühe? Würden weniger Apotheken (dann aber mit genug Personal und Medikamenten) plus Versandapotheke nicht auch vorteilhaft für die dann verbleibenden niedergelassenen Apotheken sein?

 

Antwort: Teils ja, aber die negative Tendenz ist nun einmal definitiv sichtbar, und wenn es schlimmer wird, dann auch in unserem ländlichen Bereich bald spürbar. Und auch für die verbleibenden Apotheken wird der Leistungsaufwand eventuell zu groß werden können. Generell ist diesem Wandel natürlich auch nicht zu widersprechen. Die Gesellschaft muss sich entscheiden, was ihr dieses System wert ist und ob man es aufrechterhalten möchte oder nicht, ob man es braucht oder nicht. Man sollte sich aber bewusst sein, dass wenn diese Infrastruktur erstmal weg ist, dann kommt sie auch nicht mehr zurück. 

 

 

Herr Dr. von Canstein: Für die weniger mobilen Bewohner außerhalb der Städte ist dieser Wandel natürlich nicht vorteilhaft, aber ist dieser nicht eine natürliche Reaktion aufgrund eines sich wandelnden Struktur- und Konsumverhaltens?

 

Antwort: Ja, das kann man natürlich so auch verstehen. Hier muss sich, wie gesagt, die Gesellschaft entscheiden, ob sie die physische Infrastruktur der niedergelassenen Apotheken, vor allem im ländlichen Raum, aufrechterhalten möchte oder nicht.

 

Frau Stüsgen: Wie würde denn die Prognose für die nächsten fünf bis zehn Jahre aussehen? Und an welcher Stelle würde die Versorgungslage umkippen?  

 

Antwort: Die ländlichen Gebiete sind in einer schwierigeren Lage als städtische Regionen, hier werden die Zwischenräume unter den noch verbleibenden Apotheken immer größer werden. Dies wird durch eine abnehmende Ärzte-Dichte und damit weniger Rezept-Ausstellungen noch befördert.