Protokoll:

Kreisdirektor Brügge berichtete mit der als Anlage beigefügten Präsentation zum Thema Flüchtlinge.

Dezernent Mankowsky ergänzte den Vortrag um eine Darstellung aus medizinischer Sicht:

 

Die ausschließliche Erstaufnahme für den Rhein-Kreis Neuss  im Berufsbildungszentrum Grevenbroich habe sowohl für die Ärzte des Kreisgesundheitsamtes aber auch für die Städte und Gemeinden zu einer deutlichen Vereinfachung des Aufnahmeverfahrens geführt.

 

Es gebe aber Unwägbarkeiten. So stellen sowohl die zum Teil unbestimmbaren Uhrzeiten als auch die unbestimmbare Anzahl der Flüchtlinge bei den Ankünften immer wieder enorme Herausforderungen dar. Beispielhaft führte er aus, dass Flüchtlinge für die Nachtstunden angekündigt seien, so dass eine entsprechende Anzahl an Ärzten vor Ort präsent stünden, diese Flüchtlinge aber dann erst am nächsten Morgen eintreffen würden. Bei der eigentlichen ärztlichen Versorgung habe sich im Laufe der Wochen und Monate Routine eingestellt.

 

Er führte einige Möglichkeiten der Optimierung auf, welche man heute dem Land NRW mitgeteilt habe. Dies betreffe zum Beispiel die Behandlung von zum Teil schon im Rahmen der Erstuntersuchungen festgestellten Erkrankungen.

Durch die aufgrund der Erlasslage erforderliche klare Abtrennung von Erstuntersuchung und Behandlung von festgestellten Erkrankungen wird die Arbeit, nicht nur des ärztlichen Personals, unnötig erschwert. So sei es z. B. notwendig, bei „einfachen“ Erkältungskrankheiten die betroffenen Personen mit „Behandlungsscheinen“ auszustatten und an den kassenärztlichen Notdienst weiterzuleiten. Im Falle von Kindern bedeutet dies häufig den notwendigen Transport ganzer Familien und vor Ort dringend benötigter Dolmetscher in die kinderärztliche Notfallpraxis nach Neuss.

Hier wäre die Befugnis zur Einleitung einer Behandlung durch die aufnehmenden Ärzte eine wünschenswerte Verbesserung.

Dringend notwendig sei auch eine Berechtigung zur Behandlung, bzw. zur Weiterleitung von Patienten mit sog. Alterkrankungen für die versorgenden Ärzte.

Sowohl im Bereich der Erstaufnahme als auch bei der Betreuung in den Notunterkünften und der ZUE stellt sich die Versorgung mit Arzneimitteln als problematisch dar. Aufgrund arzneimittelrechtlicher Bestimmungen in § 43 Abs. 1 Arzneimittelgesetz, sei es den Ärzten untersagt, Medikamente an Patienten abzugeben. Lediglich die unmittelbare Anwendung von Arzneimitteln, d. h. das Aushändigen z. B. einer einzelnen Tablette zur unmittelbaren Einnahme durch den Patienten ist ihnen gestattet.

Das hat zur Folge, dass ein abends oder nachts eintreffendes Kind mit Erkältungssymptomen samt Familie sowie einem - in der EAE ebenfalls dringend benötigten - Dolmetscher zunächst zur etwa 20 km entfernten kinderärztlichen Notfallpraxis nach Neuss und dann zur notdiensthabenden Apotheke gefahren werden müsse.

In diesem Zusammenhang wäre es absolut sinnvoll, die Abgabe von Arzneimitteln vor Ort zu erleichtern.

Des Weiteren sei aus epidemiologischer Sicht dringend die Durchführung von Grippeimpfungen, bzw. deren Kostenübernahme durch das Land zu fordern.

Sollte es zu Fällen von Influenza innerhalb der Einrichtungen kommen, werde diese sich, schon durch die z. T. sehr kurze Verweildauer der Bewohner in den einzelnen Einrichtungen, rasend schnell ausbreiten. Da eine adäquate Versorgung an Influenza erkrankter Personen in den Unterkünften nicht möglich sei, werde es unmittelbar darauf zu massiver Überforderung der Krankenhäuser kommen.

 

Kreistagsmitglied Cöllen bat um Auskunft, ob weitere Notunterkünfte errichtet werden müssen.

Kreisdirektor Brügge erklärte, dass das Land NRW zukünftig insgesamt eigens eingerichtete 60.000 Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen Zentralunterbringungseinheiten und Notunterkünfte vorhalten wolle.
Dies würde vom Land derzeit als ausreichend angesehen. Dabei solle die Amtshilfe künftig zurück genommen werden. Kreisdirektor Brügge befürchtete jedoch, dass diese Berechnungen nicht ausreichend diejenigen Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive berücksichtigen, welche nun nach neuer Gesetzeslage in den Erstaufnahmeeinrichtungen bis zur Rückreise oder Abschiebung verbleiben sollen.

 

Kreistagsmitglied Bartsch bedankte sich für das hervorragende Engagement  durch die Mitarbeiter der Kreisverwaltung, des TZG und besonders bei den ehrenamtlich Tätigen, welche diese große Herausforderung bewältigen.

Er fragte nach, ob während der Sprachkurse auch eine Kinderbetreuung gewährleistet sei.

 

Kreisdirektor Brügge teilte mit, dass hieran gearbeitet werde, um allen Flüchtlingen, insbesondere auch den Frauen,  Zugang zu den Sprachkursen zu ermöglichen.

 

Kreistagsabgeordneter Carsten Thiel war erstaunt, dass durch das Land keine Grippeschutzimpfung ermöglicht werde und fragte, welche Folgekosten hierdurch möglicherweise entstünden. 

Weiterhin bat er um Auskunft, wie die Arbeitserprobung praktisch aussähe.

 

Kreisdirektor Brügge sprach den Erlass des Gesundheitsministeriums NRW zur Versorgung der Flüchtlinge an, welchen er diesbezüglich sehr kritisch sehe. Unter anderem sei die fehlende Grippeschutzimpfung ein großes Problem, da sich in den Flüchtlingsunterkünften Infektionen sehr schnell verbreiten könnten und dann zu einem großen Problem, wenn nicht sogar zu einer Überlastung der Krankenhäuser führen könnte.
Kritisch sehe er darüber hinaus, dass wie in der Sozial- und Gesundheitskonferenz berichtet in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes notwendige Behandlungen, wie die einer Schussverletzung, nicht durchgeführt werden können, da diese als Alterkrankung gelten.

 

Auf die Frage von Kreistagsmitglied Servos, wie vielen Asylanträgen entsprochen werde, verwies Kreisdirektor Brügge auf die Präsentation. Die Zahlen sind der Seite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entnommen.

Unter www.bamf.de in der Rubrik „ Migration nach Deutschland“, dem Thema „ Asyl und Flüchtlingsschutz“ stehen im Downloadbereich (rechts unten auf der Seite) aktuelle Zahlen zu Asyl zur Verfügung.

 

Die Arbeitserprobungen sollen unter anderen in den Werkstätten der Berufsbildungszentren in den Nachmittagsstunden außerhalb der Schulzeiten stattfinden.

 

Ausschussmitglied Kresse ging davon aus, dass auch Ministerin Steffens die Auffassung bezüglich der Gesundheitsfürsorge teile. So habe sie versucht, durch die Einführung der Gesundheitskarte die Diskriminierung von Flüchtlingen zu verhindern.
Leider sei die Gesundheitskarte durch die Städte und Gemeinden des Rhein-Kreises Neuss nicht angenommen worden.
Bei der Versorgung der Flüchtlinge dürfe es kein Zuschieben von Zuständigkeiten geben.

 

Kreisdirektor Brügge erläuterte, dass sich die Vorfälle von Nicht-Behandlung von Erkrankungen keineswegs im Zuständigkeitsbereich des Kreises oder der Städte und Gemeinden abgespielt haben. Hier werde alles getan, um den Menschen zu helfen, unabhängig davon, ob die Kosten erstattet werden oder nicht.
Die Vorfälle ereigneten sich jedoch in der Landeseinrichtung, in der die Entscheidungen bezüglich der Behandlungen ausschließlich durch die Bezirksregierung entsprechend der Erlasslage des Landes  getroffen würden. Hierfür sei die Gesundheitskarte nicht vorgesehen. Der Rhein-Kreis Neuss habe die zuständige Landes- Gesundheitsministerin und den Innenminister NRW in dieser Sache angeschrieben.

 

Die angesprochene Gesundheitskarte sei hier nicht weiter zu diskutieren, da sie ausschließlich für die zugewiesenen Asylbewerber, welche unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, ausgegeben werden könnte, nicht aber für die Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen.

Bezüglich des Vorwurfes, es werden Zuständigkeiten zwischen Beteiligten zugeschoben, betonte Kreisdirektor Brügge, dass es entgegen dieser Aussage vielmehr eine sehr intensive Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten geben würde. So fänden intensive Gespräche und  eine konstruktive Zusammenarbeit  über alle Zuständigkeitsgrenzen hinweg zwischen IHK, Kreishandwerkerschaft, Arbeitsagentur und Jobcenter sowie  Kolleginnen und Kollegen der Kreisverwaltung statt. Hierfür sei er sehr dankbar.

 

Ausschussmitglied Dr. Leyhausen wies im Hinblick auf das vorgelegte sog. Düsseldorfer Raster zur Erfassung von Qualifikationen von Flüchtlingen darauf hin, dass man nicht von allzu hohen Qualifikationen ausgehen dürfe. Viele seien womöglich Analphabeten. Weiterhin fragte sie nach Ruheräumen für Kinder bzw. Schutzräume.

 

Kreisdirektor Brügge berichtete, dass die bisherige Erfassung über das Düsseldorfer Raster ein breites Spektrum von nicht vorhandenen Qualifikationen bis hin zu Ärzten und Ingenieuren ergeben habe.

Die Frage nach den Schutzräumen sei eher bezüglich der Einrichtungen für zugewiesene Flüchtlinge in den Städten und Gemeinden zu beantworten. Er werde hier nachfragen. 

Auch in der Erstaufnahme des Rhein-Kreises Neuss habe man soweit möglich abgetrennte Bereiche eingerichtet, welche insbesondere für Familien zur Verfügung stünden.

 

Kreistagsmitglied Schulz bedankte sich bei der Verwaltung für die geleistete Arbeit  bei der Betreuung der Flüchtlinge. Er fragte, ob bei der Erstuntersuchung auch psychische Erkrankungen diagnostiziert werden.
Er bat weiter um Auskunft zur Anzahl der unbegleiteten Minderjährigen im Rhein-Kreis Neuss.

Frau Dr. Eisenhuth erläuterte, dass bei der kurzen ersten Begutachtung keine intensive Diagnostik bezüglich psychischer Erkrankungen möglich sei. Offenkundige Fälle, z.B. bei Drogensucht,  würden jedoch in entsprechende Krankenhäuser eingewiesen.

 

Kreisdirektor Brügge ergänzte, dass man zur Frage der psychologischen Betreuung von Flüchtlingen die Gesundheitsministerin angeschrieben habe. Die Antwort, in welcher das Problem bestätigt werde und die Ressourcenprobleme erläutert werden, werde zum Protokoll gegeben.
Eine Aufstellung bezüglich der unbegleiteten Minderjährigen werde ebenfalls dem Protokoll beigefügt.

 

Kreistagsmitglied Servos wies auf ein Angebot des Landschaftsverbandes Rheinland aus Juni 2015 hin, wonach Plätze in Landeseinrichtungen für traumatisierte Flüchtlinge freigehalten würden.