Beschluss:

Der Kreistag stimmt den neuen Richtwerten zu. Die Mietobergrenzen treten zum 01.02.2019 in Kraft.

 


Protokoll:

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke erklärte, dass die Festsetzung des grundsicherungsrelevanten Mietspiegels bereits im Sozial- und Gesundheitsausschusses diskutierten worden sei. Sinn dieses Mietspiegels sei die Schaffung einer Grundlage, aufgrund derer die Mitarbeiter der Jobcentren eine Regelung treffen können, welche Mietobergrenze eigehalten werden solle, damit die Kosten der Unterkunft nicht ausufern. Die Erklärung, dass Hartz-IV Empfänger durch diese neuen Grenzen keine Wohnung mehre bekämen, sei völlig falsch. Sollte die Mietobergrenze nicht eingehalten werden können, und keine anderen Wohnungen zur Verfügung stehen, dann werde im Einzelfall auch über diesen Satz hinaus eine Finanzierung der Kosten der Unterkunft möglich sein. Es sei nur nicht möglich, ohne vorherige Bemühungen in einer unangemessenen Wohnung zu hausen. Ein Hartz-IV Empfänger sei dadurch selbst in der Verantwortung, dem Jobcenter seine Bemühungen mitzuteilen. Ebenfalls sei der grundsicherungsrelevante Mietspiegel auch keine Regelung für die Schaffung preisgünstiger Wohnbauten, es gehe darum dass die Mitarbeiter im Jobcenter dadurch klare Regelungen hätten. Man müsse sich an die gesetzlichen Grundlagen, die die Rechtsprechung hier vorgebe, auch halten. Würde der Beschluss so nicht gefasst, müsse dieser sogar beanstandet werden.

 

Kreistagsabgeordnete Angela Stein-Ulrich erläuterte, dass durch den grundsicherungsrelevanten Mietspiegel die Lebensqualität von Hartz-IV Empfängern deutlich sinke. Die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass die Obergrenze der angesetzten Wohnkosten an der Lebensrealität der Hartz-IV Empfänger vorbeigehe und gleichzeitig zu erheblichen Einsparungen auf der Seite des Jobcenters führe. Von Januar bis Dezember 2017 sei die Lücke zwischen den Mieten auf 624 Mio. Euro geschätzt worden. Diese Lücke spiegle sich auch im Rhein-Kreis Neuss wider. Viele Hartz-IV am Existenzminium leben, um die Kosten zu decken, die für den Grundbedarf benötigt werden. Bei dem Konzept sei auffällig, dass die Kosten der Kaltmiete zu Grunde gelegt würden. Dies sei nicht zulässig, es sollte der Betrag gezahlt werden, der vom Vermieter gefordert werde. Weiterhin falle auf, dass die Nettokaltmiete in Städten deutlich höher ausfalle als an Randgebieten. Die Bruttokaltmieten hingegen würden zu gering angesetzt. Es werde gefordert, die Tabellenwerte der Wohngeldtabelle um 10 % Zuschlag zu erhöhen.

 

Kreistagsabgeordneter Udo Bartsch verdeutlichte nochmals die sehr angespannte Situation auf den Wohnungsmärkten im Rhein-Kreis Neuss. Es sei schwer die Hartz-IV Empfänger mit entsprechendem Wohnraum zu versorgen. Zu den genannten Richtwerten gebe es in einigen Städten gar keine Wohnungen.

 

Kreistagsabgeordneter Carsten Thiel betonte, dass der aktuelle Wohnungsmarkt deutlich zeige, dass im Rhein-Kreis Neuss zügig bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden müsste. Er zeigte sich darüber erfreut, dass im Kreishaushalt 3 Mio. Euro für eine Kreiswohnungsbaugesellschaft zur Verfügung gestellt wurde. Nun müsse die Kreiswohnungsbaugesellschaft agieren. Ein 2-Personen-Haushalt bezahle in Neuss bei 65 m², also 5,68 EUR /m² (Kaltmiete). Bei einem 4-Personen-Haushalt liege der Betrag bei 5,49 Euro/m² (Kaltmiete). Dies gehe an der Realität vorbei und trage zu einer Belastung der Bürger bei. Die Entscheidung hierrüber liege jedoch nicht beim Rhein-Kreis Neuss, sondern werde vom Land und Bund getroffen. Aus diesem Grund sollte auf oberster Ebene die Gesetze geändert werden.

Deswegen soll der Kreistag des Rhein-Kreises Neuss vom Bundesministerium fordern, dass der Mietspiegel so zu reformieren sei, dass die Mieten des sozialen Wohnungsbaus als angemessen gelten.

 

Kreistagsabgeordneter Dirk Rosellen erklärte, dass die Zahlen, die hier zugrunde gelegt würden, durch ein Gutachten ermittelt worden seien. Demnach obliege die Zuständigkeit nicht dem Rhein-Kreis Neuss, sondern Bund und Land. Die getroffenen Vorgaben seien durch Gesetzte und Rechtsprechungen konkretisiert und aufgestellt worden. Die Aufgabe des Rhein-Kreises Neuss sei nicht die Überprüfung dieser Vorgaben. Dies werde von Bundesgerichten entschieden. Die Aufgabe des Rhein-Kreises Neuss liege darin festzustellen, ob bei der Gutachtenerstellung diese Vorgaben berücksichtigt und keine Fehler eingebracht worden. Das Gutachten sei im Sozial- und Gesundheitsausschuss vorgetragen worden. Dort seien keine Fehler entdeckt worden.

 

Erster stellvertretender Landrat Dr. Hans-Ulrich Klose merkte an, dass die Debatte im Sozial- und Gesundheitsausschuss umfangreich geführt worden sei. Dies sei auch verständlich, da die Versorgung mit angemessenem Wohnraum in ganz Deutschland knapp sei. Die Frage, wie der Mietpreisspiegel gestaltet werden könne und welche Anforderungen an ihn zu stellen sind, werde hier nicht durch politische Maßnahmen des Kreises bewältigt. Die Kriterien, die an die Aufstellung eines Mietpreisspiegels gestellt würden, seien in den entsprechenden Regelungen des Sozialgesetzbuches festgelegt und durch die Grundsätze der sozialen Rechtsprechung ergänzt. Bereits in der Sitzung des Sozialausschusses habe er gesagt „ Wir sollten diese  Diskussion zum Anlass nehmen, um nochmal zu verdeutlichen, wie wichtig politisch die ausreichende Versorgung mit Wohnraum ist“. Dies zeige die Dringlichkeit der Lage. Zudem könnten Rechtsfragen nicht durch ein Gutachten geklärt werden, sondern nur durch die Rechtsprechung. Entscheidend sei, dass für die Umsetzung auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen- der Mietpreisspiegel sei hierfür nicht das richtige Mittel. Wenn gegen geltende rechtsstaatliche Bestimmungen verstoßen werde, könne ein solcher Beschluss auch nicht aufrechterhalten werden. Er schlug vor, dass die Politik sich nochmals Gedanken mache wie das Thema angegangen werde, also die politische Bedeutung klargestellt werde. Man sei auch an die Rechtsstaatlichkeit gebunden. Es bringe nichts, wenn hier Beschlüsse gefasst würden, die gegen rechtsstaatliche Vorgaben verstoßen. Weiterhin merkte er an, dass in der Vergangenheit nie Maßnahmen ergriffen worden seien, die Hartz-IV Empfänger dazu veranlasst hätten ihre alten Wohnungen zu verlassen, wenn dies nicht zumutbar sei. Die Zahl der Prozesse habe hier verhältnismäßig eine geringe Bedeutung. Die Aufgabe der Politik sei es, dass der Mietpreisspiegel nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der tatsächlich vorhandenen Rechtsansprüche des Wohnungssuchenden führe.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke stellte klar, dass die Verwaltung alles Mögliche unternehmen werde, damit bezahlbarer Wohnraum geschaffen werde. Ein erster Schritt sei eine Kreiswohnungsbaugesellschaft, die sich dieser Problematik annehme. Entsprechende Haushaltsgelder seien bereits veranschlagt worden.

 

Kreistagsabgeordneter Dr. Johannes Georg Patatzki merkte an, dass die Diskussionen nicht an der Anzahl von geführten Prozessen festgemacht werden sollten. Man sei sich einig, dass die Werte im Sinne des Gesetzgebers erhoben worden und die Art und Weise der Berechnung sei ebenfalls nachvollziehbar. Allerdings stelle sich die Frage, ob die Werte auch zielführend seien. Eine weitere Frage sei, ob die ermittelten Werte das abbilden, was erforderlich sei, um die Wirklichkeit abzubilden. Er machte den Vorschlag, dass sich die Politik auch einmal mit einem kommentierten Mietspiegel auseinandersetze.

 

Kreistagsabgeordnete Angela Stein-Ulrich bedauerte, dass sozialgeförderte Wohnungen den Sozialhilfeempfängern nicht zur Verfügung gestellt würden, da die Mietobergrenzen nicht mit denen der Wohnungsgesellschaft zusammen hängen. Hier gehe es nicht nur um SGB II oder XII Empfänger, sondern auch um jene, die Leistungen aus dem SGB I beziehen.

 

Kreistagsabgeordnete Nilab Fayaz sagte, dass vor zwei Jahren beschlossen wurde, dass Obergrenzen erhoben werden müssen. Im letzten Sozial- und Gesundheitsausschuss sei ein Vertreter (Herr Schweiger) vor Ort gewesen, der erläutert hatte, wie die Richtlinien ermittelt wurden.

Es seien 22 Wohnungsunternehmen befragt, 11.000 private Vermieter und dazu die Daten des Jobcenter ausgewertet worden. Bei den Daten des Jobcenters habe es Bedenken gegeben, da nicht die tatsächliche Miete, sondern die Miete, die durch das Jobcenter bereits gekürzt wurde, ermittelt worden sei. Diese Abgaben seien fraglich.

 

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke stellte klar, dass die Bruttokaltmiete einer Wohnung auch dann gezahlt werde, wenn es keine andere Wohnung gebe und die m²-Größe nicht über der Angemessenheitsgrenze liege. Richtig sei der Hinweis, dass zu wenig Wohnraum insgesamt zur Verfügung stehe. Dies sei jedoch schon vor Jahren angemahnt worden. Die Aufgabe der öffentlichen Hand sei es zu schauen, wo günstiger Wohnraum für bedürftige Hartz-IV- Empfänger zur Verfügung stehe und wie neuer Wohnraum geschaffen werden könne. Der grundsicherungsrelevante Mietspiegel sei nicht das Vehikel, um Wohnraum zu schaffen, es sei auch nicht das Vehikel möglichst viel Geld für Wohnungsbaugesellschaften zu bekommen, sondern der grundsicherungsrelevante Mietspiegel sei der Maßstab zu welchen Kriterien die Mitarbeiter im Jobcenter berechtigt seien, die Mietpreise anzuerkennen.

 

Kreisdirektor Dirk Brügge erklärte, dass es einen Richtwert gebe, der zeige, bis wann eine Bruttokaltmiete angemessen sei. Falls die Miete über der Grenze liege, werde der Hartz-IV-Empfänger aufgefordert, eine andere angemessene Wohnung zu suchen. Er müsse nachweisen dass er sich um eine andere Wohnung bemüht habe. Mache er dies nicht, so werde nur die anerkannte Miete vom Jobcenter übernommen. Hier liege es also in der Verantwortung des Empfängers selbst. Wenn, trotz Bemühungen, keine andere Wohnung gefunden werden kann, so erkenne das Jobcenter auch die höhere Miete an. 

 


Abstimmungsergebnis:

mehrheitlich beschlossen

 

38 Ja-Stimmen CDU (30), FDP (6), Zentrum (1), Fdb (1)

30 Nein-Stimmen: SPD (16), Grünen (6), UWG/Die Aktive (3), die Linke (2), FDB (1), Eickler (parteilos), Piraten (1)

1 Enthaltungen: Dr. Patatzki (parteilos)