Sitzung: 16.09.2021 Ausschuss für Strukturwandel und Arbeit
Vorlage: ZS 6/0775/XVII/2021
Protokoll:
Herr Dr. Bucher informiert aus Sicht der Wasserwirtschaft
über die Konsequenzen eines vorzeitigen Braunkohleausstiegs. Er berichtet über
die bereits jetzt schon feststellbaren Auswirkungen:
- veränderte Sümpfungswassermengen,
- verringerter Kühlwasserbedarf der
Kraftwerke,
- veränderte Einleitungsmengen in die
Erft und
- Änderungen beim Ersatzwasser für die
Wasserwerke.
Werde der Bergbau dann
komplett eingestellt, werden hinsichtlich der Auswirkungen vor allem die
Restseen, das Grundwasser und die Sicherung des Bedarfs an Ökowasser die
Schwerpunkte bilden.
Herr Dr. Bucher betont, dass das Einleiten von
Sümpfungswasser in die Erft nur noch aus dem Tagebau Hambach erfolge. Aus dem
Tagebau Garzweiler werde das Sümpfungswasser dagegen komplett als Kühlwasser
für die Kraftwerke und als sogenanntes Ökowasser insbesondere für die
Grundwasseranhebung im Naturpark Schwalm-Nette eingesetzt. Er stellt heraus,
dass der natürliche Jahresmittelabfluss der Erft ca. 5.000 l pro Sekunde
betrage. Durch die Einleitung von Sümpfungswasser habe das Jahresmittel in den 60er und 70er Jahren allerdings bei
über 25.000 l pro Sekunde gelegen. Daher sei das Erftbett in der Vergangenheit
mehrfach drastisch angepasst worden. Aktuell betrage der Jahresmittelabfluss
10.000 l pro Sekunde, also die doppelte Menge des natürlichen Abflusses. Werde zukünftig gar kein Sümpfungs-
bzw. Kühlwasser mehr eingeleitet, werden die 5.000 l pro Sekunde
Jahresmittelabfluss allerdings noch unterschritten, da die Erft ja keinen Grundwasseranschluss
mehr habe und Wasser versickere.
Herr Dr. Bucher zeigt Fotos vom
Erftausbau in den 60er Jahren und verweist auf die Wärmelast durch die
Einleitung des Sümpfungswassers, welches über 25 Grad warm sei.
Herr Dr. Bucher informiert über die aktuell 40 km,
demnächst aber 53 km lange untere Erft von Bergheim bis zur Mündung in den
Rhein und stellt heraus, dass beim Umbau der Erft
- die geringere Wassermenge beachtet
werden müsse,
- ein ökologisch wertvoller Lebensraum
und die Durchgängigkeit für die Lebewesen im Fluss das Ziel sei und nicht
zuletzt
- ein attraktiver Erholungs- und
Erlebnisraum für die Menschen geschaffen werden solle.
Er erinnert an das
Perspektivkonzept und die Unterteilung in 23 Abschnitte, von denen bis dato
aber erst 3 Abschnitte umgesetzt worden seien. In diesen 3 Abschnitten werden
mittlerweile aber schon wesentlich mehr Fische und andere Lebewesen
nachgewiesen, einzig durch die geänderte Struktur des Erftbettes.
Herr Dr. Bucher rechnet damit, dass bereits in 2 bis 3
Jahren aus dem Tagebau Hambach weniger Sümpfungswasser in die Erft geleitet
werde, mit den entsprechenden Konsequenzen. Er verweist auf den schwierigen
Flächenerwerb und auf die sehr langwierigen Planungs- und
Genehmigungsverfahren.
Herr Dr. Bucher betont, dass die gewaltige Aufgabe des
nötigen Erftumbaus, jetzt in nun noch kürzerer Zeit, ohne Unterstützung der
Politik, Verwaltung und der Bevölkerung nicht leistbar sei. Abschließend
verweist er auf das Sonderheft 2020 des Erftverbandes mit weiteren
detaillierten Infos zum Thema.
Frau Hugo-Wisseman fragt zu
Retentionsflächen, Renaturierungszielen am Oberlauf der Erft und zur Norf. Kreisdirektor Brügge erkundigt sich, ob
die Hochwasserkatastrophe im Juni 2021 Auswirkungen auf die Planungen des
Erftverbandes habe. Herr Dr. Bucher
erklärt, dass der Hochwasserschutz bei allen Planungen immer eine große Rolle
spiele und damit auch das Thema Retentionsflächen. Eine Verschlechterung des
Hochwasserschutzes sei durch die Renaturierung nicht zu befürchten. Er
berichtet von geplanten Renaturierungen am Oberlauf. Allerdings zeige sich auch
dort das aktuell größte Problem des Erftverbandes: Planungs- und
Genehmigungsverfahren, die teilweise 10 Jahre in Anspruch nehmen, während der
eigentlich Umbau im Regelfalle in nur wenigen Monaten erfolge. Zur Norf sagt Herr Dr. Bucher, dass weiterhin
Ökowasser zur Stützung eingeleitet werde. Eine reale Verbesserung erwarte er
allerdings erst in ca. 10 bis 20 Jahren, mit Wiederanstieg des Grundwassers.
Frau Schenke erkundigt sich zur Wildwasserstrecke in
Gnadental. Herr Dr. Bucher sagt,
dass man sich mit den Kanuten sinnvoll geeinigt habe. Er verweist aber darauf,
dass spätestens ab 2030 die Erft in den Sommermonaten bei trockener Witterung
nur über sehr wenig Wasser verfügen werde. Frau
Lachmann fragt, was passiere, wenn der Erftumbau nicht bis 2030 gelinge. Herr Dr. Bucher erklärt, dass, wenn
Planung und insbesondere die Genehmigungsverfahren weiterhin zu viel Zeit in
Anspruch nehmen, dieses ambitionierte Ziel nicht erreicht werden könne.
Folglich werde dann das Flussbett viel zu groß für die geringere Wassermenge
sein und das Wasser an den Staustufen sogar zum Stillstand kommen, mit
unerfreulichen Konsequenzen, z. B. Geruchsbelästigungen. Frau Kehl fragt zu zukünftigen Verbindungen zwischen den Restseen
und den benachbarten Flüssen und erkundigt sich zur Entfernung von Stauwerken. Herr Dr. Bucher erklärt, dass geplant
sei, in ca. 40 Jahren einen Zulauf aus dem Hambacher See in die Erft zu bauen
und analog aus dem Garzweiler See in die Niers. Bei Gustorf sei bereits eine
Staustufe entfernt worden, an anderen Stauwerken werden Fischtreppen
installiert.
Herr Banse erkundigt sich zur Entwicklung der
Wasserqualität in der Erft, insbesondere zu Einträgen von Schwermetallen und
Sulfat. Herr Dr. Bucher erklärt,
dass Schwermetalle nach wie vor aus dem ehemaligen Bleiabbaugebiet im Raum
Mechernisch in die Erft gelangen. Aktuell laufen Gespräche mit dem Land, dieses
zukünftig zu unterbinden. Führen diese nicht zum Ziel, werde die
Schwermetallkonzentration im Erftwasser zunehmen, da der verdünnende Effekt
durch das Sümpfungswasser ja zukünftig wegfalle. Herr Dr. Bucher informiert über die Sulfatfreisetzung. Der
Schwefel aus dem Sulfat entstamme aus einem natürlichen Mineral. Der durch den
Tagebau initiierte Prozess der Freisetzung werde in Garzweiler bereits seit
vielen Jahren durch Kalkung verringert. Im Tagebau Hambach sei in den
Aushubmassen bereits Kalk vorhanden und müsse nicht hinzugegeben werden. Im
Rhein-Erft-Kreis sei das Thema Sulfat im Grundwasser aber ein großes Problem
für die dortigen Wasserwerke.
Herr Werhahn erkundigt sich zum Stauwehr in Selikum und
verweist auf die dortige Einspeisung von Erftwasser in die Obererft. Herr Dr. Bucher antwortet, dass
Stauwehre nur dort entfernt werden, wo dieses auch möglich und sinnvoll sei.
Die Anlage in Selikum bleibe natürlich erhalten. An solchen Stauwerken werden
zukünftig sogenannte Fischtreppen gebaut, um die Durchgängigkeit für die
Wasserlebewesen zu gewährleisten bzw. wieder herzustellen.
Vorsitzender Herr Thiel verweist auf das Komplexität des Themas und
macht deutlich, wie hier vieles ineinandergreife: Der notwendige schnellere
Umbau der Erft, die Füllung der Restseen, veränderte Grundwasserstände und die
geplante Landschaftsaufwertung für Mensch und Tier. Vorsitzender Herr Markert regt an, unter sachkundiger Führung des
Erftverbandes vor Ort den Ausschussmitgliedern beispielhaft gelungene
Renaturierungen zu zeigen aber auch problematische Bereiche.