Protokoll:

Herr Dr. Bucher informiert aus Sicht der Wasserwirtschaft über die Konsequenzen eines vorzeitigen Braunkohleausstiegs. Er berichtet über die bereits jetzt schon feststellbaren Auswirkungen:

  • veränderte Sümpfungswassermengen,
  • verringerter Kühlwasserbedarf der Kraftwerke,
  • veränderte Einleitungsmengen in die Erft und
  • Änderungen beim Ersatzwasser für die Wasserwerke.

Werde der Bergbau dann komplett eingestellt, werden hinsichtlich der Auswirkungen vor allem die Restseen, das Grundwasser und die Sicherung des Bedarfs an Ökowasser die Schwerpunkte bilden.

Herr Dr. Bucher betont, dass das Einleiten von Sümpfungswasser in die Erft nur noch aus dem Tagebau Hambach erfolge. Aus dem Tagebau Garzweiler werde das Sümpfungswasser dagegen komplett als Kühlwasser für die Kraftwerke und als sogenanntes Ökowasser insbesondere für die Grundwasseranhebung im Naturpark Schwalm-Nette eingesetzt. Er stellt heraus, dass der natürliche Jahresmittelabfluss der Erft ca. 5.000 l pro Sekunde betrage. Durch die Einleitung von Sümpfungswasser habe das Jahresmittel  in den 60er und 70er Jahren allerdings bei über 25.000 l pro Sekunde gelegen. Daher sei das Erftbett in der Vergangenheit mehrfach drastisch angepasst worden. Aktuell betrage der Jahresmittelabfluss 10.000 l pro Sekunde, also die doppelte Menge des natürlichen Abflusses. Werde zukünftig gar kein Sümpfungs- bzw. Kühlwasser mehr eingeleitet, werden die 5.000 l pro Sekunde Jahresmittelabfluss allerdings noch unterschritten, da die Erft ja keinen Grundwasseranschluss mehr habe und Wasser versickere.
Herr Dr. Bucher zeigt Fotos vom Erftausbau in den 60er Jahren und verweist auf die Wärmelast durch die Einleitung des Sümpfungswassers, welches über 25 Grad warm sei.

Herr Dr. Bucher informiert über die aktuell 40 km, demnächst aber 53 km lange untere Erft von Bergheim bis zur Mündung in den Rhein und stellt heraus, dass beim Umbau der Erft

  • die geringere Wassermenge beachtet werden müsse,
  • ein ökologisch wertvoller Lebensraum und die Durchgängigkeit für die Lebewesen im Fluss das Ziel sei und nicht zuletzt
  • ein attraktiver Erholungs- und Erlebnisraum für die Menschen geschaffen werden solle.

Er erinnert an das Perspektivkonzept und die Unterteilung in 23 Abschnitte, von denen bis dato aber erst 3 Abschnitte umgesetzt worden seien. In diesen 3 Abschnitten werden mittlerweile aber schon wesentlich mehr Fische und andere Lebewesen nachgewiesen, einzig durch die geänderte Struktur des Erftbettes.

Herr Dr. Bucher rechnet damit, dass bereits in 2 bis 3 Jahren aus dem Tagebau Hambach weniger Sümpfungswasser in die Erft geleitet werde, mit den entsprechenden Konsequenzen. Er verweist auf den schwierigen Flächenerwerb und auf die sehr langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Herr Dr. Bucher betont, dass die gewaltige Aufgabe des nötigen Erftumbaus, jetzt in nun noch kürzerer Zeit, ohne Unterstützung der Politik, Verwaltung und der Bevölkerung nicht leistbar sei. Abschließend verweist er auf das Sonderheft 2020 des Erftverbandes mit weiteren detaillierten Infos zum Thema.

 

Frau Hugo-Wisseman fragt zu Retentionsflächen, Renaturierungszielen am Oberlauf der Erft und zur Norf. Kreisdirektor Brügge erkundigt sich, ob die Hochwasserkatastrophe im Juni 2021 Auswirkungen auf die Planungen des Erftverbandes habe. Herr Dr. Bucher erklärt, dass der Hochwasserschutz bei allen Planungen immer eine große Rolle spiele und damit auch das Thema Retentionsflächen. Eine Verschlechterung des Hochwasserschutzes sei durch die Renaturierung nicht zu befürchten. Er berichtet von geplanten Renaturierungen am Oberlauf. Allerdings zeige sich auch dort das aktuell größte Problem des Erftverbandes: Planungs- und Genehmigungsverfahren, die teilweise 10 Jahre in Anspruch nehmen, während der eigentlich Umbau im Regelfalle in nur wenigen Monaten erfolge. Zur Norf sagt Herr Dr. Bucher, dass weiterhin Ökowasser zur Stützung eingeleitet werde. Eine reale Verbesserung erwarte er allerdings erst in ca. 10 bis 20 Jahren, mit Wiederanstieg des Grundwassers.

Frau Schenke erkundigt sich zur Wildwasserstrecke in Gnadental. Herr Dr. Bucher sagt, dass man sich mit den Kanuten sinnvoll geeinigt habe. Er verweist aber darauf, dass spätestens ab 2030 die Erft in den Sommermonaten bei trockener Witterung nur über sehr wenig Wasser verfügen werde. Frau Lachmann fragt, was passiere, wenn der Erftumbau nicht bis 2030 gelinge. Herr Dr. Bucher erklärt, dass, wenn Planung und insbesondere die Genehmigungsverfahren weiterhin zu viel Zeit in Anspruch nehmen, dieses ambitionierte Ziel nicht erreicht werden könne. Folglich werde dann das Flussbett viel zu groß für die geringere Wassermenge sein und das Wasser an den Staustufen sogar zum Stillstand kommen, mit unerfreulichen Konsequenzen, z. B. Geruchsbelästigungen. Frau Kehl fragt zu zukünftigen Verbindungen zwischen den Restseen und den benachbarten Flüssen und erkundigt sich zur Entfernung von Stauwerken. Herr Dr. Bucher erklärt, dass geplant sei, in ca. 40 Jahren einen Zulauf aus dem Hambacher See in die Erft zu bauen und analog aus dem Garzweiler See in die Niers. Bei Gustorf sei bereits eine Staustufe entfernt worden, an anderen Stauwerken werden Fischtreppen installiert.

Herr Banse erkundigt sich zur Entwicklung der Wasserqualität in der Erft, insbesondere zu Einträgen von Schwermetallen und Sulfat. Herr Dr. Bucher erklärt, dass Schwermetalle nach wie vor aus dem ehemaligen Bleiabbaugebiet im Raum Mechernisch in die Erft gelangen. Aktuell laufen Gespräche mit dem Land, dieses zukünftig zu unterbinden. Führen diese nicht zum Ziel, werde die Schwermetallkonzentration im Erftwasser zunehmen, da der verdünnende Effekt durch das Sümpfungswasser ja zukünftig wegfalle. Herr Dr. Bucher informiert über die Sulfatfreisetzung. Der Schwefel aus dem Sulfat entstamme aus einem natürlichen Mineral. Der durch den Tagebau initiierte Prozess der Freisetzung werde in Garzweiler bereits seit vielen Jahren durch Kalkung verringert. Im Tagebau Hambach sei in den Aushubmassen bereits Kalk vorhanden und müsse nicht hinzugegeben werden. Im Rhein-Erft-Kreis sei das Thema Sulfat im Grundwasser aber ein großes Problem für die dortigen Wasserwerke.

Herr Werhahn erkundigt sich zum Stauwehr in Selikum und verweist auf die dortige Einspeisung von Erftwasser in die Obererft. Herr Dr. Bucher antwortet, dass Stauwehre nur dort entfernt werden, wo dieses auch möglich und sinnvoll sei. Die Anlage in Selikum bleibe natürlich erhalten. An solchen Stauwerken werden zukünftig sogenannte Fischtreppen gebaut, um die Durchgängigkeit für die Wasserlebewesen zu gewährleisten bzw. wieder herzustellen.

Vorsitzender Herr Thiel verweist auf das Komplexität des Themas und macht deutlich, wie hier vieles ineinandergreife: Der notwendige schnellere Umbau der Erft, die Füllung der Restseen, veränderte Grundwasserstände und die geplante Landschaftsaufwertung für Mensch und Tier. Vorsitzender Herr Markert regt an, unter sachkundiger Führung des Erftverbandes vor Ort den Ausschussmitgliedern beispielhaft gelungene Renaturierungen zu zeigen aber auch problematische Bereiche.