Beschluss:

Die Verwaltung wird gebeten, bei den Beratungen bis zum Genehmigungsverfahren weitere Sachverständige, auch auf Vorschlag der Fraktionen, in den Planungs- und Umweltausschuss einzuladen.

 


Protokoll:

Herr Spieker von der Firma Amprion GmbH (vormals RWE Transportnetz Strom GmbH) informiert über steigende Stromlieferungen in der Zukunft. Mittels leistungsstärkerer Höchst- und Hochspannungsleitungen solle daher auch an der Nordsee gewonnener Strom aus Windkraftanlagen zu den Abnehmern weiter südlich bis hin in den Koblenzer Raum transportiert werden. Der Austausch von Hochspannungsmasten und -freileitungen auf der schon bestehenden ca. 30 km langen Trasse von Meerbusch-Osterath nach Rommerskirchen sei Teil dieses großen Gesamtprojektes.

Herr Spieker informiert über die Nachteile von Erdkabel.

 

  1. Kabelverbindungen
    Armdicke Stromkabel, die von Rollen aus in die Erde verlegt werden, können aufgrund der großen Biegeradien maximal 800 m lang sein. Diese Teilstücke müssen deshalb alle 800 m in 3 m tiefen und ca. 200 m2  großen sogenannten Muffengruben miteinander verbunden werden. Diese Verbindungen stellen die Schwachstellen der Erdkabel dar. Daher sei die Störungsquote bei Erdkabeln auch größer als bei Freileitungen.
  2. Erdarbeiten und Flächenbedarf
    Der eigentliche Kabelgraben sei ca. 13 m breit. Inklusive der Böschungen und der parallel angelegten Fahrstraße verbreitere sich die Trasse allerdings auf insgesamt 25 bis 30 m. Zudem müssen große Lagerflächen für den abgeschobenen Mutterboden und den ausgekofferten Unterboden angelegt werden. Schließlich werden jeweils über 2000 m2 große Übergangsbauwerke benötigt, um den Strom aus den Freileitungen in die Erdkabel und wieder zurück in die Freileitungen überzuleiten.
  3. Kosten
    Der Mehrkostenfaktor liege etwa bei dem Zehnfachen. So würden die Kosten für das Verlegen von Erdkabel im betreffenden Gebiet in Reuschenberg (ca. 2 km lang) 17,3 Millionen € betragen zzgl. der Kosten für den Bau zweier Übergangsbauwerke. Die Kosten für die Erneuerung der Freileitung betrügen dagegen lediglich 2 Millionen €.

 

(Der Vortrag von Herrn Spieker ist als Anlage 1 beigefügt)

 

Herr Spieker betont, dass aus den vorgenannten Gründen relativ selten Erdkabel im Höchst- bzw. Hochspannungsbereich verlegt würden. Dies erfolge i. d. R. nur in Gebieten, wo es keine Alternativen gebe, wie z. B. in Flughafennähe oder im innerstädtischen Bereich. Allerdings seien in Gebieten außerhalb des Rhein-Kreises Neuss einige Pilotstrecken geplant, um die Kabeltechnik weiter zu erproben. Herr Spieker fasst zusammen, dass im Rhein-Kreis Neuss 107 alte Strommasten entfernt werden sollen, um dafür 80 neue und größere Strommasten aufzustellen. Für den sensiblen Bereich in Reuschenberg mit angrenzender Wohnbebauung schlägt Herr Spieker ein Verschwenken der Freileitungstrasse vor, sodass der Abstand zur Wohnbebauung um mindestens 80 m zunehmen werde. Zum Zeitplan erklärt Herr Spieker, dass für Mitte 2011 die Einleitung des Genehmigungsverfahrens durch die Bezirksregierung Düsseldorf geplant sei und der Baubeginn dann ab 2013 erfolgen solle.

 

Herr Traut kann die Angaben zu den Kosten nicht nachvollziehen. Er berichtet von Untersuchungen, die von einem Mehrkostenfaktor von 2 bis 6 ausgehen. Er zeigt einen Filmausschnitt von einer Demonstration gegen den Neubau von Freileitungen in Reuschenberg und gibt einige Fotos zu Protokoll (Anlage 2). Herr Markert vermisst Aussagen zu naturschutzfachlichen Prüfungen. Er verweist auf die geringeren Leitungsverluste bei unterirdisch verlegten Stromleitungen und auf die Strahlungsminimierung. Nach weiterer Diskussion betont Herr Mankowsky, dass hier und heute lediglich informiert werde solle, das eigentliche Genehmigungsverfahren beginne erst Mitte 2011. Der Kreis werde dann im Rahmen des Beteiligungsverfahrens als Träger öffentlicher Belange Stellung beziehen. Herr Mankowsky sagt zu, dass die Verwaltung über die Stellungnahmen der Fachämter im Planungs- und Umweltausschuss berichten werde. Frau Hugo-Wissemann stellt fest, dass die betroffenen Abschnitte mit angrenzender Wohnbebauung im Verhältnis zur Gesamtstrecke doch sehr kleinräumig seien. Deshalb könne die Kostensteigerung bezogen auf das Gesamtprojekt nur relativ gering sein. Herr Traut verweist darauf, dass im Offshore-Bereich ein 120 km langes Stromkabel verlegt werde. Herr Spieker betont, dass von einem Schiff aus relativ einfach sehr lange Kabel verlegt werden können. Außerdem handle es sich dort um Gleichstrom und nicht um Drehstrom, der transportiert werden müsse. Vorsitzender Herr Boestfleisch wünscht sich klare Kostenaufstellungen jeweils für Freileitungen und für Erdkabel.

 

Herr Markert gibt einen Antrag zu Protokoll:

Zum einen sollen im Planungs- und Umweltausschuss bis zum Beginn des Genehmigungsverfahrens Experten aus Kommunen, wo bereits Erdkabel verlegt worden seien, sowie Fachleute aus der Medizin und den Umweltverbänden zum Thema vortragen. Zum anderen solle sich die Verwaltung in den Bereichen für die Verlegung von Erdkabel einsetzen, wo dies technisch möglich sei.

 

Herr Mankowsky schlägt vor, vor einer Antragstellung zunächst weitere Experten anzuhören. Herr Köhler stimmt dem zu. Herr Markert ist damit einverstanden, den 2. Teil seines Antrags nach weiterer Expertenhörung, also zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu stellen.

 

Herr Popien betont, dass die Strommasten im Kreisgebiet zum Teil aus den 1920er Jahren stammen. Er fragt nach, wie hoch die Kapazitäten und die Auslastungsgrade des aktuellen und des zukünftigen Stromnetzes seien. Außerdem wünscht Herr Popien Angaben zur Effizienz der Erdkabel und der daraus resultierenden Einsparung an CO2. Herr Spieker führt aus, dass in den Freileitungen bei steigender Nennspannung die Übertragungsverluste geringer würden. So werden bei 220 kV Leitungen 2 x 530 MVA (Megavoltampere) übertragen, bei 380 kV dagegen mit 2 x 1.800 MVA mehr als die 3-fache Leistung. Herr Spieker informiert, dass es auch aktuell schon zu Netzengpässen komme. Er bietet eine weitere Info-Veranstaltung mit anerkannten Experten an. Herr Traut erklärt, dass die Leistungsverluste in Freilandleitungen enorm seien. Er kritisiert, dass der Grenzwert für elektromagnetische Felder (Stichwort „Elektrosmog“) in Deutschland sehr hoch sei.

 

Herr Markert formuliert einen geänderten Antrag:

Die Verwaltung wird gebeten, bei den Beratungen bis zum Genehmigungsverfahren weitere Sachverständige, auch auf Vorschlag der Fraktionen, in den Planungs- und Umweltausschuss einzuladen.


Abstimmungsergebnis:

Mehrheitlich für den Antrag