Beschluss Nr. 38:

 

Der Landschaftsbeirat beim Rhein-Kreis Neuss empfiehlt der Verwaltung und dem Kreistag, das Bauvorhaben der Stadt Neuss, Bebauungsplan 444 „Am Erprather Weg“, abzulehnen, den Landschaftsplan nicht anzupassen und dem Bebauungsplan zu widersprechen.


Protokoll:

 

Frau Söker stellte eingangs anhand einer PowerPoint-Präsentation die Planung zum Bebauungsplan Nr. 444 der Stadt Neuss sowie die Planungsgrundlagen vor.

 

Die Folien der Präsentation sind der Neiderschrift als Anlage beigefügt.

 

Anlass der Planung sei ein Antrag der Firma Brata gewesen, eine neue Betriebszufahrt im Bereich des Millischgrabens von der Bundessstraße 477 zu schaffen, da die Zufahrt über den Burgweg Einschränkungen seitens des staatlichen Umweltamtes unterliege.

Hierzu habe der Rat der Stadt einen Grundsatzbeschluss gefasst. Ein Scoping-Verfahren sei im Herbst 2007 durchgeführt worden. Ergebnis sei gewesen, dass zusätzlich zu der von der Stadt vorgeschlagenen Variante mehrere weitere Varianten untersucht werden sollten. Die vergleichende Umweltbewertung sei im Frühjahr 2008 abgeschlossen worden. Auf der Grundlage der Bewertung sei der Aufstellungsbeschluss gefasst worden. Es habe sich Ende Mai die frühzeitige Unterrichtung der Öffentlichkeit angeschlossen. Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange seien beteiligt worden. So auch der Rhein-Kreis Neuss, der in diesem Verfahren den Landschaftsbeirat beteilige.

Sie erläuterte die Lage der einzelnen Varianten, die Gegenstand der vergleichenden Umweltbewertung gewesen seien.

 

Anschließend erläuterte Frau Engelke die Inhalte und Ergebnisse der vergleichenden Umweltbewertung zu den 6 Varianten.

Die sich aus den einzelnen Varianten ergebenden Beeinträchtigungen habe man in die Einstufung gering-mittel-hoch eingeordnet und in Tabellenform zusammengefasst dargestellt. Die Bewertung habe man für die Bereiche Schutzgebiete und Biotopverbund, Tiere, Vegetation und Biotoptypen, Landschaftsbild, Erholung, Gewässer, Hochwasserschutz, Boden, Bodendenkmäler, Landwirtschaft, Klima und Luft sowie Lärm vorgenommen. Ausgangssituation sei gewesen, dass es sich um eine private Zufahrtsstraße handeln werde, die Geschwindigkeit bei 30 km/h liege und eine Nutzung durch Mitarbeiter und Lieferverkehr erfolge. Angegeben worden seien 136 Pkw-Fahrten und 46 Lkw-Fahrten zwischen 07.00 und 23.00 Uhr und nachts 26 Pkw-Fahrten und 16 Lkw-Fahrten. Eine Fahrt in diesem Sinne sei eine Bewegung entweder zum Betrieb oder vom Betrieb her. Die Breite der Straße sei bei 6,50 m einschließlich der Bankette angesetzt. Die Länge variiere je nach Variante.

Frau Engelke erläuterte anschließend anhand der Darstellungen auf den jeweiligen Folien die Daten und die darauf basierenden Beurteilungen sowie die Ergebnisse für die jeweilige Variante entsprechend der Umweltbewertung.

So lägen eigentlich alle Varianten im Bereich von Landschaftsschutzgebiet und Biotopverbundflächen und seien demnach hoch betroffen.

Die Vegetation im Raum sei geprägt von Gehölzstrukturen, Grabenstrukturen, Begrünung am Sportplatz, begleitenden Strukturen entlang der Straße und einzelnen Waldflächen. Insgesamt handele es sich um ein kleinteiliges Biotopmosaik, welches für die Tierwelt einen Lebensraum von Qualität darstelle. Zu untersuchen seien in diesem Sinne die Auswirkungen der Straße auf die Tierwelt gewesen, namentlich auf die Brutvögel wegen der artenschutzrechtlichen Relevanz. Grundsätzlich gelte, dass für Straßen mit einer solchen Verkehrsbelastung nicht direkt abzuleiten sei, dass es zu einer Beeinträchtigung der Tierwelt komme. An Brutvögeln habe man hier Gelbspötter, Klappergrasmücke, Dorngrasmücke, Nachtigall, Goldammer und Pirol. Diese hielten sich in den gesamten Strukturen im Bereich auf. Die hierfür herangezogenen Daten stammten entweder aus dem Biotopkataster oder aus den Unterlagen des Landschaftsbeirates aus einzelnen Verfahrensschritten. Im südlichen Bereich habe man wahrscheinlich den Grünspecht, den Buntspecht und die Waldohreule mit Brutverdacht. In der Ackerfläche mit Anschluss an die Gehölzstrukturen seien Feldhase, Rebhuhn und Nachtigall zu nennen. Im Raum Millischgraben seien Eisvogel, Gelbspötter, Nachtigall und Goldammer genannt. Der weiter nördlich liegende Bereich mit seinen kleinteiligen Waldstrukturen und Wiesenbereichen sei für Amphibien und Libellen sehr interessant. In den Gehölzbereichen entlang des Erprather Weges seien Klappergrasmücke, Dorngrasmücke und Nachtigall zu nennen. Die Ackerfläche nördlich mit ihrem Rain sei interessant für Insekten. Im Bereich des Sportplatzes mit seiner Pappelreihe seien der Pirol zu nennen, Fledermäuse, Nachtigall, Buntspecht und Gelbspötter.

 

Herr Hilgers ergänzte die Ausführungen von Frau Engelke mit aktuellen Informationen der Stadt Neuss zur Fauna auf der Basis einer Kartierung durch das IVÖR zu Amphibien. Für den Moment seien hier Teichfrosch, Grasfrosch und Erdkröte kartiert. Nördlich des Millischgrabens liege ein naturnah gestalteter Teich. Dieser Teich stehe in einer Austauschbeziehung zu den Ruderalflächen in der Umgebung am Millischgraben, der als Nahrungshabitat anzusehen sei. Als Laichhabitat komme der Teich in Betracht.  Überspitzt könne man sagen, dass die Planung aus faunistischer Sicht mit Blick auf die Amphibien zu einer Verbesserung der Situation führen könne, da hierdurch der Sommerlebensraum erweitert und kleine zusätzliche Laichmöglichkeiten geschaffen würden. Hinzu komme, dass z. B. die B 477 eine Leitstruktur für Amphibienwanderungen wie bei der Erdkröte darstelle. Hier sei die Durchgängigkeit des Wanderkorridors bei Baumaßnahmen zu beachten. Der Variante Nord II sei insoweit der Vorzug zu geben.

Von Bedeutung sei noch, dass man zwar viele Kartierergebnisse bekommen habe, darunter aber nur wenige harte Kartierergebnisse seien, da sie unvollständig seien. So fehle oft das Jahr. Daher müsse man sich auf das LANUV-Biotopkataster beziehen. Dieses sage aus, dass hier die Arten wichtig seien, die charakteristisch für die Erftaue seien. Dies seien bei den Brutvögeln und den Nahrung suchenden Vögeln Nachtigall, Pirol und Eisvogel, zudem liege ein Brutnachweis von der Goldammer aus 2006 vor. Man müsse die faunistischen Angaben differenziert betrachten.

 

Frau Engelke erläuterte, dass sich aus den Lebensraumstrukturen eine unterschiedliche Beeinträchtigung ergebe. Die Variante Nord I stelle eine hohe Beeinträchtigung dar, Nord II eine mittlere. Die Variante Mitte bewirke eine geringe Beeinträchtigung, die Variante Süd eine hohe, ebenso wie die Sportplatzvariante, und die Variante Null keine Beeinträchtigung.

Anschließend erläuterte Frau Engelke die Wertigkeit der Vegetationsstrukturen im Planungsraum. Die einzelnen Varianten griffen unterschiedlich stark aber insgesamt kleinflächig in die Bestände ein.

Auch die Bereiche Erholung und  Landschaftsbild seien untersucht und bewertet worden. Bei der Variante Nord I könne sich durch den Kreisverkehr eine verbesserte Querung der B 477 ergeben, Nord II bringe keine Beeinträchtigungen mit sich, ebenso wie die Variante Mitte. Auch bei der Variante Süd könne sich im Bereich der B 477 eine Verbesserung der Querungsmöglichkeiten ergeben. Die Variante Sportplatz kreuze 2 Wegebeziehungen und der Burgweg als Variante Null sei wegen der unterschiedlichen Verkehre negativ zu bewerten. Im Beeich Landschaftsbild könne man sagen, dass eine Beeinträchtigung umso geringer sei, je näher man sich an vorhandene Strukturen anlehne, so dass die Variante Mitte das Landschaftsbild am meisten belaste.

Frau Engelke stellte weiterhin unter Verweis auf die Tabelle die unterschiedlichen Auswirkungen auf den Boden auf der Grundlage der Bodenkarte und Bodendenkmale, anschließend auf die landwirtschaftlichen Flächen dar, wobei danach die Varianten Mitte und Sportplatz mit den höchsten Beeinträchtigungen verbunden  wären.

Beeinträchtigungen im Bereich Klima und Luft seien bei allen Varianten nicht zu befürchten. Es liege ein Freilandklima mit mittlerer Schutzwürdigkeit vor. Besondere Belastungen seien nicht gegeben.

Hinsichtlich des Hochwasserschutzes liege man in der Aue der Erft mit geringen Grundwasserabständen. Wasserschutzgebiete lägen nicht vor. Der Millischgraben sei als ein nur temporär Wasser führendes Gewässer registriert. Daneben liege die Erft vor. Der gesamte Raum sei als Überschwemmungsbereich eingetragen. Seitens des Erftverbandes liege ein Perspektivkonzept Erft vor, welches im Planungsraum Maßnahmen in Form eines Erftmäanders vorsehe. Dies sei noch Zukunftsmusik. Von den Gewässern her lägen die Varianten Nord I und II am Rande, die Variante Mitte eben mittig und die Variante Süd im Bereich der skizzierten Maßnahmen des Konzeptes.

Im Bereich Lärm liege eine lärmtechnische Untersuchung nach der TA-Lärm für die erwarteten Lärmbelastungen durch die Zufahrt vor. Die Varianten Nord II, Mitte und Süd hielten die Immissionswerte ein. Überschritten würden die Werte bei den Varianten Nord I, Sportplatz und Null.

Aus der Zusammenschau der Punkte ergebe sich, dass die Variante Nord II insgesamt als die günstigste anzusehen sei.

 

Frau Söker ergänzte auf der Grundlage der entsprechenden Folie zu den weiteren Belangen, dass man für das Bebauungsplanverfahren zusätzlich noch städtebauliche Belange in die Wertung eingestellt habe. Dies seien die verkehrliche Anbindung an das übergeordnete Straßennetz, die verkehrliche Entlastungswirkung, die städtebauliche Verbesserung, die Belange der Wirtschaft, die Wirtschaftlichkeit und Flächeninanspruchnahme und die Flächenverfügbarkeit.

Auch hiernach sei die Variante Nord II als günstigste anzusehen. Auf dieser Grundlage sei dem entsprechend der Bebauungsplanentwurf erarbeitet worden. Die Variante Nord II schließe mit einem Kreisverkehr an die Bundesstraße an. Zwischen dem Millischgraben und der privaten Zufahrt verbleibe ein ausreichender Schutzabstand. Dieser Schutzstreifen könne für Ausgleichsmaßnahmen genutzt werden. Hierzu seien in einer landschaftspflegerischen Begleitplanung noch detaillierte Aussagen zu machen.

Im Anschluss erläuterte sie den vorgesehenen weiteren Ablauf des Planverfahrens.

 

Beiratsmitglied Meyer-Ricks bezeichnete die Datengrundlage für die Fauna und den Boden nicht als sicher, da hier auf Pauschalen und Erwartungen zurückgegriffen worden sei und eigene Untersuchungen fehlten. Weiter sei für ihn unklar, ob Kompensationsmaßnahmen aus der Betriebserweiterung Brata betroffen seien und ob diese überhaupt beeinträchtigt werden dürften. Im Bereich Hochwasser liege die Variante Null nach der Karte nicht im Überschwemmungsgebiet, habe aber eine negative Kennzeichnung. Dies sei für ihn nicht verständlich. Letztlich sei unklar, welche der anerkannten Bewertungsmethoden hier angewandt worden sei.

 

Beiratsmitglied Grimbach wies darauf hin, dass die Annahme, dass ein Kreisverkehr als Verbesserung der Ortseingangssituation diene und positiv bewertet werde, für ihn schrecklich sei. Weiterhin könne er Hinweisen wie dass Arten nicht ortsfest seien, so nicht folgen. Wer offenen Auges durch die Erftaue gehe, wisse, dass hier z. B. der Eisvogel vorkomme und immer mehr äußerst bemerkenswerte Arten an Pflanzen und Tieren bedroht seien. Es sei eine Katastrophe, wenn dies so indifferent angesehen werde. Selbst mit einer spontanen Exkursion könne sehr schnell aufgezeigt werden wie wertvoll dieses Gelände sei. Im Übrigen führe der Millischgraben ständig Wasser. Er habe ihn noch nicht ganz ausgetrocknet erlebt. Das Luftbild zeige, dass es sich hier um eine historisch schöne Landschaft handele. Der Bau einer Straße, gleich welcher Variante,  sei hier ein katastrophaler Eingriff in eine historisch gewachsene Landschaft und fahrlässig. Es sei tragisch, dass es keine konstruktiven Überlegungen zur Erhaltung eines solchen ortsnahen Geländes gebe, zumal die Stadt Neuss mit solchen nicht reich gesegnet sei. Die Städte versuchten hier zu Lasten der noch einigermaßen naturnahen und offenen Landschaft ihre Kassen zu füllen. Er lehne die Planung ab.

 

Auch Beiratsmitglied Bolz betonte, dass er die Planung rundweg ablehne. Zum Vorteil eines privaten Belangs der Firma Brata würde hier eine Vielzahl öffentlicher Belange negativ betroffen.

Bei der Durchsicht der Unterlagen sei ihm aufgefallen, dass die Variante Nord II positiv beurteilt worden sei, weil hier nur wenige Gehölzstrukturen betroffen und die Arten mobil seien. Hier sei die permanente Störung durch die Zufahrt nicht beachtet worden. § 42 des novellierten Bundesnaturschutzgesetzes unterstelle Arten ganzjährig einem Störungsverbot. Daher könne er nicht verstehen, warum hier nur auf einzelne Gehölzstrukturen abgestellt werde und gerade dieser Variante ein nur mittlerer Störungsgrad beigemessen werde.

 

Beiratsmitglied Graf von Nesselrode erinnerte an die früheren Beratungen zu der Frage einer Zufahrt. Der Beirat sei sich damals einig gewesen, dass man für das Unternehmen eine Lösung finden müsse. Vor diesem Hintergrund leuchte ihm ein, dass die Variante Nord II die am ehesten verträgliche sei. Alle anderen Lösungen würden weiter nach Süden gehen. Er sei der Meinung, dass eine weitere Verschiebung nach Süden eher Begehrlichkeiten der Stadtplaner wecken würde. Er bitte auch dies zu berücksichtigen. Man müsse eine Lösung finden. Er wisse nicht, wie das Problem sonst gelöst werden könne.

 

Beiratsmitglied Arndt erinnerte daran, dass man sich heute einer anderen Situation gegenüber sehe. Damals sei es darum gegangen, die Betriebserweiterung zu ermöglichen. Diese sei nun vorhanden und unter der Voraussetzung zugelassen worden, dass eine ausreichende Erschließung vorhanden sei. Die Firma Brata habe ihre Betriebserweiterung erhalten. Sie erkenne, dass nunmehr versucht werden solle, das, was schon immer angestrebt worden sei, durchzusetzen. Ihrer Meinung nach stehe dies im Widerspruch zu verschiedenen Gesetzen, auch zum Baugesetzbuch. Sie sei der Meinung, dass die Notwendigkeit der Zufahrt nicht mehr so gegeben sein könne wie damals. So wie sie gehört habe, wolle man die neu geschaffenen Arbeitsplätze ausweiten, also wiederum den Betrieb hier erweitern.

 

Herr Knop wies darauf hin, dass die erteilte Baugenehmigung für die Betrieberweiterung nicht Gegenstand der Tagesordnung sei. Es habe sich um ein Außenbereichsvorhaben nach § 35  BauGB gehandelt. Basis für die Erschließung sei die Zufahrt über den Burgweg gewesen. Man habe sich aber schon vor 10 Jahren vor Ort über die Beeinträchtigungen für die Anlieger des Burgwegs unterhalten. Nunmehr werde versucht, detailliert herauszufinden, welche Variante möglicherweise die beste sei, um das Ziel zu erreichen, diese Anlieger vom Verkehrslärm zu befreien. Dies sei der Ansatz der Diskussion. Die Beeinträchtigungen für die Anwohner der sehr engen Anliegerstraße seien sehr groß. Gleichfalls seien die mit dem Vorhaben verbundenen Beeinträchtigungen nicht schön zu reden.

 

Vorsitzender Lechner wie darauf hin, dass ein Vorhaben im Außenbereich nur dann zulässig sei, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstünden und die Erschließung gesichert sei. Die Erweiterung eines bestehenden Betriebes sei ausnahmsweise möglich, wenn die Erweiterung angemessen sei, also um 30 - 50 %, aber nicht scheibchenweise und über längere Zeit. In dem Fall sei sie abzulehnen. Bislang sei man mit der Firma Brata sehr wohlwollend umgegangen und habe derartige scheibchenweise Erweiterungen immer wieder zugelassen. Mittlerweile komme man dadurch schon auf eine Erweiterung von 100 - 150 %. Die letzte erteilte Baugenehmigung habe nur bei gesicherter Erschließung über den Burgweg erteilt werden dürfen. Diese Erschließung sei damit festgeschrieben. Eine weitere Erweiterung sei nicht möglich. Eine neue Trasse zur Erschließung sei bereits wieder eine Erweiterung, die nach dem BauGB nicht zulässig sei. Hinzu komme, dass das BauGB auch Aussagen über Hochwasserschutz beinhalte und nicht zwischen Rand- und Zentralbereichen unterscheide. Überschwemmungsflächen bei extremem Hochwasser seien insgesamt von Bebauung freizuhalten. So habe der Erftverband im Scopingtermin auch zunächst argumentiert. Weiterhin habe der Artenschutz nach § 1 a BauGB einen so hohen Wert, dass bauleitplanerische Festsetzungen hier zurückzutreten hätten.

Insgesamt sehe er nicht den geringsten Grund, einer Bebauungsplanung zuzustimmen, die mit dem Baugesetzbuch, dem Bundesnaturschutzgesetz, dem Landschaftsgesetz, der Bundesartenschutzverordnung und der EU-Vogelschutzrichtlinie nicht vereinbar sei. Weiterhin sei die Rote Liste der gefährdeten Vogelarten heranzuziehen. Danach seien hier mit Sicherheit gefährdet der Pirol, der Eisvogel, den Buntspecht, die Nachtigall, die Turteltaube, zudem in der Vorwarnliste der sehr stark rückläufigen Arten das Teichhuhn, den Kuckuck, den Gelbspötter, die Dorngrasmücke, die Klappergrasmücke, den Haussperling und die Goldammer. Dies seien aber nur die als bedroht oder stark rückgängigen Arten. Die dort in den Jahren immer wieder auftauchenden Arten seien die 50 Arten, die er in einer Liste zusammengefasst habe, zuzüglich weiterer 23 Arten einer weiteren Liste, die den Raum im Winter bei ihren Wanderungen aufsuchten und nach der EU-Vogelschutzrichtlinie besonders zu schützen seien (Anm.: Die beiden Listen liegen der Niederschrift als Anlage bei.).

Es sei deutlich, wie sensibel der Raum sei, in dem die Straße geplant sei. Er halte dies für schlicht gesetzwidrig.

Wenn von der Entlastung der Anlieger Am Burgweg gesprochen werde, müsse auch gefragt werden, wer die Anlieger an der Lutherstraße und an der B 477 entlaste, deren Zahl deutlich höher liege und deren Gärten als Planungsfehler der Stadt Neuss offen zur Straße und zur Landschaft lägen und damit dem Lärm ausgesetzt seien, während die Häuser am Burgweg und weitere Häuser an der B 477 und anderen Straßen mit der Hausfront zur Straße stünden und damit beruhigte Gärten besäßen. Wer am Burgweg gebaut habe, habe gewusst, dass es sich um eine historische Firmenzufahrt handele.

 

Herr Knop erläuterte, dass man auch die unterschiedliche Qualität der B 477 und des Burgweges berücksichtigen müsse. Zu Frage des Hochwasserschutzes führte er aus, dass eine Straße an sich noch nicht zu einer wesentlichen Einschränkung führe.

Im Zuge des Bebauungsplanverfahrens sei eine gerechte Abwägung durchzuführen. Hierbei seien alle betroffenen Belange in die Abwägung einzustellen, auch Anwohnerinteressen, Wirtschaft und Arbeitsplätze.

 

Beiratsmitglied Grimbach sah die Planung als Vorbereitung einer weiteren Erweiterung des Unternehmens Brata an. Er sehe den Flächenverlust und die Landschaftszerschneidung als erheblichen Eingriff in die gewachsene Neusser Landschaft. Weitere Landschaftszerschneidungen seien nur zu bedauern.

 

Beiratsmitglied Bolz wie darauf hin, dass der Artenschutz abwägungsresistent sei, also nicht in der Abwägung ohne weiteres überwunden werden könne. Da müsse die Untersuchung und Planung schon deutlich konkreter werden. Die Erhaltung der Art, der Population am Standort müsse vor der Umsetzung der Planung nachgewiesen sein. Die Untersuchungen und Nachweise müssten weit über die vorgelegten Unterlagen hinausgehen.

 

Zur Frage des Artenschutzes erklärte Herr Hilgers, dass die Hinweise auf die Bestimmung des § 42 des Bundesnaturschutzgesetzes zu pauschal vorgebracht worden seien. Ein Verstoß gegen die Verbote des § 42 BNatSchG für Arten nach Anhang IV der FFH-Richtlinie und für europäische Vogelarten nach der Vogelschutz-Richtlinie liege im Hinblick auf mit dem Vorhaben verbundene unvermeidbare Beeinträchtigungen nicht vor, soweit die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt werde. Hierzu könnten auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden. Zum Begriff der Fortpflanzungs- und Ruhestätten gebe es mittlerweile zahlreiche Gerichtsurteile sowohl auf europäischer als auch auf Bundesebene. Fortpflanzungsstätten seien danach eindeutig die Brutstätten, also die Stätten, auf die die Tiere zur Fortpflanzung angewiesen seien. Ruhestätten seien Lebensraumstrukturen, die speziell das Überleben bestimmter Arten garantierten. Man müsse sich also im Detail ansehen, mit welchen Arten man es hier zu tun habe, prüfen, ob deren Brut- und Ruhestätten überhaupt betroffen sein könnten und keine pauschalen Aussagen treffen. Danach habe man festgestellt, dass Arten wie Pirol, Eisvogel, Nachtigall oder Teichhuhn durch das Vorhaben an diesem Standort nicht bedroht würden.

Auf die Frage der Beiratsmitglieder Bolz und Grimbach nach den Ausweichquartieren erklärte er, dass z. B. der Eisvogel eine Charakterart der Erftaue sei und diese mit ihren Nebengewässern besiedle. Er nutze den Bereich des Millischgrabens zur Jagd und werde dies auch nach Realisierung des Vorhabens noch tun. Das gelte auch für den Pirol. Dieser werde auch nach der Realisierung noch in den Pappeln am Sportplatz brüten. Der Lebensraum der Amphibien liege im Millischgraben und den nördlich angrenzenden Bereichen. Der Lebensraum könne durch entsprechende Ausgleichsmaßnahmen sogar noch stabilisiert werden. Auch da sei keine Verschlechterung des Erhaltungszustandes zu erwarten. Es könne nicht belegt werden, dass auch nur eine streng geschützte Art vorliege, deren Erhaltungszustand sich durch das Vorhaben verschlechtere.

 

Der Vorsitzende hielt dem entgegen, dass dies nicht für die Turteltaube gelte.

 

Beiratsmitglied Bolz entgegnete an Herrn Hilgers, dass das Bundesnaturschutzgesetz nicht auf die Gesamtpopulation abziele, sondern auf die lokale Population. Sonst könne man jeden massiven Eingriff rechtfertigen. Er könne dem nicht folgen.

 

Auf eine Frage von Beiratsmitglied Kremer nach der Rechtmäßigkeit der Planung erläuterte Herr Knop, dass der Antrag des Unternehmens nicht rechtswidrig sei. Der Rat der Stadt Neuss habe diesen behandelt und die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens beschlossen. In diesem Verfahren stehe man heute. Die Abwägung der umfassenden Belange sei noch nicht erfolgt. Ob die Abwägung der unterschiedlichen Belange sachgerecht sei, werde sich am Ende des Verfahrens herausstellen. Eine Rechtswidrigkeit im Sinne der Fragestellung sei nicht erkennbar.

 

Auf eine Frage von Beiratsmitglied Graf von Nesselrode nach der Befangenheit des Vorsitzenden antwortete dieser, dass diese Frage durch die Verwaltung seinerzeit geprüft worden sei. Danach liege keine Befangenheit vor.

 

Beiratsmitglied Graf von Nesselrode riet dazu, als Nichtjuristen bei der Feststellung von Rechtswidrigkeit zurückhaltend zu sein.

 

Vorsitzender Lechner fragte mit Bezug zu der der Firma Brata erteilten Baugenehmigung für die Erweiterung nach darin enthaltenen Hinweisen auf weitere Erschließungsmöglichkeiten.

 

Herr Knop erklärte, dass sich eine Baugenehmigung auf eine vorhandene gesicherte Erschließung beziehen müsse, nicht auf Absichten. Ungeachtet dessen diskutiere man seiner Kenntnis nach bereits seit 10 Jahren über eine andere Erschließung des Firmengeländes der Firma Brata.

 

Der Vorsitzende erklärte, dass man als Landschaftsbeirat im Verfahren zur Zulassung der Erweiterung einer südlichen Erschließungslösung zugestimmt habe. Man habe sowohl die Erweiterung möglich machen, als auch den Anwohnern am Burgweg helfen wollen. Heute sei die Baugenehmigung mit der Erschließung über den Burgweg erteilt. Damit sei der damalige Vorschlag des Beirates obsolet. Hinzu komme, dass die Stadt Neuss bei ihren Überlegungen für eine südliche Erschließung immer den Park von Gut Eppinghoven einbeziehen wolle, obwohl es andere Möglichkeiten gebe. Wenn nun heute konstatiert werde, dass der Burgweg im Gegensatz zur damaligen Aussage als Erschließung nicht ausreiche, sei die Baugenehmigung rechtswidrig erteilt worden. Sei die Erschließung aber ausreichend, bedürfe es keiner neuen Zufahrtsstraße. Diese sei in einem Landschaftsschutzgebiet geplant. Die Landschaftsplanung sei eine ureigene Domäne des Rhein-Kreises Neuss. Die Stadt Neuss plane nun im festgesetzten Landschaftsschutzgebiet eine Straße. Die dem zu Grunde liegende Bauleitplanung könne nur zum Tragen kommen, wenn der Rhein-Kreis Neuss bereit sei, mit seiner Landschaftsplanung zurückzutreten und dem Bebauungsplan zuzustimmen. Er könne aber nicht den geringsten Grund erkennen, warum man dem zustimmen solle.

 

Beiratsmitglied Meyer-Ricks wies darauf hin, dass man im Landschaftsbeirat die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu vertreten habe. Bei der Straße müsse man sich fragen, was damit erreicht werde. Es gebe eine Erschließung. Die Planung diene der Entlastung der Anwohner. Arbeitsplätze könnten hier kein Argument sein, da es ja eine Erschließung gebe. Die Menschen würden also von Lärm entlastet, gleichzeitig werde aber die Landschaft belastet. Aus seiner Sicht könne er nur sagen, dass er die Landschaft nicht belasten wolle. Dies richte sich nicht gegen die Anwohner des Burgweges. Er sei aber Mitglied des Landschaftsbeirates um Natur und Landschaft zu schützen. Dies sei für ihn vorrangig.

 

Der Vorsitzende schlug vor, der Stadt Neuss zu empfehlen, der Firma Brata ein ausreichend großes Grundstück für eine Erweiterung und die Verlagerung der Produktion zur Verfügung zu stellen. Der Betrieb sei hier im Außenbereich, woran sich nichts ändern werde, wegen der Belastungen fehl am Platze. Hier könne die Verwaltung des Unternehmens konzentriert werden. Damit sei allen geholfen.

 

Herr Knop wie darauf hin, dass man die faktische Situation auch erkennen müsse. Der Betrieb sei hier vorhanden. Man habe sich bemüht, die Linie einer Zufahrt zu finden, die die geringsten negativen Auswirkungen habe. Der Beirat habe früher nie kategorisch eine Zufahrt von der B 477 aus abgelehnt.

 

Der Vorsitzende antwortete, dass man durchaus auf Grund neuer Erkenntnisse anders beurteilen könne. Er könne Folgendes festhalten:

Die Stadt Neuss habe viele Belange zu beachten. Sie müsse aber erkennen, dass der Betrieb im Außenbereich, an dem sich nichts ändern werde, einen sehr eingeengten Standort habe. Zum Scopingtermin sei von der Stadt und der Firma Brata vorgelegt worden, dass das so bezeichnete Gewerbegebiet Erprather Mühle die Straße für zukünftige Betriebserweiterungen und einen Verkehr rund um die Uhr benötige, um seine Produkte europaweit zu vertreiben. Die Straße sei also nur ein Vehikel. Er könne dem nicht zustimmen.

 

Der Vorsitzende unterbreitete folgenden Beschlussvorschlag:

„Der Landschaftsbeirat beim Rhein-Kreis Neuss empfiehlt der Verwaltung und dem Kreistag, das Bauvorhaben der Stadt Neuss, Bebauungsplan 444 „Am Erprather Weg“ abzulehnen, den Landschaftsplan nicht anzupassen und dem Bebauungsplan zu widersprechen. Das Vorhaben bestärkt eine Fehlentwicklung im LSG „Erftaue“ und verstößt gegen bzw. ist unvereinbar mit folgenden Gesetzen, Verordnungen und Rote Liste NRW:

Baugesetzbuch:

§ 35, Abschn. 2, 3 und 4 Ziff. 6

Bauen im Außenbereich und Kommentar zum Begriff „angemessen“.

§ 1 Abs. 6 und § 5:

„Hochwasserschutz“

§ 1 a

„Artenschutz in der Bauleitplanung!

Bundesnaturschutzgesetz:

Abschnitt 1

§ 1 und „ 2

Abschnitt 5

§ 39 bis § 42

Landschaftsgesetz NRW

Bundesartenschutzverordnung

EU Vogelschutzrichtlinie

Rote Liste der Vögel in NRW

Hier: Geschützte Vogelarten, deren Habitate sich in das Plangebiet erstrecken.“

 

Beiratsmitglied Grimbach schlug vor, den ersten Satz als Beschluss zu fassen und den weiteren Text als Begründung in die Niederschrift aufzunehmen.

 

Aus dem Beirat wurde dem zugestimmt.


Abstimmungsergebnis:

 

Einstimmig bei 1 Enthaltung