Beschluss:

Beschluss 1: Der Sozial- und Gesundheitsausschuss lehnt den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Einholung eines Zweitgutachtens ab.

 

Beschluss 2: Der Sozial- und Gesundheitsausschuss stimmt den mit der Tischvorlage vorgelegten Richtwerten zum grundsicherungsrelevanten Meitspiegel zu.

 

Beschluss 3: Der Sozial- und Gesundheitsausschuss beauftragt gemäß dem Antrag der Fraktionen der CDU und FDP die Verwaltung halbjährlich die Auswirkungen der Neuregelung zu überprüfen und dem Ausschuss hierüber zu berichten.


Protokoll:

Ausschussvorsitzender Dr. Klose gab einen kurzen Rückblick auf die bisherige Entwicklung und die Notwendigkeit zur Schaffung eines grundsicherungsrelevanten Mietspiegels. Die interfraktionelle Arbeitsgruppe habe zwischenzeitlich getagt, die kreisangehörigen Kommunen seien befragt worden, von der Verwaltung vorgenommene Änderungen seien in die Beratungsvorlage eingeflossen. Die nunmehr von der Verwaltung erarbeiteten Richtwerte seien als Tischvorlage ausgelegt.

 

Allgemeiner Vertreter Steinmetz führte in die Thematik ein. Die Verwaltung habe auf die Fragen und die Kritik der Fraktionen reagiert. Unter anderem lägen inzwischen die Mieten von 17.000 Mietverhältnissen vor, nachdem die Wohnungsbestände der Bauvereine Grevenbroich, Neuss und Meerbusch berücksichtigt worden seien. Das Perzentil bei den Kaltmieten sei von 45% auf 50% erhöht worden. Es seien nunmehr nur Wohnungen berücksichtigt worden, deren Mieten in den letzten 4 Jahren angepasst worden seien. Neuss werde ein eigenes Cluster zugeteilt, so dass das Kreisgebiet in 4 statt bisher 3 Bereiche eingeteilt werde. Der grundsicherungsrelevante Mietspiegel solle ab 01. Juli 2011 Anwendung finden. Die Einführung von Allgemeinem Vertreter Steinmetz ist der Niederschrift beigefügt.

 

Kreistagsmitglied Rainer Thiel führte aus, dass die Bedenken der SPD-Fraktion nicht ausgeräumt seien und seine Fraktion nicht zustimmen werde. Es sei eine Ghettoisierung in bestimmten Wohngebieten von Dormagen, Neuss, Grevenbroich und Meerbusch zu befürchten, was wegen eines zu erwartenden Sanierungsstaus für die dortige Gebäudestruktur, insbesondere aber für die dort lebenden Menschen nicht gut sei. Des Weiteren habe das vorliegende Gutachten nach wie vor den Webfehler, dass die örtlichen Gegebenheiten nicht eingeflossen seien. Kreistagsmitglied Thiel wies auch auf das Schreiben der Stadt Neuss hin, die davon ausgehe, dass 40% der dortigen Leistungsempfänger bei Anwendung des Mietspiegels unangemessen untergebracht seien. Es sei der Eindruck entstanden, als wolle die Verwaltung die Ankündigung des Landrates in dessen Haushaltsrede erreichen, indem durch den Mietspiegel die Kosten der Unterkunft gesenkt werden sollten. Die SPD-Fraktion rege daher die Einholung eines zweiten Gutachtens an, das näher an der Realität liege.

 

Kreistagsmitglied Wienands erklärte, die CDU-Fraktion habe ihre Entscheidungsfindung abgeschlossen und werde dem Vorschlag der Verwaltung zustimmen. Die Unangemessenheit von Wohnraum sei kein neues Thema, auch ohne grundsicherungsrelevanten Mietspiegel gebe es in Neuss diesbezüglich eine Quote von 25%. Der Rhein-Kreis Neuss müsse mit der Schaffung des Mietspiegels endlich der Rechtssprechung Folge leisten.

 

Kreistagsmitglied Carsten Thiel erklärte, dass seine Fraktion die Auffassung der SPD teile und bedankte sich beim Ausschussvorsitzenden, dass der Antrag seiner Fraktion vom 09.05.2011 noch als Tischvorlage zur Verfügung gestellt worden sei. Er kritisierte, dass der vorgelegte Mietspiegel nur bei ausreichend vorhandenem Wohnraum in den entsprechenden Miethöhen akzeptabel sei. Derzeit stünden Wohnungen im Rhein-Kreis Neuss jedoch nur in sozialen Brennpunkten zur Verfügung.  Aufgrund des vorgelegten Mietspiegels würden Leistungsempfänger gezwungen sein dort zu leben, was auch für deren Kinder eine schlechtere Chance auf eine schulische oder berufliche Laufbahn bedeute. Zu den Themenbereichen Wartelisten und Neubauten im Bereich des sozialen Wohnungsbaus nahm er Bezug auf den Antrag vom 09.05.2011. Darüber hinaus würden die Sachbearbeiter mit der Prüfung der Fälle derartig belastet, dass die Vermittlung in Arbeit, die eigentlich das Hauptziel bleiben müsse, in den Hintergrund geraten könne.

 

Kreistagsmitglied Kresse kündigte an, dass seine Fraktion dem Beschlussvorschlag ebenfalls nicht folgen werde. Es sei inakzeptabel, dass die betroffenen Menschen im Rahmen einer Einzelfallprüfung von der Entscheidung eines Sachbearbeiters abhängig seien. Man habe die Hoffnung gehabt, dass ein Zweitgutachten eine Versachlichung in die Diskussion bringe. Die zwischenzeitlich vorgenommenen Änderungen hätten in der Substanz der Sachlage nichts bewegt. Der Diskussionsprozess sei intensiv und kontrovers geführt worden. Da der Beschluss massiv in die Rechte der betroffenen Bürger eingreife, müsse er sorgfältig getroffen werden. Daher beantrage die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine geheime Abstimmung.

 

Kreistagsmitglied Rosellen dankte der Verwaltung für die geleistete Arbeit. Seine Fraktion habe den Mietspiegel anfänglich kritisch gesehen. Nunmehr seien jedoch Änderungs- und Verbesserungsvorschläge aus der interfraktionellen Arbeitsgruppe eingeflossen, so dass ein klareres Bild vorliege. Die Fraktion der FDP beantrage, dass die Verwaltung einen halbjährlichen Bericht erstelle und vorlege, um die Entwicklungen und Erfahrungen aufzuzeigen.

 

Kreistagsmitglied Arndt fragte an, ob es Vergleichswerte gebe um prüfen zu können, wie sich die Situation verändere.

 

Allgemeiner Vertreter Steinmetz nahm zu den Beiträgen aus den Fraktionen Stellung. Dabei wies er entschieden die Aussage von Kreistagsmitglied Rainer Thiel zurück, die Verwaltung wolle Kosten der Unterkunft einsparen. Die Quote der unangemessenen Unterbringungen in Neuss werde auch nicht auf 40% ansteigen, sondern lediglich von derzeit etwa 20% auf dann 29%. Auch werde kein Leistungsempfänger in einem Rechtsstaat von der einzelnen Entscheidung eines Sachbearbeiters abhängig werden, sondern die Entscheidungen basierten auf für alle gleichermaßen geltenden Richtlinien.

Zur Nachfrage von Kreistagsmitglied Arndt erklärte er, dass ein Vergleich nicht möglich sei, da ein Systemwechsel vollzogen werde.

Das Konzept des grundsicherungsrelevanten Mietspiegels sei alternativlos, die Vorlage basiere auf dem tatsächlichen Bestand. Die Verwaltung habe den Nachweis angetreten, dass zu den festgelegten Mietsätzen Wohnraum zur Verfügung stehe. Eine Umzugswelle oder eine Ghettoisierung sei damit nicht zu befürchten.

 

Kreistagsmitglied Rainer Thiel verwies nochmals auf die Unterschiede in den einzelnen Kommunen. Wenn der zu treffende Beschluss einen Systemwechsel zur Folge habe, könne heute nicht abgestimmt werden. Hierzu entgegnete Allgemeiner Vertreter Steinmetz, die Unterschiede in den Kommunen seien bekannt und könnten zu unterschiedlichen Auswirkungen führen. Dabei seien auch Steigerungen in den Mieten möglich. Das Argument, dass aufgrund eines Systemwechsels nicht abgestimmt werden könne sei unzutreffend, da seit über einem Jahr auf Grundlage dieses Systemwechsels diskutiert werde.

 

Kreistagsmitglied Haag erklärte, dass das Konzept weiterhin viele Widersprüche in sich berge. Der Antrag der CDU und FDP bzgl. eines halbjährlichen Berichtes zeige dort eine bestehende Unsicherheit. Die Einholung eines zweiten Gutachtens sei nach wie vor der bessere Weg. Allgemeiner Vertreter Steinmetz bat darum, konkrete Widersprüche aufzuzeigen. Für die Verwaltung seien keine Fragen mehr offen.

 

Die CDU-Fraktion habe laut Kreistagsmitglied Wienands keine Probleme damit, den vorgelegten Richtwerten zuzustimmen, da alle Fragen im Rahmen der intensiven Beratungen in der interfraktionellen Arbeitsgruppe geklärt worden seien. Zur Sorge anderer Fraktionen hinsichtlich einer Ghettoisierung führte sie aus, dass städtebauliche Fragen innerhalb der einzelnen Kommunen nicht vom Rhein-Kreis Neuss gelöst werden könnten. Darüber hinaus habe die Verwaltung mehrfach vorgetragen, dass es keine Ghettoisierung geben werde. Sollte es zu Schwierigkeiten kommen, werde die Verwaltung entsprechend berichten. Dann bestehe die Möglichkeit für die Politik, darauf zu reagieren. Die Gesamtthematik sei durch ein Gerichtsurteil entstanden, nicht durch die Verwaltung oder eine Partei. Sie beantragte daher, die vorgelegten Richtwerte zu beschließen.

 

Zur Aussage von Kreistagsmitglied Haag erklärte Kreistagsmitglied Rosellen, dass der von seiner Fraktion gestellte Antrag keine Unsicherheit zeige, da die Arbeitsgruppe alle Fragen geklärt habe und das System plausibel sei. Das Thema sei der FDP wichtig, daher wolle man es regelmäßig behandeln.

 

Kreistagsmitglied Carsten Thiel wies darauf hin, dass die interfraktionelle Arbeitsgruppe die Idee seiner Fraktion gewesen sei. Die Vorgaben des Gerichtsurteils würden in anderen Kommunen anders umgesetzt.

 

Ausschussvorsitzender Dr. Klose fasste zusammen, dass die Gesamtmaterie sehr komplex sei und daher alle Fraktionen das Recht hätten, Nachfragen zu stellen. Er fasste die gestellten Anträge bzw. die Reihenfolge der Abstimmungen wie folgt zusammen:

 

  1. Abstimmung über den Antrag Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Die Verwaltung wird beauftragt, ein zweites Gutachten einzuholen.

 

  1. Abstimmung über die in der Tischvorlage enthaltenen Richtwerte

 

  1. Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der FDP und CDU: Die Verwaltung erstellt halbjährlich einen Bericht über die Erfahrungen mit dem grundsicherungsrelevanten Mietspiegel und stellt diesen dem Ausschuss vor.

 

Kreistagsmitglied Rainer Thiel stellte den Antrag, einen ungedeckelten Bestandsschutz zu beschließen. Allgemeiner Vertreter Steinmetz äußerte hierzu erhebliche rechtliche Bedenken und schlug vor, eine entsprechende Prüfung vorzunehmen und hierüber im Kreisausschuss zu berichten. Kreistagsmitglied Rainer Thiel erklärte zu dieser Vorgehensweise sein Einverständnis.

 

Kreistagsmitglied Haag beantragte für den Fall, dass der Ausschuss die neue Regelung beschließe, umfassend über die Auswirkungen der neuen Richtlinie informiert zu werden. Hierbei solle die Verwaltung insbesondere darüber berichten, wie viele Bedarfsgemeinschaften zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert wuden, wie viele Einzelfallprüfungen es gegeben habe und wie oft dabei die Härtefallregelung anerkannt worden sei, wie viele Bedarfsgemeinschaften umgezogen seien, wie viele Bedarfsgemeinschaften die Kosten durch andere Maßnahmen wie Untervermietung, Verhandlungen mit dem Vermieter oder Übernahme von Hausmeistertätigkeiten gesenkt hätten, wie hoch die insgesamt entstandenen Kosten für Wohnraumbeschaffung, Umzugskosten und Personalkosten seien, wie viele Widersprüche aufgrund der neuen Mietobergrenzen eingegangen und ob Klagen erhoben seien. Allgemeiner Vertreter Steinmetz sagte eine Prüfung zu, ob diese Fragen und Kennzahlen seitens der Verwaltung beantwortet werden können.

 

Für die Auszählung der Stimmen der geheimen Abstimmungen zu 1. und 2. stellten sich die Kreistagsmitglieder Kallen und Arndt zur Verfügung.

 

Ausschussvorsitzender Dr. Klose teilte nach Auszählung der Stimmen folgende Ergebnisse mit:

 

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde mit 14 Neinstimmen bei 13 Jastimmen mehrheitlich abgelehnt.

 

Die Beschlussvorlage gemäß den Sitzungsvorlagen wurde mit 16 Jastimmen bei 11 Neinstimmen mehrheitlich angenommen.

 

Der offen abgestimmte Antrag der FDP-Fraktion wurde einstimmig angenommen.

 

Anmerkung der Verwaltung: Die Beantwortung der Fragen zum ungedeckelten Bestandsschutz sowie zu den Inhalten eines zukünftigen Berichtswesens liegen der Niederschrift in Anlage bei.