Beschluss:

Der Landschaftsbeirat des Rhein-Kreises Neuss empfiehlt in seiner Verantwortung, Fehlentwicklungen in der Landschaft abzuwehren, den endgültigen Standort im Landschaftsschutzgebiet nicht zu forcieren, sondern aus der Provisoriumslösung für 2013 heraus zu überlegen, welche anderen Möglichkeiten zur Errichtung einer KITA in der Nordstadt möglich oder noch zu finden sind. Derzeit sieht der Beirat keinen Grund, das Schutzgebiet in dem Umfang aufzugeben.


Protokoll:

Auf Bitte des Vorsitzenden erläuterte Herr Sangermann die Planung der Stadt Neuss anhand einer Powerpoint-Präsentation. Ein Abdruck der Präsentation ist als Anlage beigefügt.

 

Herr Sangermann dankte für die Gelegenheit, heute in diesem Gremium vortragen zu können. Ein Thema, welches viele Städte und Gemeinden betreffe, sei die Bereitstellung von U 3-Kindergartenplätzen. Hier gehe es um den Bebauungsplan Nr. 162/2 der Stadt Neuss, einmal zum Thema, aus welchem Grund man sich mit dieser Frage beschäftige und weiterhin, warum man den konkreten Standort gewählt habe.

Herr Sangermann erläuterte den Rechtsanspruch der Eltern auf einen Kindergartenplatz für unter 3-jährige Kinder ab 2013. Der Rat der Stadt habe hierzu einen Beschluss zur Umsetzung gefasst und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass man in der Stadt diesen Anspruch für 43 % der Kinder umsetzen könne. Man benötige hierzu mindestens 530 neue Kindergartenplätze, bis August 2013 300 Plätze, davon 180 in der Nordstadt, im Folgejahr weitere 140 Plätze und 2015 nochmals 90 Plätze.

Die Kindergartenplätze müssten dem Anspruch des Stadtteils Rechnung tragen, gut erreichbar sein sowie den Anforderungen des Förderungsgebers genügen. Man habe dies für das Stadtgebiet untersucht. Alle im städtischen Besitz stehenden Flächen seien geprüft worden. Verschiedene Flächen seien dabei wegen ihrer zu geringen Größe ausgeschieden. So sei ein Standort verblieben, der jetzt im Planverfahren 162/2 in der Diskussion sei.

Herr Sangermann zeigte im Bereich der Nordstadt verschiedene Standorte in unterschiedlicher Lage, die auf ihre Eignung untersucht worden seien. An der Gladbacher-/Kaarster Straße werde es einen Standort im Innenbereich geben, um den Bedarf von 180 Plätzen für 2013 in etwa schaffen zu können. Ein anderer Standort im hinteren Bereich eines Gymnasiums im Bereich Josten Allee sei ebenfalls ohne Planrecht zu schaffen möglich. Auch im Nordpark seien größere städtische Flächen am Nordbad vorhanden; diese seien jedoch wegen der Lage im Einzugsbereich einer Wassergewinnungsanlage bzw. wegen der topografischen Verhältnisse ausgeschieden.

Der heute anstehende Standort liege zwischen Weißenberg und Vogelsang. Hier sei Landschaftsschutzgebiet nach einer Alt-Verordnung betroffen. Eine Überprüfung im Jahr 2007 habe auch weiterhin die Schutzwürdigkeit bestätigt. Daher solle eine Fläche am südlichen Rand aus dem Landschaftsschutzgebiet entlassen werden, wozu man um Zustimmung bitte. Eine Artenschutzprüfung und eine Öko-Bilanz lägen vor. Konflikte für planungsrelevante Arten könnten demnach ausgeschlossen werden. Eine erhebliche Betroffenheit sei nicht gegeben. Die vorläufige ökologische Bewertung komme zu dem Ergebnis, dass 87 % der Eingriffswirkung auf dem Gelände ausgeglichen werden könne, die verbleibenden Anteile in der näheren Umgebung, vorzugsweise in der Stingesbachaue.

Die Anordnung der baulichen Anlagen sei in einer Winkelbebauung vorgesehen, um möglichst nahe an die Straße heran zu rücken und die Stingesbachaue so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Das Außengelände des Kindergartens liege vor dem Gebäude und könne in die Landschaft integriert werden. Stellplätze seien im rückwärtigen Bereich vorgesehen, erschlossen durch einen Stichweg von der Römerstraße aus.

Zurzeit stehe man am Anfang des Planverfahrens. Den Aufstellungsbeschluss habe man im vergangenen Jahr gefasst. Der Rhein-Kreis Neuss sei in der frühzeitigen Trägerbeteiligung beteiligt worden. Parallel sei die frühzeitige Beteiligung der Bürger erfolgt. Anschließend werde die Planung der Höheren Landschaftsbehörde vorgelegt, die für eine Aufhebung des Landschaftsschutzgebietes zuständig sei.

 

Vorsitzender Lechner dankte für den ausführlichen Vortrag. Er wies darauf hin, dass das Gesetz bereits seit 2006 gelte und fragte nach, aus welchen Gründen in der Zwischenzeit keine der vielen Möglichkeiten in der Stadt Neuss habe gesichert werden können. Weiterhin bat er um Aufschluss darüber, aus welchem Grund die leer stehende Heinrich-Böll-Schule nicht saniert und genutzt werde. Ihm liege zudem ein Schreiben vor, dass ein Alternativstandort an der Langen Hecke bestehe. Für ihn stelle sich die frage, warum diese anderen Standorte nicht an Stelle des Landschaftsschutzgebietes genutzt würden.

 

Herr Sangermann erklärte, dass der Standort Heinrich-Böll-Schule für einen Kindergarten bereits vorgesehen sei. In den nächsten Monaten sei die Errichtung vorgesehen, so dass die Einrichtung im August 2013 zur Verfügung stehe. Die Grundschule stehe jedoch nicht für eine KITA zur Verfügung. Zudem seien zwei KITA in unmittelbarer Nähe; eine dritte mache hier keinen Sinn mehr.

Auch in Vogelsang bestehe eine KITA zwischen den Wohnhäusern, um den Bedarf an dieser Stelle kurzfristig abzudecken.

Die Stadt Neuss habe eine ganze Reihe von Standorten, die auf kurzem Wege erreicht werden könnten, und die der Deckung des kurzfristigen Bedarfs in der Nordstadt dienten.

Heute spreche man über einen Standort, an dem erst 2015 eine Kindertagesstätte eröffnet werden solle, bei dem man aber das Planrecht vorbereiten müsse. Man habe viele Standorte untersucht und sei auf diesen Standort gekommen.

 

Beiratsmitglied Arndt betonte, dass die Stadt in den letzten Jahren, in denen die gesetzliche Pflicht bekannt gewesen sei, Gemeinbedarfsflächen in Wohnbauflächen umgewandelt, in der Nordstadt sei eine Kindertagesstätte der katholischen Kirche einer anderen Zweckbestimmung zugeführt worden, insgesamt sei nicht darauf geachtet worden, dass geeignete Flächen verblieben. Nun wolle man Landschaftsschutzgebiet in Anspruch nehmen, ohne eine Alternative zur zusätzlichen Ausweisung von Schutzgebiet zu haben, dies sei an dieser Stelle auch nicht möglich. Sie könne den aufgezeigten Druck nicht nachvollziehen, zumal es momentan nur um die Schaffung von Provisorien gehe.

Frau Arndt zitierte an dieser Stelle aus einer Vorlage für einen anderen Ausschuss der Stadt, wonach es Ziel sei, beide Provisorien an der Römerstraße oder an der Langen Hecke in einen Neubau zu überführen. Weiterhin gebe es neben den städtischen Grundstücken auch noch private Grundstücke und Flächen z. B. des Bauvereins. Außerdem gebe es zwischen den Wohnhäusern aus den 60er Jahren große Freiflächen, die innerhalb der Orte ohne Inanspruchnahme von Schutzgebieten genutzt werden könnten.

 

Vorsitzender Lechner ergänzte, dass man zurzeit Zwischenlösungen anstrebe, da ja die Umsetzung nicht sofort erfolgen solle. Diese seien seines Erachtens so lange vorzuziehen, bis man einen brauchbaren Standort außerhalb des Landschaftsschutzgebietes gefunden habe.

 

Herr Sangermann erläuterte, dass dies den Bedarf verkenne, da die Provisorien in die Bedarfsberechnung bereits einbezogen worden seien. Sie seien so angelegt, dass sie jetzt zur Verfügung stünden. Man brauche kurzfristig in diesem Jahr 180 Plätze. Wenn man diese jetzt alternativ heranziehe, um sie später in eine dauerhafte Einrichtung umzuwandeln, dann fehlten eben diese Plätze.

Soweit Flächen des Bauvereins angesprochen worden seien, bestehe in Vogelsang auf diesen Flächen zwischen den Wohnhäusern ein provisorischer Kindergarten. Dieser sei jetzt und zukünftig erforderlich, ob auf dieser Fläche oder an anderer Stelle, sei noch offen.

Man diskutiere heute die 2015 erforderlichen Einrichtungen, da deren Errichtung einen Vorlauf zur Schaffung des Planrechts benötige.

Private Flächen könne man zwar erwerben; dies verteuere aber die Kindergartenplätze. Daher sei die Prämisse der Stadt gewesen, auf städtischen Flächen zu planen.

Der vorgelegte Standort liege im Landschaftsschutzgebiet; es sei aber dargelegt, dass er artenschutzrechtlich und ökologisch verträglich sei.

 

Frau Becker ergänzte, dass die gesetzliche Grundlage seit 2006 bekannt sei. Seit damals seien Flächenveräußerungen seitens der Stadt erfolgt, die man heute stark bedauere. Hintergrund sei gewesen, dass es seinerzeit andere Vorgaben für die Berechnung der Kindergartenplätze seitens des Landes gegeben habe und über den Einschulungszeitpunkt eine Steuerung des Bedarfs geplant gewesen sei. Dies habe sich im Lauf der Jahre nicht bestätigt, so dass der Verkauf der Flächen gestoppt worden sei. Man verhandle auch mit dem Neusser Bauverein, mit privaten Eigentümern und der Kirche und konzentriere sich nicht ausschließlich auf städtische Flächen. Man versuche zu erweitern, umzuorganisieren und Flächen im Innenbereich, wie die an der Langen Hecke, zu aktivieren. Erst dann werde ein Bauleitplanverfahren in Betracht gezogen. Es müsse schon ein gewisser Druck für eine solche Planung vorliegen. Man denke, dass der heute diskutierte Standort deutlich besser sei, als andere, die weniger geeignet seien. Finde man andere Standorte, die sich besser eigneten, werde man auch diese angehen. Der dargestellte Bedarf sei durch das Jugendamt geschätzt und durch den Rat bestätigt worden. Es sei die erste Ausbaustufe; man wisse aber, dass es noch einen weiteren Bedarf geben werde.

 

Der Vorsitzende dankte für die ausführlichen Erläuterungen und stellte fest, dass die Ultima Ratio bei den Kommunen ständig bedeute, dass man Flächen in Schutzgebieten in Anspruch nehme. Dies führe dazu, dass Pflanzen- und Tiergesellschaften kontinuierlich abnähmen. Die Schutzgebiete seien nicht willkürlich festgesetzt worden, sondern wegen des Erfordernisses des Flächenschutzes. Statt sich frühzeitig Gedanken über andere Standorte außerhalb der Schutzgebiete zu machen, erfolge immer wieder der Versuch des Zugriffs auf diese Gebiete. Er habe die Heinrich-Böll-Schule angesprochen, die seit Jahren leer stehe. Er habe davon gehört, dass hier ein Zentrum für Aleviten geplant sei. Wenn dies nicht umgesetzt werde, dann müsse geklärt werden, was mit diesem Gebäude geschehen solle.

 

Frau Becker erklärte, dass die Verhandlungen mit den Aleviten nach wie vor betrieben würden und das Gebäude damit nicht zur Verfügung stehe. Es sei nach wie vor geplant, die Aleviten in diesem Gebäude anzusiedeln.

 

Beiratsmitglied Kallen betonte, dass man sich in einem solchen Fall darüber Klarheit verschaffen müsse, welche Interessen hier vorrangig seien. Die Tatsache, dass Verhandlungen mit den Aleviten geführt würden, schließe ja eine Nutzung als Kindergarten nicht von vorne herein aus.

 

Herr Sangermann wies darauf hin, dass in 15 m von diesem Gebäude ein Kindergarten errichtet werde.

Auf Nachfrage von Beiratsmitglied Kallen nach der Entfernung des Standortes im Bebauungsplan Nr. 162/2 von diesem Standort wurde dieser auf etwa 500 m geschätzt.

 

Frau Becker erklärte, dass man sehr sensibel mit dem Landschaftsraum und dem Schutz der Arten sowie dem Ausgleich umgehe. Man hoffe, dass ein solcher Standort die Kinder auch dazu anhalte, selbst sensibel mit der Natur umzugehen. Es spreche viel dafür, diesen Standort in der Natur zu wählen. Auch die Heinrich-Böll-Schule sei auf die Möglichkeit zum Umbau zu einem Kindergarten geprüft worden. Dies komme von den Kosten her einem Neubau gleich. Sie sei nicht der Meinung, dass sich die Schule von der Struktur her für einen Kindergarten eigne.

 

Beiratsmitglied Grimbach bezeichnete es bedauerlich, dass so oft Schutzgebiete für derartige Planungen in Anspruch genommen würden und damit die Ressourcen und auch der Artenschutz eingeschränkt würden.

Nachvollziehen könne er nicht, dass 87 % des Eingriffs auf dem Grundstück ausgeglichen werden könnten. Auf Grund seiner Lage in einem Auenbereich müsse das Gebäude erhöht werden.

Positiv sei zwar die Idee, die Kinder an Natur und Landschaft heranzuführen; dies ändere jedoch nichts an der Eingriffswirkung des Vorhabens. Er schlage angesichts der langen Vorlaufzeiten vor, andere Standorte für das Projekt zu prüfen.

 

Herr Sangermann antwortete, dass man den Standort in der Stingesbachaue bewusst dort gewählt habe, wo bereits Randstörungen bestünden und die KITA möglichst nah an die vorhandene Erschließung zu setzen.

Der Ausgleich auf dem Gelände sei in dem Umfang möglich, weil das Gelände entsprechend aufgewertet werde. Das Defizit werde möglichst in der Nähe ersetzt.

 

Beiratsmitglied Otten sah in dem Projekt einen sehr erheblichen Eingriff in Natur und Landschaft. Er stellte die Frage, was im Fall einer notwendigen Erweiterung der Tagesstätte geschehen werde. Diese müsse dann ebenfalls im Schutzgebiet erfolgen, was dieses noch weiter reduziere.

 

Nach kurzer Diskussion über die Inhalte der Kompensationsmaßnahmen erläuterte Herr Hilgers, dass der überwiegende Teil der Kompensation durch die Schaffung eines Feuchtbiotops erreicht werde. In der Stingesbachaue gebe es Amphibien, die diesen Standort annehmen würden, da der feuchte Graben gerade zur Laichzeit öfter austrockne.

 

Beiratsmitglied Bolz bezeichnete die durch den Raum führende Straße als Letalfaktor für die Amphibien. Wenn hier ein Amphibienvorkommen ohne Durchlässe an der Straße gefördert werde, führe dies zur verstärkten Tötung von Amphibien. Ein Laichgewässer ohne Schutzmaßnahmen, die teuer und aufwändig seien, sei kontraproduktiv.

 

Beiratsmitglied Arndt sprach sich gegen die Inanspruchnahme von Schutzgebietsflächen aus und bat darum, andere Standorte zu prüfen, auch wenn dies mit mehr Vorarbeiten verbunden sei. Hier solle eine extreme Einschnürung des Landschaftsschutzgebietes in der Stadt erfolgen. Dies sei nicht hinnehmbar. Die Flächen für geschützte Arten, wie hier den Sperber, dürften nicht weiter reduziert werden.

 

Beiratsmitglied Grimbach stimmte dem zu und bat darum, sich nochmals Gedanken über eine Vermeidung zu machen. Den Menschen werde die offene Landschaft entzogen. Es sei Aufgabe des Landschaftsbeirates, Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Dies sei hier der Fall.

 

Frau Becker betonte, dass es nicht das Ziel gewesen sei, hier einen Teil aus der geschützten Landschaft herauszunehmen. Man habe die Schwere des Eingriffs anders bewertet, als dies seitens des Beirates erfolge. Hier handele es sich um einen geplanten Kindergarten, der zu bestimmten Zeiten durch Kinder bespielt werde, die dann die Aue erleben könnten. Der Standort sei bereits erschlossen und werde keine zusätzlichen Verkehre auslösen, er sei innerstädtisch integriert. Man habe das Landschaftsschutzgebiet auch weiterhin als geschützt angesehen, ungeachtet der Tatsache, dass die Aufhebung beantragt sei. Hierfür bitte man um die Unterstützung des Beirates. Man habe es sich nicht leicht gemacht.

 

Beiratsmitglied Arndt sah den Zeitpunkt für eine Entscheidung über den Standort nicht als richtig an. Hierfür seien zu viele Fragen noch ungeklärt. Insbesondere fehle es ihres Erachtens an dem öffentlichen Interesse an der Aufhebung des Schutzgebietes.

 

Herr Temburg wies darauf hin, dass die Zuständigkeit für eine Entscheidung über die Aufhebung der Schutzfestsetzung bei der Bezirksregierung Düsseldorf als Höhere Landschaftsbehörde liege. In diesem Verfahren bedürfe es einer Stellungnahme des Rhein-Kreises Neuss, in die die Empfehlung des Beirates einfließen solle.

 

Vorsitzender Lechner schlug als Beschluss vor, dass der Landschaftsbeirat des Rhein-Kreises Neuss in seiner Verantwortung, Fehlentwicklungen in der Landschaft abzuwehren, empfehle, den endgültigen Standort im Landschaftsschutzgebiet nicht zu forcieren, sondern aus der Provisoriumslösung für 2013 zu überlegen, welche anderen Möglichkeiten zur Errichtung einer KITA in der Nordstadt möglich oder noch zu finden sind. Derzeit sehe man keinen Grund, das Schutzgebiet in dem Umfang aufzugeben.


Abstimmungsergebnis:

Einstimmig bei einer Stimmenthaltung.