Betreff
Anfrage der Kreistagsfraktionen von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen "Vorsorgemaßnahmen bei Hochwasserkatastrophen" vom 29.07.2021
Vorlage
32/0698/XVII/2021
Art
Anfrage

Sachverhalt:

 

Frage 1:

Welche modellhaften Entwicklungen von Krisenszenarien im Bereich von Starkregenereignisse und sich kurzfristig entwickelnder drastische Hochwasserstände sind kalendermäßig vorbereitet (unterteilt nach Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, kurz: BOS)?

Die Kreisverwaltung ist verantwortlich für die nach dem BHKG vorgesehenen Zuständigkeiten, nicht für die Planungen anderer BOS. Starkregenereignisse treten des Weiteren in allen Jahreszeiten auf. Daher wird keine „kalendermäßige Vorbereitung“ getroffen, sondern eine Vorbereitung, die in jeder sich entwickelnden Lage geeignet ist im Krisenstab flexibel zu bewerten und zu entscheiden, welche Maßnahmen getroffen werden müssen.

 

Frage 2:

Welche Gewässer werden diesbezüglich als kritisch betrachtet?

Je nach konkreter Situation vor Ort können alle Gewässer Hochwasserrelevanz entfalten. Im Rhein-Kreis Neuss sind besonders relevant Rhein, Erft, Niers und Gillbach sowie der Jüchener Bach und die jeweiligen Nebengewässer.

 

Frage 3:

Wie kann eine schnelle und flächendeckende Warnung der Bevölkerung sichergestellt werden?

Für die Leitstelle besteht die Möglichkeit, alle vorhandenen Sirenen im Kreisgebiet im Krisenfall innerhalb weniger Sekunden auszulösen. Insgesamt stehen drei Warntöne zu Verfügung. Warnton 1: Feueralarm, Warnton 2: Warnung der Bevölkerung, Warnton 3: Entwarnung.

 

Frage 4:

Inwieweit ist geplant, eine Verbesserung der Warnungen über NINA (Warn-App des Bundes) bzw. KATWARN herbeizuführen?

Die aufgeführten Warn-Apps sind Einrichtungen des Bundes. Die Nutzung der Apps ist über den Erlass des Landesinnenministeriums vom 26.05.2020 (Warnerlass) geregelt. MOWAS-Warnungen werden zukünftig auch auf den kommunalen Stadtinformationsanlagen zu sehen sein, hierzu hat die Kreisleitstelle eine Vereinbarung mit der Betreiberfirma abgeschlossen.

 

Frage 5:

Inwieweit gibt es Überlegungen, der Bevölkerung Tipps zur Vorsorge durch die Broschüre des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe „Ratgeber für Notfallfürsorge und richtiges Handeln in Notsituationen - aktuelle Fassung“ zur Verfügung stellen (in den Rathäusern und auf den Feuer- und Rettungswachen)?

Hierzu wird auf die Ausführungen der Verwaltung zu Frage 2 der Anfrage der Kreistagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen zu einem Notfallkonzept im Falle eines Blackout-Katastrophenfalles vom 22. Januar 2021 verwiesen.

Ob und inwieweit die einzelnen kreisangehörigen Kommunen zur Aufklärung der Bevölkerung beitragen ist der Kreisverwaltung nicht bekannt. Da es in Feuer- und Rettungswachen keinen Publikumsverkehr gibt ist es aus Sicht der Verwaltung sehr zweifelhaft, ob eine Auslage von Broschüren dort zielführend ist.

 

Frage 6:

Inwieweit ist geplant, in den Medien mtl. die Sirenensignale zu erklären?

Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nutzt den jährlichen landesweiten Warntag um durch Pressearbeit sowie über die kreiseigenen Social Media auf die Bedeutung der unterschiedlichen Sirenensignale hinzuweisen. Zur grafischen Erläuterung wurde hierzu eine Grafik erstellt, die bisher auch stets von zahlreichen Medien (Print und Online) übernommen wurde.

Bei einer monatlichen Pressearbeit mit stets gleichen Inhalten ist zu bezweifeln, dass dieser aufgrund des fehlenden Neuigkeitswertes von den Medien übernommen würde.

 

Frage 7:

Welche Möglichkeiten der kontrollierten Entlastung der jeweiligen im Kreisgebiet liegenden Gewässer sind vorgeplant? Welche Überflutungsflächen können gezielt freigegeben werden?

Möglichkeiten der kontrollierten Entlastung bei Hochwasserereignissen bestehen insbesondere bei Rhein, Erft und ihren Nebengewässer. Die Bezirksregierung und der Erftverband wurden gebeten, entsprechende Informationen zuzuliefern.

 

Frage 8:

Welche kritischen Einrichtungen haben eine redundante Stromversorgung, für wie lange und wie ist die Versorgung der Generatoren mit Kraftstoff geregelt?

Hierzu wird auf die Ausführungen der Verwaltung zur Anfrage der Kreistagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen zu einem Notfallkonzept im Falle eines Blackout-Katastrophenfalles vom 22. Januar 2021 verwiesen. Entsprechende Fragestellungen werden lageabhängig und aktuell zu ermitteln sein, da nur dies die Grundlage für zielführende Entscheidungen eines Krisenstabes sein kann.

 

Frage 9:

Wie werden die BOS im Katastrophenfall mit Betriebsstoffen versorgt?

Hierzu wird auf die Ausführungen der Verwaltung zu Frage 4 der Anfrage der Kreistagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen zu einem Notfallkonzept im Falle eines Blackout-Katastrophenfalles vom 22. Januar 2021 verwiesen.

Naturgemäß liegen der Kreisverwaltung des Rhein-Kreises Neuss keine dezidierten Informationen darüber vor, welche Vorplanungen andere BOS für Katastrophenfälle durchgeführt haben.

 

Frage 10:

Wie ist die Aufrechterhaltung des Digitalfunks der BOS bei einem Stromausfall gewährleistet?

Für den sicheren Betrieb des Digitalfunks ist der Bund verantwortlich, insbesondere wird die gesamte Infrastruktur und Technik über den Bund zur Verfügung gestellt. Sollten die Knotenpunkte beschädigt oder nicht mehr funktionsfähig sein (wie in den betroffenen Bereich geschehen), kann eine flächendeckende Kommunikation nicht mehr gewährleistet werden.

 

Frage 11:

Wie ist die Koordination der BOS im Krisenfall untereinander geregelt?

Die Zuständigkeiten der kommunalen BOS sind im BHKG abschließend geregelt.

Bei Großschadensereignissen oder Katastrophen im Sinne des BHKG ist die Anforderung von Verbindungspersonen der kreisangehörigen Kommunen in den Krisenstab des Kreises vorgesehen.

Für den Bereich der operativ-taktischen Ebene regelt die Feuerwehrdienstvorschrift 100 (FwDV 100) detailliert die Zusammenarbeit und Koordination der Kräfte.

 

Frage 12:

Wer übernimmt im Krisenfall die Koordination der organisierten wie auch nicht organisierten Ehrenamtlichen Kräfte?

Die nach dem BHKG vom Landrat bestellte Einsatzleitung koordiniert den Einsatz der organisierten ehrenamtlichen Kräfte der operativ-taktischen Ebene.

Der Krisenstab wäre für den Fall von nicht organisierten ehrenamtlichen Kräften für deren Koordination und den Einsatz (in Abstimmung mit der Einsatzleitung) zuständig. Der Rhein-Kreis Neuss hat hierzu durch die Teilnahme am Projekt REBEKA bereits in Übungen Erfahrungen sammeln können.

 

Frage 13:

Wie ist in einem solchen Katastrophenfall die Erreichbarkeit der Bevölkerung gewährleistet? Welche Szenarien sind hierzu vorbereitet?

Für die Information und Warnung der Bevölkerung können im Falle eines Großschadensereignisses folgende Kommunikationswege genutzt werden:

Ø  Pressemitteilungen

Ø  unmittelbare Kommunikation über die reichweitenstarken Social Media Kanäle des Kreises

Ø  Warn-App NINA

Ø  Warnung über das Sirenennetz

Ø  Lautsprecherdurchsagen über Fahrzeuge der Feuerwehr, Polizei sowie des THW

Ø  außerhalb der Zeiten, in denen die Redaktion des Lokalsenders News 89,4 besetzt ist, haben die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Kreises sowie die Leitstelle die Möglichkeit, ortsunabhängig und jederzeit das laufende Programm auf News 89,4 zu unterbrechen und hierüber eine Bevölkerungswarnung abzusetzen.

Ø  Inbetriebnahme einer Telefon-Hotline, die aus einem Personalpool der Kreisverwaltung besetzt wird 

Ø  Information über Flyer und Plakate. Für Layout sowie Druck kann der Kreis jederzeit auf eigene personelle und technische Kapazitäten zurückgreifen.

Ø  Als Anlaufstelle für Medien verfügt der Kreis über eine Mobile Pressestelle, die mittels einer unabhängigen Stromversorgung, eines Mobilfunkanschlusses sowie einer vollständigen technischen Ausstattung jederzeit auch eine Kommunikation unmittelbar von einem Einsatzort aus ermöglicht.

 

Die Auswahl der Kommunikationskanäle erfolgt immer lageabhängig. Dabei wird stets berücksichtigt wie schnell und mit welchen Informationen die Bevölkerung erreicht werden muss, sowie wie viele Personen betroffen sind.

 

Frage 14:

Wie hoch sind die im Kreis vorgehaltenen Kapazitäten, um im Evakuierungsfall Menschen unterzubringen und sind diesbezüglich Einrichtungen identifiziert?

Die Unterbringung von evakuierten Personen fällt in die Zuständigkeit der kreisangehörigen Kommunen, die entsprechende Vorplanungen zu erstellen haben.

 

Frage 15:

Inwieweit gibt es eine Bevorratung von Notverpflegungen u. ä. und Möglichkeiten der Trinkwasseraufbereitung?

Hierzu wird auf die Ausführungen der Verwaltung zur Anfrage der Kreistagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen zu einem Notfallkonzept im Falle eines Blackout-Katastrophenfalles vom 22. Januar 2021 verwiesen.

 

Frage 16:

Wie ist der Sachstand bei der Umsetzung von Maßnahmen, die sich aus der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union in Bezug auf den vorgenannten Kontext ergeben?

Die EU-Wasserrahmenrichtlinie stellt grundsätzliche Anforderungen an den Gewässerschutz und an eine nachhaltige Bewirtschaftung der Gewässer. Die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie für die Oberflächengewässer sind die Erreichung und Erhaltung eines guten ökologischen Zustands bzw. Potenzials und eines guten chemischen Zustands der Gewässer. Die Maßnahmen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zielen auf die Bereiche der Gewässerstruktur, der Durchgängigkeit, des Wasserhaushalts und der Stoffeinträge in Gewässer ab, jedoch nicht direkt auf den Hochwasserschutz. Bei bestimmten Maßnahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie können jedoch Synergien für den Hochwasserschutz genutzt werden, wie z. B. durch die Förderung des natürlichen Wasserrückhalts in der Aue bei Gewässerrenaturierungen. Diese Maßnahmen können einen Beitrag zur Reduzierung der Hochwassergefahren insbesondere bei kleineren häufigen Hochwasserereignissen leisten, haben jedoch keinen wesentlichen Einfluss auf extreme Hochwässer. Im Rhein-Kreis Neuss wurden bereits eine Reihe von Gewässerabschnitten renaturiert wie z. B. an Gillbach und Jüchener Bach. Für die Erft steht der aufwendige Umbau entsprechend dem Perspektivkonzept in den nächsten Jahren an. Voraussetzung für die Realisierung der Maßnahmen ist jedoch – auch im Hinblick auf den Hochwasserschutz – neben der Bereitstellung von personellen und finanziellen Ressourcen die Verfügbarkeit von Flächen. Das Freihalten der Aue von Bebauung und intensiver Nutzung ist der wesentliche Baustein für sowohl die ökologische Entwicklung der Gewässer als auch den Hochwasserschutz.

Insbesondere wegen der intensiven Flächennutzung in der Region und der daraus resultierenden mangelnden Verfügbarkeit von Flächen für eine naturnahe Umgestaltung von Gewässern konnten noch nicht alle Maßnahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt werden. Der derzeit noch im Entwurf befindliche Bewirtschaftungsplan für den Bewirtschaftungszyklus 2022 – 2027 enthält daher noch eine Reihe umzusetzender Maßnahmen für die berichtspflichtigen Gewässer im Rhein-Kreis Neuss. Zum aktuellen Entwurf des Bewirtschaftungsplans wurde in der Sitzung des Planungs-, Klimaschutz-und Umweltausschuss am 10.06.2021 berichtet.

 

 

Frage 17:

Inwieweit gibt es ein mehrstufiges Kartenwerk oder ist eins in Planung, das die folgenden aufgelisteten Risiken ausweist?

• Flächen, die Gefahr laufen aufgrund ihrer topographischen Lage sowie örtlicher Faktoren (Versiegelung, Zulauf aus anderen Flächen etc.) bei verschiedenen Starkregenereignissen überflutet zu werden

• Überflutungsgebiete der Erft, des Rheins und er jeweiligen Zu- und Nebenflüsse je nach Pegelstand (Meterschritte oder nach Möglichkeit kleinteiliger).

 

Die Erstellung von Starkregengefahrenkarten ist eine kommunale Aufgabe und ein wichtiger Baustein des kommunalen Starkregenrisikomanagement. Die Städte Neuss, Grevenbroich und Korschenbroich haben entsprechende Gefahrenkarten für ihr Stadtgebiet erstellt.

Die Untere Wasserbehörde fragt derzeit nochmals den aktuellen Sachstand zum kommunalen Starkregenrisikomanagement bei allen kreisangehörigen Kommunen ab.

Hochwassergefahrenkarten werden federführend durch die Bezirksregierungen für alle Risikogewässer (Rhein, Erft, Niers, Gillbach, Jüchener Bach) erstellt und alle 6 Jahre aktualisiert. Diese Hochwassergefahrenkarten informieren über die mögliche Ausdehnung und Tiefe einer Überflutung. In diesen Karten wird dargestellt, wie das Ausmaß der Überflutung für ein häufiges, mittleres und seltenes Hochwasserereignis zu erwarten ist. Unter www.elwasweb.nrw.de sind diese Karten digital verfügbar.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Digitalisierungs-TÜV
(   ) Digitalisierungspotential vorhanden.

(   ) Digitalisierungspotential muss geprüft werden.

( X ) Kein Digitalisierungspotential (derzeit) erkennbar.