Betreff
Investitionen und Planungen im Bereich der WSAA-Wertstoffsortier- und Abfallbehandlungsanlage am Entsorgungsstandort Neuss-Grefrath
Vorlage
68/1108/XVII/2022
Aktenzeichen
68.2
Art
Beschlussvorlage

Beschlussempfehlung:

Der Planungs-, Klima- und Umweltausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis.


Sachverhalt:

Sachverhalt

Im Land NRW sind die kreisangehörigen Kommunen für die Einsammlung von Abfällen aus Privathaushalten zuständig und die Kreise für die weitere Entsorgung der eingesammelten Abfälle. Die 8 kreisangehörigen Kommunen des Kreises mit zusammen etwa 450.000 Einwohnern liefern die folgenden von ihnen eingesammelten Abfälle zur WSAA-Wertstoffsortier- und Abfallbehandlungsanlage, Anlagenteil WSAA-MBA (für Mechanisch-Biologische-Abfallbehandlung), des Kreises an:

  • Restabfälle (Graue Tonne),
  • Sperrabfälle, incl. Sperrabfälle, die an den beiden Kleinanlieferstellen (Wertstoffhöfen) des Kreises angeliefert werden,
  • Papier, Pappe, Kartonagen (PPK) und
  • Elektroaltgeräte.

Restabfälle werden über Magnet- und Wirbelstromabscheider von Eisen- und Nichteisenmetallen entfrachtet und über zwei Trommelsiebe in 4 Fraktionen klassiert. Die beiden kleineren Fraktionen werden über 8 Rottereaktoren biologisch behandelt, die beiden gröberen Fraktionen werden unmittelbar verladen. Beide Faktionen, das Grobgut und das biologisch behandelte Feingut, werden verschiedenen Hausmüllverbrennungsanlagen und Industriefeuerungen zugeführt. Eine tiefergehende Sortierung in sortenreine, recyclingfähige Stoffströme (z.B. Papier, verschiedene Kunststoffarten) ist bei gemischten Restabfällen inzwischen nicht mehr praktikabel.

Sperrmüll wird per Bagger auf Abholfahrzeuge umgeladen, in Drittanlagen nachsortiert und anschließend verwertet.

PPK wird geschreddert und zu Ballen gepresst.

Elektroaltgeräte werden nach den Gruppen gemäß dem Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG) in Container verladen zur Abholung durch die Hersteller.

Weiterhin verfügt die WSAA-MBA über eine Wertstofflinie. Dort werden sortenreine gewerbliche Abfälle wie Kartonagen und sortenreine Kunststoffabfälle von Hand sortiert und anschließend zu Ballen gepresst.

Neben der WSAA-MBA gibt es noch den Anlagenteil WSAA-SBS in einem gesonderten Hallenkomplex. Dieser erzeugt Sonderbrennstoffe aus Gewerbeabfällen. Die WSAA-SBS ist vom Kreis an die EGN-Entsorgungsgesellschaft Niederrhein mbH verpachtet und wird von der EGN im eigenen Namen und eigene Rechnung betrieben. Die vorliegenden Ausführungen betreffen nur die WSAA-MBA.

Die WSAA-MBA und die WSAA-SBS liegen in einem noch nicht verfüllten Abschnitt der Deponie Neuss-Grefrath. Der Kreis ist Eigentümer der WSAA und des gesamten Standorts.

 

Zustand der WSAA-MBA

Gebäude:

Die Gebäude der WSAA-MBA wurden teilweise Anfang der 1980er Jahre errichtet, teilweise in den Jahren 2000/2001. Die Gebäude haben durch den Einfluss der Emissionen aus der Rotte ungewöhnlich stark gelitten. Es stehen an: Die Entfernung der Wandelemente und der Dächer zur Sanierung der Stahl-Tragwerke. Ohne Sanierung beträgt die Lebensdauer insbesondere der Rottehalle voraussichtlich nur noch wenige Jahre bis zur Stilllegung aus statischen Gründen.

Maschinentechnik:

Die Maschinentechnik wurde bis etwa 1999 zur Sortierung von Verpackungsleichtstoffen („Gelbe Tonne“) genutzt. Nachdem die Sortierung von Verpackungsleichtstoffen auf überregionale, größere Anlagen konzentriert wurde, wurde die Maschinentechnik der WSAA-MBA zur Sortierung von Hausmüll umgebaut. Durch automatische Sortiergeräte wurden Altpapier und Kunststoffe aus dem Restabfall entnommen. Die Entnahme von Altpapier wurde eingestellt, weil nach Einführung der getrennten Altpapiersammlung die erforderlichen Sortiermengen und -qualitäten nicht mehr darstellbar waren. Später wurde auch die Entnahme von Kunststoffen eingestellt, da nur eine heizwertarme Fraktion zum Einsatz in Kraftwerken erzeugt werden konnte und das dafür geeignete Kraftwerk nach der Aufteilung der früheren Trienekens AG nicht mehr zur Verfügung stand. Die Maschinentechnik ist für den heutigen Einsatzzweck (Klassierung Grob/Fein, Metallabscheidung) ineffizient und überdimensioniert. Auch die Ballenpresse ist zunehmend störanfällig, eine Neuanschaffung erscheint notwendig.

Rottetechnik:

Die Rottedauer beträgt etwa 10 Tage, im Wesentlichen wird ein Masseverlust durch Wasserverlust realisiert. Der Rotteverlust betrug in der Vergangenheit max. ca. 19%, bezogen auf den gesamten Restabfall. Inzwischen ist er durch die vielfachen altersbedingten Anlagenstillstände auf ca. 12 % gesunken. Die Rottereaktoren werden über ein verfahrbares Eintragsgerät befüllt und über ein gleichfalls verfahrbares Austragsgerät entleert. Das Austragsgerät koppelt jeweils an die in den Rottereaktoren installierten Schubböden an. Beide Geräte haben das Ende ihrer Lebensdauer erreicht und müssen erneuert werden. Zwei der acht Reaktoren sind saniert, die anderen sechs weisen im Bereich der Böden eine tiefgreifende Betonerosion auf. Die Armierung ist durch eingedrungenes Sickerwasser korrodiert, hat sich dabei ausgedehnt und den darüber liegenden Betonbereich (Auflage für die Schubbleche) abgehoben.

Sonstiges:

Die Steuerungstechnik wurde 2020 auf Stand gebracht. Die Erneuerung der Rohre der Löschtechnik steht wegen des Verlustes der VDS-Zertifizierung in 2022 an.

Instandhaltungszustand:

In Summe betragen die Kosten für die erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen über 10 Mio. EUR. Diese werden bis zu einer Grundsatzentscheidung – Instandsetzung oder Neubau – derzeit möglichst aufgeschoben.

 

Planungsauftrag

Da die WSAA-MBA umfangreich instandgesetzt und erneuert werden muss, ist damit auch der Zeitpunkt gekommen, um über das zukünftige Behandlungskonzept zu entscheiden. Die mechanische-biologische Restabfallbehandlung war in der Vergangenheit modern und richtungsweisend, sie muss aber anhand der heutigen und zukünftigen Anforderungen überprüft und ggfs. geändert werden. Die Abfallzusammensetzung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten durch eine intensivere Abfalltrennung verändert und es sind auch neue Kriterien – Stichwort Klimaschutz – hinzugetreten. Für diese Entscheidungen ist die Hilfe eines kompetenten Fachplaners erforderlich. Der Planungsauftrag soll in folgenden Phasen ablaufen:

Phase I

Dem Kreis und seinen Entscheidungsgremien sollen die Grundlagen für eine Entscheidung über die Art und ggfs. den Ort der zukünftigen Abfallbehandlung bereitgestellt werden.

Gegenstand der Phase I ist ein Variantenvergleich. Dazu sind die sinnvollen Varianten zunächst zu definieren, z.B.:

  • Instandsetzung der vorhandenen Anlage,
  • Neubau der vorhandenen Anlage mit grundsätzlich gleicher Konzeption,
  • Neubau einer neuen Anlage ohne Rotte, d.h. einfache Klassierung in 2 Korngrößen zur Erzeugung von 2 unterschiedlichen Brennstoffqualitäten, ggfs. Weiternutzung der vorhandenen Verladung,
  • Neubau einer reinen Umladung per Bagger oder Radlader.
  • Neubau einer Anlage mit einem innovativen Verfahren (noch zu spezifizieren)

Zur Prüfung der Varianten sind Kriterien zu entwickeln und die Varianten zu bewerten. Beispiele für die Kriterien:

  • Kann die Umsetzung am selben Standort unter Aufrechterhaltung zumindest einer Abfall-Umladung erfolgen, oder ist ein neuer Standort erforderlich?
  • Wirtschaftliche Bewertung, überschlägiger Kostenvergleich der Varianten,
  • Abfallwirtschaftliche Bewertung (mehr Recycling, Reduktion der Verbrennungsmenge), dabei auch Betrachtung von möglichen zukünftigen Änderungen der Abfallzusammensetzung (z.B. Intensivierung der getrennten Bioabfallsammlung),
  • Bewertung unter Klimaschutzaspekten.

 

Phase II

Nach der Vorlage der ausgearbeiteten Varianten und der Entscheidung des Kreises für eine der Varianten soll die gewählte Variante umgesetzt werden. Es ist noch nicht entschieden, ob der Planungsauftrag direkt die Umsetzung beider Phasen beinhaltet, oder ob nach der Phase I der Planungsauftrag für die Phase II neu ausgeschrieben wird.

Voraussetzung für die Beauftragung der Auftragsphase II ist, dass die Gremien des Kreises die Umsetzung einer der vom Bieter vorgeschlagenen Varianten beschließen.

 

Eignungskriterien:

Bewerber für den Planungsauftrag müssen Erfahrungen über Planung und Baubegleitung von vergleichbaren Abfallentsorgungsanlagen verfügen.

 

Ausschreibungsverfahren / Ausschreibungsablauf

Die Auswahl des Gutachters/Planers muss angesichts des voraussichtlichen Gesamthonorars über ein EU-weites Ausschreibungsverfahren erfolgen. Als Verfahren ist ein mehrstufiges sogenanntes Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgesehen, damit die Planer ihre Kompetenzen, ihre Herangehensweise und ihre Ideen im Auswahlverfahren darlegen können. Die Auswahl eines kompetenten und weitsichtigen Planers ist das „A und O“ für eine gelungene Erneuerung der WSAA-MBA.

Für die Durchführung eines solchen EU-weiten Verhandlungsverfahrens zur Auswahl eines geeigneten Planers ist die Einschaltung eines Vergaberechtsspezialisten erforderlich, der Erfahrung mit EU-weiten Verhandlungsverfahren für Planungsaufträge dieser Größenordnung hat und alle Ausschreibungsformalien beherrscht sowie die Verhandlungen leitet. Die Beratung umfasst auch eine Einschätzung, ob die Phasen I und II gemeinsam ausgeschrieben werden.

 

Projektstand und weiteres Verfahren

Der vorstehend genannte Vergaberechtsspezialist ist beauftragt. Derzeit werden die Unterlagen für den Teilnahmewettbewerb als erste Stufe für die Auswahl des Planungsbüros erarbeitet.

Wenn als Ergebnis der Ausschreibung ein Planungsbüro gefunden ist, wird über den Ablauf des Verfahrens, die Entscheidungsgründe und die Entscheidung berichtet.

Wenn die zukünftigen Varianten für die Erneuerung der WSAA-MBA erarbeitet sind, werden diese incl. ihrer Kosten und sonstigen Bewertungen diesem Ausschuss zur Entscheidung und Beschlussempfehlung für den Kreisausschuss oder Kreistag vorgelegt.

Anschließend startet die Umsetzung.