Beschlussempfehlung:
Der Planungs-, Klima- und Umweltausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zustimmend zur Kenntnis.
Sachverhalt:
Sachverhalt
Im Land NRW sind die kreisangehörigen Kommunen für
die Einsammlung von Abfällen aus Privathaushalten zuständig und die Kreise für
die weitere Entsorgung der eingesammelten Abfälle. Die 8 kreisangehörigen
Kommunen des Kreises mit zusammen etwa 450.000 Einwohnern liefern die folgenden
von ihnen eingesammelten Abfälle zur WSAA-Wertstoffsortier- und
Abfallbehandlungsanlage, Anlagenteil WSAA-MBA (für
Mechanisch-Biologische-Abfallbehandlung), des Kreises an:
- Restabfälle
(Graue Tonne),
- Sperrabfälle,
incl. Sperrabfälle, die an den beiden Kleinanlieferstellen
(Wertstoffhöfen) des Kreises angeliefert werden,
- Papier,
Pappe, Kartonagen (PPK) und
- Elektroaltgeräte.
Restabfälle werden über Magnet- und
Wirbelstromabscheider von Eisen- und Nichteisenmetallen entfrachtet und über
zwei Trommelsiebe in 4 Fraktionen klassiert. Die beiden kleineren Fraktionen
werden über 8 Rottereaktoren biologisch behandelt, die beiden gröberen
Fraktionen werden unmittelbar verladen. Beide Faktionen, das Grobgut und das
biologisch behandelte Feingut, werden verschiedenen Hausmüllverbrennungsanlagen
und Industriefeuerungen zugeführt. Eine tiefergehende Sortierung in
sortenreine, recyclingfähige Stoffströme (z.B. Papier, verschiedene
Kunststoffarten) ist bei gemischten Restabfällen inzwischen nicht mehr
praktikabel.
Sperrmüll wird per Bagger auf Abholfahrzeuge
umgeladen, in Drittanlagen nachsortiert und anschließend verwertet.
PPK wird geschreddert und zu Ballen gepresst.
Elektroaltgeräte werden nach den Gruppen gemäß dem Gesetz
über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung
von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG) in Container verladen zur
Abholung durch die Hersteller.
Weiterhin verfügt die WSAA-MBA über eine
Wertstofflinie. Dort werden sortenreine gewerbliche Abfälle wie Kartonagen und
sortenreine Kunststoffabfälle von Hand sortiert und anschließend zu Ballen
gepresst.
Neben der WSAA-MBA gibt es noch den Anlagenteil
WSAA-SBS in einem gesonderten Hallenkomplex. Dieser erzeugt Sonderbrennstoffe
aus Gewerbeabfällen. Die WSAA-SBS ist vom Kreis an die
EGN-Entsorgungsgesellschaft Niederrhein mbH verpachtet und wird von der EGN im
eigenen Namen und eigene Rechnung betrieben. Die vorliegenden Ausführungen
betreffen nur die WSAA-MBA.
Die WSAA-MBA und die WSAA-SBS liegen in einem noch
nicht verfüllten Abschnitt der Deponie Neuss-Grefrath. Der Kreis ist Eigentümer
der WSAA und des gesamten Standorts.
Zustand der WSAA-MBA
Gebäude:
Die Gebäude der WSAA-MBA wurden teilweise Anfang
der 1980er Jahre errichtet, teilweise in den Jahren 2000/2001. Die Gebäude
haben durch den Einfluss der Emissionen aus der Rotte ungewöhnlich stark
gelitten. Es stehen an: Die Entfernung der Wandelemente und der Dächer zur
Sanierung der Stahl-Tragwerke. Ohne Sanierung beträgt die Lebensdauer insbesondere
der Rottehalle voraussichtlich nur noch wenige Jahre bis zur Stilllegung aus
statischen Gründen.
Maschinentechnik:
Die Maschinentechnik wurde bis etwa 1999 zur
Sortierung von Verpackungsleichtstoffen („Gelbe Tonne“) genutzt. Nachdem die
Sortierung von Verpackungsleichtstoffen auf überregionale, größere Anlagen
konzentriert wurde, wurde die Maschinentechnik der WSAA-MBA zur Sortierung von
Hausmüll umgebaut. Durch automatische Sortiergeräte wurden Altpapier und
Kunststoffe aus dem Restabfall entnommen. Die Entnahme von Altpapier wurde
eingestellt, weil nach Einführung der getrennten Altpapiersammlung die
erforderlichen Sortiermengen und -qualitäten nicht mehr darstellbar waren.
Später wurde auch die Entnahme von Kunststoffen eingestellt, da nur eine
heizwertarme Fraktion zum Einsatz in Kraftwerken erzeugt werden konnte und das
dafür geeignete Kraftwerk nach der Aufteilung der früheren Trienekens AG nicht
mehr zur Verfügung stand. Die Maschinentechnik ist für den heutigen Einsatzzweck
(Klassierung Grob/Fein, Metallabscheidung) ineffizient und überdimensioniert.
Auch die Ballenpresse ist zunehmend störanfällig, eine Neuanschaffung erscheint
notwendig.
Rottetechnik:
Die Rottedauer beträgt etwa 10 Tage, im
Wesentlichen wird ein Masseverlust durch Wasserverlust realisiert. Der
Rotteverlust betrug in der Vergangenheit max. ca. 19%, bezogen auf den gesamten
Restabfall. Inzwischen ist er durch die vielfachen altersbedingten
Anlagenstillstände auf ca. 12 % gesunken. Die Rottereaktoren werden über ein
verfahrbares Eintragsgerät befüllt und über ein gleichfalls verfahrbares
Austragsgerät entleert. Das Austragsgerät koppelt jeweils an die in den
Rottereaktoren installierten Schubböden an. Beide Geräte haben das Ende ihrer
Lebensdauer erreicht und müssen erneuert werden. Zwei der acht Reaktoren sind
saniert, die anderen sechs weisen im Bereich der Böden eine tiefgreifende
Betonerosion auf. Die Armierung ist durch eingedrungenes Sickerwasser
korrodiert, hat sich dabei ausgedehnt und den darüber liegenden Betonbereich
(Auflage für die Schubbleche) abgehoben.
Sonstiges:
Die Steuerungstechnik wurde 2020 auf Stand
gebracht. Die Erneuerung der Rohre der Löschtechnik steht wegen des Verlustes
der VDS-Zertifizierung in 2022 an.
Instandhaltungszustand:
In Summe betragen die Kosten für die erforderlichen
Instandhaltungsmaßnahmen über 10 Mio. EUR. Diese werden bis zu einer
Grundsatzentscheidung – Instandsetzung oder Neubau – derzeit möglichst
aufgeschoben.
Planungsauftrag
Da die WSAA-MBA umfangreich instandgesetzt und
erneuert werden muss, ist damit auch der Zeitpunkt gekommen, um über das
zukünftige Behandlungskonzept zu entscheiden. Die mechanische-biologische
Restabfallbehandlung war in der Vergangenheit modern und richtungsweisend, sie
muss aber anhand der heutigen und zukünftigen Anforderungen überprüft und ggfs.
geändert werden. Die Abfallzusammensetzung hat sich in den vergangenen
Jahrzehnten durch eine intensivere Abfalltrennung verändert und es sind auch
neue Kriterien – Stichwort Klimaschutz – hinzugetreten. Für diese
Entscheidungen ist die Hilfe eines kompetenten Fachplaners erforderlich. Der
Planungsauftrag soll in folgenden Phasen ablaufen:
Phase I
Dem Kreis und seinen Entscheidungsgremien sollen
die Grundlagen für eine Entscheidung über die Art und ggfs. den Ort der
zukünftigen Abfallbehandlung bereitgestellt werden.
Gegenstand der Phase I ist ein Variantenvergleich.
Dazu sind die sinnvollen Varianten zunächst zu definieren, z.B.:
- Instandsetzung
der vorhandenen Anlage,
- Neubau
der vorhandenen Anlage mit grundsätzlich gleicher Konzeption,
- Neubau
einer neuen Anlage ohne Rotte, d.h. einfache Klassierung in 2 Korngrößen
zur Erzeugung von 2 unterschiedlichen Brennstoffqualitäten, ggfs.
Weiternutzung der vorhandenen Verladung,
- Neubau
einer reinen Umladung per Bagger oder Radlader.
- Neubau
einer Anlage mit einem innovativen Verfahren (noch zu spezifizieren)
Zur Prüfung der Varianten sind Kriterien zu
entwickeln und die Varianten zu bewerten. Beispiele für die Kriterien:
- Kann
die Umsetzung am selben Standort unter Aufrechterhaltung zumindest einer
Abfall-Umladung erfolgen, oder ist ein neuer Standort erforderlich?
- Wirtschaftliche
Bewertung, überschlägiger Kostenvergleich der Varianten,
- Abfallwirtschaftliche
Bewertung (mehr Recycling, Reduktion der Verbrennungsmenge), dabei auch
Betrachtung von möglichen zukünftigen Änderungen der Abfallzusammensetzung
(z.B. Intensivierung der getrennten Bioabfallsammlung),
- Bewertung
unter Klimaschutzaspekten.
Phase II
Nach der Vorlage der ausgearbeiteten Varianten und
der Entscheidung des Kreises für eine der Varianten soll die gewählte Variante umgesetzt
werden. Es ist noch nicht entschieden, ob der Planungsauftrag direkt die Umsetzung
beider Phasen beinhaltet, oder ob nach der Phase I der Planungsauftrag für die
Phase II neu ausgeschrieben wird.
Voraussetzung für die Beauftragung der
Auftragsphase II ist, dass die Gremien des Kreises die Umsetzung einer der vom
Bieter vorgeschlagenen Varianten beschließen.
Eignungskriterien:
Bewerber für den Planungsauftrag müssen Erfahrungen
über Planung und Baubegleitung von vergleichbaren Abfallentsorgungsanlagen
verfügen.
Ausschreibungsverfahren / Ausschreibungsablauf
Die Auswahl des Gutachters/Planers muss angesichts
des voraussichtlichen Gesamthonorars über ein EU-weites Ausschreibungsverfahren
erfolgen. Als Verfahren ist ein mehrstufiges sogenanntes Verhandlungsverfahren
mit Teilnahmewettbewerb vorgesehen, damit die Planer ihre Kompetenzen, ihre
Herangehensweise und ihre Ideen im Auswahlverfahren darlegen können. Die
Auswahl eines kompetenten und weitsichtigen Planers ist das „A und O“ für eine
gelungene Erneuerung der WSAA-MBA.
Für die Durchführung eines solchen EU-weiten
Verhandlungsverfahrens zur Auswahl eines geeigneten Planers ist die
Einschaltung eines Vergaberechtsspezialisten erforderlich, der Erfahrung mit
EU-weiten Verhandlungsverfahren für Planungsaufträge dieser Größenordnung hat
und alle Ausschreibungsformalien beherrscht sowie die Verhandlungen leitet. Die
Beratung umfasst auch eine Einschätzung, ob die Phasen I und II gemeinsam
ausgeschrieben werden.
Projektstand und weiteres Verfahren
Der vorstehend genannte Vergaberechtsspezialist ist
beauftragt. Derzeit werden die Unterlagen für den Teilnahmewettbewerb als erste
Stufe für die Auswahl des Planungsbüros erarbeitet.
Wenn als Ergebnis der Ausschreibung ein
Planungsbüro gefunden ist, wird über den Ablauf des Verfahrens, die
Entscheidungsgründe und die Entscheidung berichtet.
Wenn die zukünftigen Varianten für die Erneuerung
der WSAA-MBA erarbeitet sind, werden diese incl. ihrer Kosten und sonstigen
Bewertungen diesem Ausschuss zur Entscheidung und Beschlussempfehlung für den
Kreisausschuss oder Kreistag vorgelegt.
Anschließend startet die Umsetzung.