Betreff
Sachstand Ukraine
Vorlage
50/1371/XVII/2022
Art
Mitteilung

Sachverhalt:

Zum Stichtag 19.05.2022 befanden sich 3.971 gemeldete ukrainische Geflüchtete im Rhein-Kreis Neuss.

 

Mit Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 07.04.2022 wurde festgelegt, dass Geflüchtete aus der Ukraine künftig wie anerkannte hilfebedürftige Asylsuchende finanziell unterstützt werden und nach positiver Entscheidung über ihren Asylantrag Leistungen nach dem SGB II / SGB XII erhalten.

 

Gesetzlich konkretisiert wird dies künftig in § 74 SGB II, der durch Artikel 1 des Entwurfes eines Gesetzes zur Regelung eines Sofortzuschlages für Kinder und einer Einmalzahlung an erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme aus Anlass der COVID-19-Pandemie (Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetz) neu gefasst werden soll.

 

Nach derzeitigem Stand des Gesetzgebungsverfahrens haben ab dem 01.06.2022 aus der Ukraine Geflüchtete einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, die durch die Ausländerbehörde erkennungsdienstlich behandelt worden sind und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG  oder eine Fiktionsbescheinigung besitzen.

 

Für Personen, denen eine Fiktionsbescheinigung oder ein entsprechender Aufenthaltstitel nach dem 24.02.2022 und vor dem 01.06.2022 ausgestellt wurde,  reicht die Speicherung der Daten im Ausländerzentralregister aus. Eine nicht durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlung muss bis 31.10.2022 nachgeholt werden, ein Versäumnis der Behörde darf nicht zu Lasten der Leistungsberechtigten gehen.

 

Die Beschlussfassung durch den Bundesrat ist am 20.05.2022 erfolgt.

 

Umsetzung im Rhein-Kreis Neuss:

 

Grundsätzlich wird ein vereinfachtes und möglichst unbürokratisches Verfahren zum Leistungsübergang angestrebt; Ziel ist neben dem zeitnahen Übergang ins SGB II insbesondere der lückenlose Leistungsbezug während des Systemwechsels.

Die für die Anlage im Fachverfahren ALLEGRO erforderlichen persönlichen Daten liegen den Kommunen bereits vor. Eine Weiterleitung dieser Daten an das Jobcenter ermöglicht die Anlage der Fälle im Fachverfahren bereits vor der ersten Vorsprache der ukrainischen Geflüchteten und beschleunigt den Umstellungsprozess erheblich. Die Übermittlung der Leistungsakten erfolgt sukzessive per Scan an eine durch das Jobcenter eigens dafür eingerichtete Emailadresse.

 

Um den Ressourceneinsatz effizient zu planen, wurden dem Jobcenter bereits im Vorfeld die Strukturdaten der Geflüchteten durch die Kommunen zur Verfügung gestellt.

 

Aufgrund der Vielzahl der ukrainischen Geflüchteten wird eine flächendeckende Umstellung zum 01.06.2022 nicht in Gänze erfolgen können, sodass es zu vorläufigen Leistungen der Kommunen kommen wird, die durch das Jobcenter zu erstatten sind.  Hier wird ein praxisnahes Erstattungsverfahren etabliert, das den Geflüchteten den lückenlosen Leistungszugang gewährleistet.

 

Zu diesem Zweck wird eine Erstattungsvereinbarung zwischen den Kommunen und dem Jobcenter abgeschlossen. Die Kommunen verpflichten sich, alle Anträge an das Jobcenter weiterzuleiten und eine Tabelle mit den Namen aller ukrainischen Geflüchteten zu übersenden, die dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben könnten. Mit der Übersendung dieser Liste werden dem Grunde nach etwaige Erstattungsansprüche gegenüber dem Jobcenter geltend gemacht.

 

Das Jobcenter verpflichtet sich, den Kommunen unverzüglich mitzuteilen, wenn Fälle im System SGB II zahlbar gemacht werden, spätestens jedoch zwei Tage vor dem für die Kommunen festgelegten Rechenlauf des Sozialhilfefachverfahrens KDN. Die Erfassung der bereits zur Zahlung angewiesenen Fälle im System SGB II wird über gesonderte Listen erfolgen, die Einstellung der Fälle im System AsylbLG wird erst nach Mitteilung der Zahlungsaufnahme durch das Jobcenter vorgenommen.

 

Nach Einstellung der Fälle erfolgt die Bezifferung des Erstattungsanspruchs durch die Kommunen.

 

Durch den Rechtskreiswechsel ergeben sich für den Rhein-Kreis Neuss zwei wesentliche Finanzrisiken.  Das Renteneintrittsalter liegt in der Ukraine für Männer bei 60 Jahren, für Frauen bei 57,5 Jahren, diese Personen werden somit nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Aufgrund der mangelnden Voraussetzungen für Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII (Nichtvorliegen der Altersgrenze, aktuell 65 Jahre und 10 Monate) kommen für diesen Personenkreis nur Leistungen nach dem 3. Kapitel SGB XII in Frage. Die Kostenträger für diese Leistungen sind die örtlichen Träger der Sozialhilfe, somit der Rhein-Kreis Neuss. Nach derzeitigem Stand schätzt die Verwaltung die finanzielle Belastung des Kreishaushaltes ab dem 01.06.2022 auf rund 140.000 € monatlich.

 

Zudem bietet sich nach derzeitigem Kenntnisstand für die ukrainischen Geflüchteten, die bereits das Renteneintrittsalter erreicht haben und bisher über keinen Krankenversicherungsschutz verfügen, keine Möglichkeit der Aufnahme in eine gesetzliche Krankenversicherung. Das bedeutet, dass dieser Personenkreis nach § 264 SGB V versichert werden muss und die Kosten durch den Rhein-Kreis Neuss zu tragen sind. Diese umfassen die vollständige Übernahme der Krankenbehandlungskosten nach den Maßstäben der gesetzlichen Krankenversicherung zuzüglich einer Verwaltungskostenpauschale von 5 %, die gegenüber den Krankenkassen zu erstatten sind. Der Landkreistag wurde durch die Verwaltung bereits auf diesen Umstand hingewiesen.