Sachverhalt:
Durch die Änderung einer Vielzahl bundesrechtlicher Regelungen in 2022 (u. a. Raumordnungsrecht, Bauplanungsrecht, Immissionsschutzrecht, Naturschutzrecht, Energiewirtschaftsrecht, Recht der erneuerbaren Energien und deren Finanzierung, Recht der Windenergie an Land und auf See) sollen Ausbau und Nutzung erneuerbarer Energien gefördert und beschleunigt werden:
· Das Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Zusammenhang mit dem Klimaschutz-Sofortprogramm und zu Anpassungen im Recht der Endkundenbelieferung ist im Wesentlichen am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten.
· Das Gesetz zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor enthält als Art. 1 eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft getreten ist. Für die zahlreichen weiteren Gesetzesänderungen sind in Art. 20 unterschiedliche Zeitpunkte des Inkrafttretens vorgesehen.
· Das Zweite Gesetz zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes und anderer Vorschriften tritt im Wesentlichen am 01.01.2023 in Kraft.
· Das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land enthält das Windenergieflächenbedarfsgesetz sowie diesbezügliche Änderungen im Baugesetzbuch, die sämtlich am 01.02.2023 in Kraft treten.
· Das Vierte Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ist ganz überwiegend am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten. Lediglich die neue Regelung für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen in Landschaftsschutzgebieten tritt erst am 01.02.2023 in Kraft.
Die Gesetzesänderungen wurden am 28.07.2022 im Bundesgesetzblatt verkündet.
Aufgrund der Vielzahl der Änderungen und deren Komplexität müssen diese zunächst umfassend geprüft und auf ihre Auswirkungen untersucht werden.
Zu den Änderungen des BNatSchG (als Dokument im Informationsportal abgelegt) kann einstweilen Folgendes festgestellt werden:
1.
Ab 01.02.2023 können Verbote für
Landschaftsschutzgebiete außerhalb von Natura-2000-Gebieten und Gebieten zum
Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt einer Windenergieanlage (WEA) nicht
mehr entgegengehalten werden, wenn sie in einem Windenergiegebiet nach dem
Windenergieflächenbedarfsgesetz liegt.
Auch außerhalb eines solchen Windenergiegebietes können diese Verbote nicht
entgegengehalten werden, bis bestimmte Flächenbeitragswerte in einem Bundesland
oder Teilflächenziele in einer Region oder Kommune erreicht und festgestellt
wurden.
Einer Ausnahme oder Befreiung von Verboten in Landschaftsschutzgebieten bedarf
es dann nicht mehr.
2.
Die artenschutzfachliche und –rechtliche
Beurteilung des Tötungs- und Verletzungsrisikos für kollisionsgefährdete
Brutvogelarten im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb von WEA wurde
standardisiert (Artenliste und Abstandsliste). Gleichwohl ist eine Einzelfallprüfung
nach wie vor geboten. Eine signifikante Erhöhung des Tötungs- oder Verletzungsrisikos
ist nur dann generell auszuschließen, wenn der Abstand zwischen Brutplatz der
Brutvogelart und WEA größer ist, als ein erweiterter Prüfbereich.
3.
Es wurden Schwellenwerte für die Zumutbarkeit
der Kosten fachlich anerkannter Schutzmaßnahmen (insbesondere kleinräumige
Standortwahl, Antikollisionssysteme, Abschaltung, Anlage von Ausweichhabitaten Attraktivitätssenkung
im Nahbereich) für die kollisionsgefährdeten Brutvogelarten und andere
besonders geschützte Arten festgelegt. Die Berechnung erfolgt nach einem
komplizierten Berechnungsverfahren.
4.
Das Anbringen von Nisthilfen für
kollisionsgefährdete Vogel- und Fledermausarten im Umkreis von 1.500 m um
errichtete WEA und in Windenergiegebiete nach Raumordnungsplan oder
Flächennutzungsplan ist untersagt.
5.
Mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen für
artenschutzrechtliche Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG liegt der Betrieb von
WEA im überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen
Sicherheit, sind Standortalternativen je nach Planung auf der Ebene der
Raumordnung oder Bauleitplanung nicht zumutbar und werden Vorgaben für die
Prüfung einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes gemacht.
6.
Eine artenschutzrechtliche Ausnahme für WEA nach
§ 45 Abs. 7 BNatSchG ist zu erteilen (gebundene Entscheidung statt
Ermessensentscheidung), wenn die Voraussetzungen nach S. 1 – 3 der Vorschrift
vorliegen.
7.
Vergleichbare Regelungen für das Repowering von
WEA unter Berücksichtigung der bestehenden Auswirkungen der Bestandsanlage.
Standortalternativen regelmäßig nicht zumutbar, außer bei Lagen in
Natura-2000-Gebieten mit kollisionsgefährdeten oder störungsempfindlichen
Vogel- oder Fledermausarten.
8.
Aufstellung nationaler Artenhilfsprogramme
betroffener Arten durch das BfN.
9.
Leistung einer jährlichen Zahlung in Geld als
zweckgebundene Abgabe an den Bund bei Erteilung einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7
bei nur Nicht-Verschlechterung des Erhaltungszustandes einer Population auf
Landes- oder Bundesebene. Zweckbindung für Artenhilfsprogramme des BfN.
10. Verschiedene
Verordnungsermächtigungen an die Bundesregierung zur Detaillierung der
Bestimmungen.
11. Prüfung
der Einführung einer Wahrscheinlichkeitsberechnung der Kollisionswahrscheinlichkeit
durch das Bundesumweltministerium mit dem Bundeswirtschaftsministerium unter Einbeziehung
der maßgeblich betroffenen Verbände und Berichtspflicht an das Bundeskabinett
bis 30.06.2023. Evaluierung der geänderten Bestimmungen zum Artenschutz bei WEA
ab 01.02.2023 für zwei Jahre, danach alle drei Jahre.
12. Übergangs- und Schlussvorschriften.