Beschlussempfehlung:

Der Beirat bei der Unteren Naturschutzbehörde erhebt keinen Widerspruch gegen die Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 Ziff. 1 BNatSchG im Rahmen des Plangenehmigungsverfahrens nach § 68 WHG für die Reaktivierung der Gräben im Hoppbruch nach der Planung des Städtischen Abwasserbetriebs der Stadt Korschenbroich vom Dezember 2019 in der aktualisierten Fassung vom Juni 2021.


Sachverhalt:

Der Städtische Abwasserbetrieb Korschenbroich plant die Reaktivierung des Grabensystems im Bereich Hoppbruch, Stadt Korschenbroich.

 

Das Grabensystem diente bis in die 1970er Jahre zur Entwässerung der dortigen Niederungsbereiche. Infolge der Grundwasserabsenkung durch den Tagebau fielen die Gräben trocken und verlandeten.

 

Da der Wiederanstieg des Grundwassers in diesem Raum auf das frühere Niveau prognostiziert ist, ist eine Wiederherstellung des Grabensystems zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit erforderlich.

 

Zunächst ist vorgesehen, in einem 1. Bauabschnitt den Broicher Graben in seinem Abschnitt zwischen Stationierung 0+207.820 und Stationierung 0+891.084 wiederherzustellen. In den Antragsunterlagen ist zum besseren Verständnis des Zusammenhangs nachrichtlich das Gesamtprojekt dargestellt.

 

Um ökologisch empfindliche Bereiche so weit wie möglich zu schonen, wird der Graben neu trassiert und an den Rand des Untersuchungsraums verlegt.

 

Dies bedarf eines Plangenehmigungsverfahrens nach § 68 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Ein entsprechender Antrag wurde bei der Unteren Wasserbehörde eingereicht.

 

Der Standort liegt nahezu vollständig im festgesetzten Landschaftsschutzgebiet 6.2.2.11 „Hoppbruch“ nach dem Landschaftsplan III – Meerbusch / Kaarst / Korschenbroich – des Rhein-Kreises Neuss. Die Unterschutzstellung dieses Landschaftsschutzgebietes erfolgte insbesondere

 

·         aufgrund der Bedeutung des kleinflächigen Mosaiks von Wiesen und Weideflächen, Waldflächen und Gräben für die Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes und

·         aufgrund seiner Bedeutung für die Erholung.

 

Die zur Wiederherstellung des Grabens erforderlichen Maßnahmen stehen im Widerspruch zu den für Landschaftsschutzgebiete nach dem Landschaftsplan III festgesetzten Verboten. Hier bedarf es der Gewährung von Befreiung nach § 67 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Diese wurde seitens des Städtischen Abwasserbetriebs beantragt. Sie wird im Fall der Gewährung Teil eines Plangenehmigungsbescheides nach § 68 WHG (Konzentrationswirkung der Plangenehmigung). Gleichwohl sind die Befreiungsvoraussetzungen wie im Fall eines eigenständigen Bescheides der Unteren Naturschutzbehörde zu prüfen.

 

Nach § 67 Abs. 1 Ziff. 1 BNatSchG i. V. m. § 75 Abs. 1 LNatSchG NRW kann auf Antrag u. a. von den Geboten und Verboten des Landschaftsplanes durch die Untere Naturschutzbehörde Befreiung gewährt werden, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art notwendig ist.

 

Die Reaktivierung der Entwässerungsgräben im Bereich Hoppbruch liegt im öffentlichen Interesse. Das reaktivierte Grabensystem soll in der Lage sein, neben grundwasserbürtigen Zuflüssen bei sehr hohen Grundwasserständen nach Wiederanstieg des Grundwasserspiegels durch die Beendigung der tagebaubedingten Sümpfungsmaßnahmen auch hohe Niederschlagsmengen schadlos abzuführen. Hierbei sollen auch nach hydraulischen Berechnungen überlastete weitere Gräben entlastet werden.

 

Dieses öffentliche Interesse überwiegt nach Auffassung der Unteren Naturschutzbehörde das ebenfalls öffentliche Interesse an der unbeeinträchtigten Beibehaltung der heutigen Situation im Landschaftsschutzgebiet.

 

Durch die Neutrassierung des Grabens und seine Verlegung an den Rand des Untersuchungsgebietes wird die Inanspruchnahme ökologisch hochwertiger und empfindlicher Bereiche weitestgehend vermieden. Unvermeidliche Eingriffe in bestehende Strukturen (Verlust bzw. Reduzierung) können wie folgt festgestellt werden:

 

·         rd. 270 qm Laubwald

·         rd. 3.150 qm Gehölzstreifen

·         rd. 170 qm Streuobstwiese

·         rd. 7.000 qm Intensivweide

·         rd. 6.890 qm Intensivacker

 

Hinzu kommen baubedingte temporäre Flächenbeeinträchtigungen durch Baustellenzufahrten, Lagerflächen, Verdichtung, Lärm und Erschütterung. Vorhandene Wege werden so weit wie möglich genutzt. Für Lager- und Baustelleneinrichtungsbereiche werden so weit wie möglich befestigte Flächen oder ökologisch geringwertige Bereiche herangezogen.

 

Die Realisierung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände steht nach gutachtlicher Prüfung und Einschätzung bei Beachtung von vorgegebenen Vermeidungsmaßnahmen nicht zu erwarten.

 

Der mit dem Vorhaben verbundene Eingriff in Natur und Landschaft i. S. d. §§ 14 Abs. 2 BNatSchG, 30 Abs. 1 LNatSchG NRW kann durch Kompensationsmaßnahmen nach § 15 Abs. 2 BNatSchG kompensiert werden. Es verbleibt ein Kompensationsüberschuss im Umfang von rd. 16.500 ÖWP (Numerische Bewertung von Biotoptypen für die Eingriffsregelung in NRW). Die detaillierten Angaben zur Bilanzierung des mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffs in Natur und Landschaft können der Landschaftspflegerischen Begleitplanung entnommen werden.

 

Sollten Höhlen tragende Bäume gefällt werden müssen, werden diese durch das Anbringen einer doppelten Anzahl von Fledermauskästen an geeigneten Standorten in der Nähe kompensiert.

 

Nach alledem kann die beantragte Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG im Rahmen der Plangenehmigung gem. § 68 WHG aus Sicht der Unteren Naturschutzbehörde gewährt werden.