Sachverhalt:
Bericht von der Delegiertenversammlung des RGRE
Der
Rhein-Kreis Neuss ist Mitglied in der Deutschen Sektion des Rates der Gemeinden
und Regionen Europas (RGRE), einem eingetragenen Verein mit Sitz in Köln. Die
Deutsche Sektion des RGRE unterstützt die Bildung eines bürgernahen, starken
und handlungsfähigen Europas. Zu ihren Aufgaben gehört u. a. die Beratung und
Information seiner Mitglieder in kommunalrelevanten Fragen der Europäischen
Union und des Europarates und die Vertretung deutscher kommunaler Interessen im
europäischen Einigungsprozess. Der Rhein-Kreis Neuss ist in dem AK
EU-/Förderreferenten (für Verwaltungsmitarbeiter/innen), der zweimal jährlich
tagt, vertreten.
Die Delegiertenversammlung
ist oberstes Organ der Deutschen Sektion des RGRE und tagt alle vier Jahre.
Die Deutsche Sektion hatte mit Schreiben vom 07.12.2022 für den 24./25.03.2022
zur Delegiertenversammlung nach Hannover eingeladen. Für den Rhein-Kreis Neuss haben an der
Versammlung drei Kreistagsabgeordnete teilgenommen, die stellv. Landrätin und Vorsitzende des Partnerschaftskomitees
Europäische Nachbarn, Angela Stein-Ulrich, und die Kreistagsabgeordneten
Wolfgang Kaisers und Dilek Haupt, als Gast zusätzlich Kreistagsabgeordnete Dr.
Martina Flick sowie Ruth Harte vom Europabüro des Rhein-Kreises Neuss.
Die
Delegiertenversammlung dient neben der Wahl der Führungspositionen (Präsident
und Vizepräsident) und der Neuwahl der satzungsmäßigen Gremien (Präsidium und
Hauptausschuss) auch immer der Auseinandersetzung mit einem aktuellen EU-Thema.
Das Thema für die Delegiertenversammlung
2022 lautete „Europas Zusammenhalt = Europas Zukunft“.
Neben
Grußworten und Reden, die sich mit dem Thema befassten, war am ersten Tag der
Richter am Bundesverfassungsgericht, Professor Peter Huber, zu einem Vortrag
eingeladen, und per Videoschalte richtete der Regionalminister der Ukraine einen
Sachbericht und ein Dankeswort an die versammelten Delegierten. Am Nachmittag
tagten Workshops zu den Themen „Kommunale Partnerschaften: Basis der
Zusammenarbeit“, „Europa mit den Kommunen gestalten: Konferenz zur Zukunft
Europas“ und „EU-Förderperiode 2021 – 2027: Neue Prioritäten und
Möglichkeiten“. Am darauffolgenden Tag stand der Vortrag „Europas Zukunft:
grün, digital und kommunal“? im Mittelpunkt; hierzu berichtete Stefanie
Hiesinger aus dem Kabinett von Exekutiv-Präsident der Europäischen Kommission,
Frans Timmermans vom Stand der Umsetzung des European Green Deal.
In seinem einleitenden
Grußwort betonte Staatssekretär Matthias Wunderlich-Weilbier, Ministerium für
Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung des Landes
Niedersachsen, dass der Ukraine-Krieg deutlich
gezeigt habe, dass Europa nur eine gute Zukunft haben könne, wenn der
Zusammenhalt gewährleistet sei. Schon die vergangenen Krisen hätten gezeigt,
dass jeweils neue, große Herausforderungen zu einem größeren Zusammenhalt
geführt hätten (z.B. der Brexit). Europa sei in erster Linie ein Projekt der
Bürger/innen und könne daher neue Herausforderungen und einen wirtschaftlichen
Wettbewerb nur durch einen starken, inneren Zusammenhalt bestehen, denn
Demokratie und Zusammenhalt bedingten sich gegenseitig. Eine neue Chance auf
einen neuen aktuellen Zusammenhalt biete die Konferenz zur Zukunft Europas, die
erstmals durch die bekannte online-Plattform in der Breite allen
EU-Bürger/innen eine Stimme zu zentralen Zukunftsthemen der EU gebe. Es sei
daher wichtig, Bürger/innen und Kommunen gleichermaßen noch stärker in die
EU-Politik einzubeziehen, und er begrüßte in diesem Zusammenhang die
Fortsetzung der EU-Kohäsionspolitik, durch die auch die Umsetzung des European
Green Deal möglich werde.
Nachfolgend
berichtete der Regionalminister der
Ukraine über die Schwierigkeiten die generelle Versorgung in der Ukraine
aufrechtzuerhalten und machte zugleich auf den Kampfgeist und das
Durchhaltevermögen seiner Landsleute aufmerksam; er dankte auch Deutschland und
seinen Bürger/innen für die materielle und sächliche Unterstützung, dies gebe
vor allem den betroffenen Ukrainer/innen Mut und Hoffnung. Zum Schluss brachte
er seine persönliche Hoffnung zum Ausdruck, dass Deutschland auch weiterhin an
der Seite der Ukraine bleiben werde und überbrachte den Wunsch seiner
Landsleute, dass die Ukraine möglichst bald Mitglied der EU werden könne.
In seinem Vortrag betonte
Professor Huber, dass Europa eine Rechtsgemeinschaft
sei und als solche wahrgenommen werden müsse, doch sei festzuhalten, dass die
Rechtsstaatlichkeit nicht immer gewährleistet sei. Für die Zukunft wünschte er
sich:
- dass die
Kompetenzverteilung in der EU ernster genommen werde,
- mehr Kontrolle von
EU-Vorgaben durch die Europäische Kommission erfolge und
- die Rolle des
Europäischen Parlaments gestärkt werde und verwies darauf, dass es bisher
kaum Wissen über dieses wichtige EU-Organ, seine Mitglieder und das
fehlende Initiativrecht gebe.
Über
den Workshop „Kommunale Partnerschaften:
Basis des Zusammenhalts“ wird in der Sitzung die Vorsitzende berichten.
Im
Workshop „Europa mit den Kommunen
gestalten: Konferenz zur Zukunft Europas“ waren sich alle Referent/innen
einig (u.a. Linn Selle, Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschlands, MdB
Axel Schäfer, Mitglied in der Konferenz zur Zukunft Europas, MdEP Niklas
Nienaß, Mitglied der Delegation des EP in der Konferenz zur Zukunft Europas und
Dr. Mark Speich, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie
Internationales des Landes NRW), dass die Wünsche und Forderungen, die die
Bürger/inne auf der Plattform geäußert hätten (z.B. jährliche Konferenz zur
Rechtsstaatlichkeit, stärkere Einsetzung Einstimmigkeitsprinzip), in absehbarer
Zeit aufgegriffen und umgesetzt werden müssten; dafür sei es notwendig, einen
Verfassungskonvent einzuberufen, und es sei erfreulich, dass sich die neue
Koalitionsregierung offen auch für die Änderung der Verträge von Lissabon
gezeigt habe.
In ihrem Vortrag „Europas
Zukunft: grün, digital und kommunal?“ erläuterte Stefanie Hiesinger vom
Kabinett Timmermanns, dem Exekutivpräsidenten der Europäischen Kommission, den
European Green Deal, diesen habe die Europäische Kommission als neues
Wachstumsmodell ins Leben gerufen und betonte zugleich, dass die Bekämpfung des
Klimawandels das wichtigste Thema der EU bleibe. Ziel sei es, Europa bis 2050
zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen und bis 2030 Einsparungen in Höhe
von 55 Prozent CO2 im Vergleich zum Ausgangsjahr 1990 zu erzielen. Das
Europäische Klimagesetz, das Ende Juni 2021 angenommen wurde, umfasse 50
Maßnahmen, u.a. ein erweitertes Emissionshandelssystem (EHS), das in Zukunft
auch die Bereiche Gebäude und Verkehr mit einbeziehen werde. Das EHS ermögliche
nicht nur eine Reduzierung von CO2, sondern stärke auch die technologischen
Innovationen. Von den Einnahmen aus dem EHS sollten 25 Prozent (72 Mrd. Euro)
in den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Klimafonds fließen, der
von den EU-Mitgliedstaaten durch eine ebenso hohe Summe ergänzt werden soll.
Diese Gelder sollten dann u.a. in den einzelnen Mitgliedstaaten als
Einkommensbeihilfe an die sozial besonders von den neuen Klimaanforderungen
betroffenen Menschen ausgezahlt werden.
Das
Paket „Fit für 55“ (Überarbeitung der klima-, energie-und verkehrsbezogenen
EU-Rechtsvorschriften) und „REPower EU“ (Anhebung der prozentualen Nutzung von
Erneuerbaren Energien von 40 auf 45 % bis 2030 und Zurverfügungstellung
entsprechender EU-Finanzmittel aus der Aufbau- und Resilienzfaszilität der EU
sowie aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten) sollten EU-weit zu einer
weitreichenden Einsparung von CO2 beitragen.
In
diesem Zusammenhang machte Hiesinger deutlich, dass die Kommunen für die
Europäische Kommission entscheidende Partner für einen praxisnahen Umbau der
Energiewirtschaft und für den Kontakt zu den Bürger/innen seien. Der Umbau des
Energiesystems werde jährlich 350 Mrd. Euro (incl. privater Finanzmittel)
erfordern und die Kommunen würden für 50 Prozent der notwendigen Investitionen verantwortlich
sein; es gebe allerdings regionale Unterschiede und finanzielle Fähigkeiten mit
den künftigen Herausforderungen umzugehen, daher sei zwischen den
EU-Mitgliedstaaten und den Regionen in der EU Solidarität erforderlich, um die
sozialen Folgen für die Menschen abfedern zu können.