Betreff
Bericht von der Delegiertenversammlung des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE)
Vorlage
ZS5/1568/XVII/2022
Art
Bericht

Sachverhalt:

Bericht von der Delegiertenversammlung des RGRE

Der Rhein-Kreis Neuss ist Mitglied in der Deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE), einem eingetragenen Verein mit Sitz in Köln. Die Deutsche Sektion des RGRE unterstützt die Bildung eines bürgernahen, starken und handlungsfähigen Europas. Zu ihren Aufgaben gehört u. a. die Beratung und Information seiner Mitglieder in kommunalrelevanten Fragen der Europäischen Union und des Europarates und die Vertretung deutscher kommunaler Interessen im europäischen Einigungsprozess. Der Rhein-Kreis Neuss ist in dem AK EU-/Förderreferenten (für Verwaltungsmitarbeiter/innen), der zweimal jährlich tagt, vertreten.

 

Die Delegiertenversammlung ist oberstes Organ der Deutschen Sektion des RGRE und tagt alle vier Jahre. Die Deutsche Sektion hatte mit Schreiben vom 07.12.2022 für den 24./25.03.2022 zur Delegiertenversammlung nach Hannover eingeladen. Für den Rhein-Kreis Neuss haben an der Versammlung drei Kreistagsabgeordnete teilgenommen, die stellv. Landrätin und Vorsitzende des Partnerschaftskomitees Europäische Nachbarn, Angela Stein-Ulrich, und die Kreistagsabgeordneten Wolfgang Kaisers und Dilek Haupt, als Gast zusätzlich Kreistagsabgeordnete Dr. Martina Flick sowie Ruth Harte vom Europabüro des Rhein-Kreises Neuss.

 

Die Delegiertenversammlung dient neben der Wahl der Führungspositionen (Präsident und Vizepräsident) und der Neuwahl der satzungsmäßigen Gremien (Präsidium und Hauptausschuss) auch immer der Auseinandersetzung mit einem aktuellen EU-Thema. Das Thema für die Delegiertenversammlung 2022 lautete „Europas Zusammenhalt = Europas Zukunft“.

Neben Grußworten und Reden, die sich mit dem Thema befassten, war am ersten Tag der Richter am Bundesverfassungsgericht, Professor Peter Huber, zu einem Vortrag eingeladen, und per Videoschalte richtete der Regionalminister der Ukraine einen Sachbericht und ein Dankeswort an die versammelten Delegierten. Am Nachmittag tagten Workshops zu den Themen „Kommunale Partnerschaften: Basis der Zusammenarbeit“, „Europa mit den Kommunen gestalten: Konferenz zur Zukunft Europas“ und „EU-Förderperiode 2021 – 2027: Neue Prioritäten und Möglichkeiten“. Am darauffolgenden Tag stand der Vortrag „Europas Zukunft: grün, digital und kommunal“? im Mittelpunkt; hierzu berichtete Stefanie Hiesinger aus dem Kabinett von Exekutiv-Präsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans vom Stand der Umsetzung des European Green Deal.

 

In seinem einleitenden Grußwort betonte Staatssekretär Matthias Wunderlich-Weilbier, Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung des Landes Niedersachsen, dass der Ukraine-Krieg deutlich gezeigt habe, dass Europa nur eine gute Zukunft haben könne, wenn der Zusammenhalt gewährleistet sei. Schon die vergangenen Krisen hätten gezeigt, dass jeweils neue, große Herausforderungen zu einem größeren Zusammenhalt geführt hätten (z.B. der Brexit). Europa sei in erster Linie ein Projekt der Bürger/innen und könne daher neue Herausforderungen und einen wirtschaftlichen Wettbewerb nur durch einen starken, inneren Zusammenhalt bestehen, denn Demokratie und Zusammenhalt bedingten sich gegenseitig. Eine neue Chance auf einen neuen aktuellen Zusammenhalt biete die Konferenz zur Zukunft Europas, die erstmals durch die bekannte online-Plattform in der Breite allen EU-Bürger/innen eine Stimme zu zentralen Zukunftsthemen der EU gebe. Es sei daher wichtig, Bürger/innen und Kommunen gleichermaßen noch stärker in die EU-Politik einzubeziehen, und er begrüßte in diesem Zusammenhang die Fortsetzung der EU-Kohäsionspolitik, durch die auch die Umsetzung des European Green Deal möglich werde.

Nachfolgend berichtete der Regionalminister der Ukraine über die Schwierigkeiten die generelle Versorgung in der Ukraine aufrechtzuerhalten und machte zugleich auf den Kampfgeist und das Durchhaltevermögen seiner Landsleute aufmerksam; er dankte auch Deutschland und seinen Bürger/innen für die materielle und sächliche Unterstützung, dies gebe vor allem den betroffenen Ukrainer/innen Mut und Hoffnung. Zum Schluss brachte er seine persönliche Hoffnung zum Ausdruck, dass Deutschland auch weiterhin an der Seite der Ukraine bleiben werde und überbrachte den Wunsch seiner Landsleute, dass die Ukraine möglichst bald Mitglied der EU werden könne.

 

In seinem Vortrag betonte Professor Huber, dass Europa eine Rechtsgemeinschaft sei und als solche wahrgenommen werden müsse, doch sei festzuhalten, dass die Rechtsstaatlichkeit nicht immer gewährleistet sei. Für die Zukunft wünschte er sich:

  • dass die Kompetenzverteilung in der EU ernster genommen werde,
  • mehr Kontrolle von EU-Vorgaben durch die Europäische Kommission erfolge und
  • die Rolle des Europäischen Parlaments gestärkt werde und verwies darauf, dass es bisher kaum Wissen über dieses wichtige EU-Organ, seine Mitglieder und das fehlende Initiativrecht gebe.

 

Über den Workshop „Kommunale Partnerschaften: Basis des Zusammenhalts“ wird in der Sitzung die Vorsitzende berichten.

 

Im Workshop „Europa mit den Kommunen gestalten: Konferenz zur Zukunft Europas“ waren sich alle Referent/innen einig (u.a. Linn Selle, Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschlands, MdB Axel Schäfer, Mitglied in der Konferenz zur Zukunft Europas, MdEP Niklas Nienaß, Mitglied der Delegation des EP in der Konferenz zur Zukunft Europas und Dr. Mark Speich, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales des Landes NRW), dass die Wünsche und Forderungen, die die Bürger/inne auf der Plattform geäußert hätten (z.B. jährliche Konferenz zur Rechtsstaatlichkeit, stärkere Einsetzung Einstimmigkeitsprinzip), in absehbarer Zeit aufgegriffen und umgesetzt werden müssten; dafür sei es notwendig, einen Verfassungskonvent einzuberufen, und es sei erfreulich, dass sich die neue Koalitionsregierung offen auch für die Änderung der Verträge von Lissabon gezeigt habe.

 

In ihrem Vortrag „Europas Zukunft: grün, digital und kommunal?“ erläuterte Stefanie Hiesinger vom Kabinett Timmermanns, dem Exekutivpräsidenten der Europäischen Kommission, den European Green Deal, diesen habe die Europäische Kommission als neues Wachstumsmodell ins Leben gerufen und betonte zugleich, dass die Bekämpfung des Klimawandels das wichtigste Thema der EU bleibe. Ziel sei es, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen und bis 2030 Einsparungen in Höhe von 55 Prozent CO2 im Vergleich zum Ausgangsjahr 1990 zu erzielen. Das Europäische Klimagesetz, das Ende Juni 2021 angenommen wurde, umfasse 50 Maßnahmen, u.a. ein erweitertes Emissionshandelssystem (EHS), das in Zukunft auch die Bereiche Gebäude und Verkehr mit einbeziehen werde. Das EHS ermögliche nicht nur eine Reduzierung von CO2, sondern stärke auch die technologischen Innovationen. Von den Einnahmen aus dem EHS sollten 25 Prozent (72 Mrd. Euro) in den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Klimafonds fließen, der von den EU-Mitgliedstaaten durch eine ebenso hohe Summe ergänzt werden soll. Diese Gelder sollten dann u.a. in den einzelnen Mitgliedstaaten als Einkommensbeihilfe an die sozial besonders von den neuen Klimaanforderungen betroffenen Menschen ausgezahlt werden.

Das Paket „Fit für 55“ (Überarbeitung der klima-, energie-und verkehrsbezogenen EU-Rechtsvorschriften) und „REPower EU“ (Anhebung der prozentualen Nutzung von Erneuerbaren Energien von 40 auf 45 % bis 2030 und Zurverfügungstellung entsprechender EU-Finanzmittel aus der Aufbau- und Resilienzfaszilität der EU sowie aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten) sollten EU-weit zu einer weitreichenden Einsparung von CO2 beitragen.

In diesem Zusammenhang machte Hiesinger deutlich, dass die Kommunen für die Europäische Kommission entscheidende Partner für einen praxisnahen Umbau der Energiewirtschaft und für den Kontakt zu den Bürger/innen seien. Der Umbau des Energiesystems werde jährlich 350 Mrd. Euro (incl. privater Finanzmittel) erfordern und die Kommunen würden für 50 Prozent  der notwendigen Investitionen verantwortlich sein; es gebe allerdings regionale Unterschiede und finanzielle Fähigkeiten mit den künftigen Herausforderungen umzugehen, daher sei zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den Regionen in der EU Solidarität erforderlich, um die sozialen Folgen für die Menschen abfedern zu können.