Betreff
Bürgergeld - Regierungsentwurf
Vorlage
50/1615/XVII/2022
Art
Mitteilung

Sachverhalt:

Mitte August 2022 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den Referentenentwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) dem Landkreistag NRW (LKT NRW) im Rahmen einer Verbändeanhörung übermittelt.

Das Bundeskabinett hat am 14.09.2022 den Gesetzentwurf für ein Bürgergeld-Gesetz beschlossen. Die erste Lesung im Deutschen Bundestag ist für den 13.10.2022 vorgesehen, die Verabschiedung für den 11.11.2022. Die Zustimmung des Bundesrats soll am 25.11.2022 erfolgen, damit die Regelungen zum 01.01.2023 in Kraft treten können.

Das Bürgergeld löst Arbeitslosengeld II und Sozialgeld ab. Das Ziel der Einführung des Bürgergelds ist, gesetzliche Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass sich Menschen im Leistungsbezug stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und die Arbeitsuche konzentrieren können. Das Bürgergeld soll nach der Gesetzesbegründung mehr Chancengerechtigkeit, gesellschaftliche Teilhabe und soziale Sicherheit ermöglichen. Die Potenziale der Menschen und die Unterstützung für eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt rücken stärker in den Mittelpunkt.

Aufgrund der Vielzahl an Änderungen wird im Folgenden auf die wesentlichen Aspekte eingegangen:

Änderung der Fortschreibung der Regelbedarfe:

Die Fortschreibungen der Regelbedarfe soll künftig die zu erwartende regelbedarfsrelevante Preisentwicklung zeitnaher und damit wirksamer widerspiegeln. Dazu sollen die aktuellsten verfügbaren Daten über die regelbedarfsrelevante Preisentwicklung für die Fortschreibung zusätzlich berücksichtigt werden. Die Regelbedarfe sollen zum 01.01.2023 wie folgt ansteigen:

Nicht mit Partnern zusammenlebende Erwachsene

502 €

Mit Partnern zusammenlebende Erwachsene;

Erwachsene in besonderer Wohnform (nur SGB XII);

Erwachsene in stationären Einrichtungen (nur SGB XII)

 

451 €

Erwachsene unter 25 Jahren im Haushalt der Eltern (nur SGB II)

402 €

Jugendliche von 14 bis unter 18 Jahren

420 €

Kinder von 6 bis unter 14 Jahren

348 €

Kinder bis unter 6 Jahren

318 €

 

Karenzzeit:

In den ersten zwei Jahren des Leistungsbezugs soll die sogenannte Karenzzeit für Vermögen und Kosten der Unterkunft eingeführt werden. Die Karenzzeit soll dafür sorgen, dass während der ersten zwei Jahre bei einer Bedürftigkeitsprüfung Vermögen nicht berücksichtigt wird, sofern es nicht erheblich ist (60.000 € für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und weitere 30.000 € je Person in der Bedarfsgemeinschaft) und Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe anerkannt werden.

Sinn und Zweck der Karenzzeit sei, dass sich Leistungsberechtigte auf die Arbeitssuche und die Wiederaufnahme von Arbeit konzentrieren können, anstatt mit beginnendem Leistungsbezug eine neue Wohnung suchen zu müssen oder Vermögen verwerten zu müssen. Der vereinfachte Zugang während der Pandemie habe gezeigt, dass bei Einräumung einer Karenzzeit Leistungen einfacher und zielsicherer möglich sind. Dies soll zu einer höheren Akzeptanz des Sicherungssystems führen.

Änderungen im Bereich Vermögen:

Für jedes Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft sollen 15.000 € vom Vermögen abgesetzt werden. Weiterhin werde bei selbstgenutzten Hausgrundstücken oder Eigentumswohnungen die Wohnfläche in größerem Umfang als bisher anerkannt (Hausgrundstück: 140 m²; Eigentumswohnung 130 m²). Ab der fünften Person sollen jeweils 20 m² hinzukommen. Dadurch soll bewirkt werden, dass Eigentum dem Bezug von Bürgergeld nicht grundsätzlich entgegensteht.

Versicherungsverträge, die der Alterssicherung dienen, sollen nicht als Vermögen berücksichtigt werden. Da Selbständige oft eine andere Anlagenform wählen, seien die Versicherungsverträge bei dieser Personengruppe unabhängig von der Anlagenform zu betrachten.

Änderungen im Bereich Kosten der Unterkunft:

Die Kosten der Unterkunft sollen bei Mietwohnungen oder selbstgenutzten Wohneigentum für die Dauer der Karenzzeit in tatsächlicher Höhe anerkannt werden. Die geltenden Regelungen zur Erforderlichkeit eines Umzuges sollen weiterhin in Kraft bleiben. Da der Prüfungsaufwand zunächst entfalle, führe dieses Verfahren zu einer Erhöhung der Rechtssicherheit und zur Verwaltungsvereinfachung.

Weiterhin sollen die Kosten der Unterkunft bis zu 12 Monate nach dem Tod eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft als angemessen anerkannt werden.

Änderungen im Bereich Einkommen:

Die Grundabsetzungsbeträge für Schüler, Studierende und Azubis sollen auf 520 € erhöht werden, als Anreiz zur Aufnahme und zum Aufrechterhalten einer Beschäftigung. Zusätzlich erfolge eine Erhöhung des Freibetrags im Bereich zwischen 520 € und 1.000 € auf 30 % des erzielten Erwerbseinkommens. Weiterhin soll das Mutterschaftsgeld nicht mehr angerechnet werden und es erfolge eine Umstellung der Freistellung von Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten von monatlicher auf jährlicher Berücksichtigung. Zusätzlich werde einmaliges Einkommen nur im Monat des Zuflusses berücksichtigt und nicht mehr auf sechs Monate aufgeteilt.

Kooperationsplan:

Die Eingliederungsvereinbarung im SGB II soll durch einen von Leistungsberechtigen und Integrationsfachkräften gemeinsam erarbeiteten Kooperationsplan abgelöst werden. Dieser diene als „roter Faden“ im Eingliederungsprozess und stelle ein Kernelement des Bürgergeld-Gesetzes dar. Der Kooperationsplan soll von rechtlichen Folgen entlastet werden und dokumentiere die gemeinsam entwickelte Eingliederungsstrategie. Zusätzlich baue der Kooperationsplan auf einer Potenzialanalyse des Leistungsberechtigten auf, in der Entwicklungsbedarfe und individuelle Stärken festgestellt werden (formale Qualifikation und Soft Skills).

Zu Beginn des Leistungsbezugs und auch vor der Erstellung eines Kooperationsplanes soll die Kooperationszeit gelten. Die Zusammenarbeit soll in dieser Zeit grundsätzlich ohne Rechtsfolgenbelehrungen erfolgen. Wenn in der Kooperationszeit jedoch Absprachen zu Mitwirkungshandlungen (Eigenbemühungen, Maßnahmeteilnahmen und Bewerbungen auf Vermittlungsvorschläge) vom Leistungsberechtigten nicht eingehalten werden, sollen diese Pflichten durch Aufforderungen mit Rechtsfolgenbelehrungen rechtlich verbindlich festgelegt werden. Eine Rückkehr zu einer Zusammenarbeit ohne Rechtsfolgenbelehrung könne erfolgen, wenn in der Kooperationszeit 12 Monate lang keine Mitwirkungspflichten verletzt werden. Die Kooperationszeit bestehe außerhalb der Vertrauenszeit.

Mit Erstellung des Kooperationsplans soll zunächst eine sechs monatige Vertrauenszeit gelten, in der Leistungsminderungen bei Pflichtverletzungen ausgenommen seien. Das Ziel sei die Ermöglichung eines vertrauensvollen Beratungs- und Integrationsprozesses. Die sechsmonatige Vertrauenszeit bestehe nur bei erstmaliger Erstellung des Kooperationsplans beziehungsweise beim erstmaligen Ersetzen einer bisherigen Eingliederungsvereinbarung durch einen Kooperationsplan. Während der Vertrauenszeit soll regelmäßig überprüft werden, ob die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die im Kooperationsplan festgehaltenen Absprachen einhalten. Die Wahrnehmung von Beratungsterminen könne weiterhin, auch während der Vertrauenszeit, nach dem zweiten Meldeversäumnis rechtsverbindlich eingefordert werden.

Für Konfliktfälle im Zusammenhang mit dem Prozess der Erstellung, Durchführung und Fortschreibung der Inhalte eines Kooperationsplans soll ein Schlichtungsmechanismus geschaffen werden. Auf Wunsch des Leistungsberechtigten könne eine zuvor unbeteiligte Person durch das Jobcenter hinzugezogen werden. Die Ausgestaltung des Schlichtungsmechanismus im Einzelnen obliege in der gemeinsamen Einrichtung gemäß § 44c Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB II der Entscheidung der Trägerversammlung.

Bestehende Eingliederungsvereinbarungen sollen bis Ende 2023 auf Kooperationspläne umgestellt werden.

Ganzheitliche Betreuung/Integration:

Es soll eine ganzheitliche Betreuung (Coaching), die die jeweilige Lebenssituation insgesamt in den Blick nimmt, eingeführt werden. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte weisen häufig vielfältige und komplexe Problemlagen auf, die ihre Beschäftigungsfähigkeit grundlegend beeinträchtigen. Die Integrations- und Beratungsformen ergeben sich aus dem individuellen Bedarf und können deshalb gesetzlich nicht festgelegt werden. Gemäß § 16k SGB II ist die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses wesentliche Grundlage des Erfolgs. Aus diesem Grund sollen erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht mit Rechtsfolgen verbunden zur Teilnahme am Coaching verpflichtet werden.

Abschaffung des Vermittlungsvorrangs:

Ziel des Bürgergeld-Gesetzes sei eine dauerhafte Integration in Arbeit, durch die die Hilfebedürftigkeit möglichst weitgehend vermindert bzw. überwunden wird. Durch die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs sollen erwerbsfähige Leistungsberechtigte keine Beschäftigung mehr aufnehmen müssen, die aufgrund der Qualifizierung grundsätzlich nicht den Anforderungen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten entsprechen. Zudem seien erwerbsfähige Leistungsberechtigte bisher häufig aufgrund des Vermittlungsvorrangs Beschäftigungsverhältnisse eingegangen, die nicht dauerhaft zur Beendigung des Leistungsbezugs geführt haben.

Regelungen der Leistungsminderung:

Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuregelung der Leistungsminderungen ist im Regierungsentwurf enthalten (Festhalten an Mitwirkungspflichten, Leistungsminderungen bei 30 % des Regelbedarfs gedeckelt, keine Kürzung bei den Kosten der Unterkunft sowie bei außergewöhnlicher Härte, flexibles Sanktionsende). Bei nachträglicher Pflichterfüllung oder Bereiterklärung zur Pflichterfüllung sei die Leistungsminderung aufzuheben. Eine persönliche Anhörung zur Pflichtverletzung sei auf Wunsch des Leistungsberechtigten möglich.

Die verschärften Sonderregelungen für die Personengruppe unter 25 Jahren entfallen. Dafür soll diese Personengruppe bei einer Pflichtverletzung innerhalb von vier Wochen ein Beratungs- und Unterstützungsangebot erhalten. Diese Regelungen spiegeln sich bereits jetzt im sogenannten „Sanktionsmoratorium“ wider, dass zum 01.07.2022 in Kraft getreten ist.

Änderungen im SGB XII:

Die Regelungen zu den Kosten der Unterkunft und Einkommen sollen weitestgehend übernommen werden. Allerdings erfolge im SGB XII die Angemessenheitsprüfung bei den Kosten der Unterkunft dennoch und komme einer Warnfunktion gleich. Hintergrund hierfür sei die Tatsache, dass die Leistungsberechtigten des Dritten und Vierten Kapitel SGB XII nicht mehr in den Arbeitsmarkt integriert werden können und somit dauerhaft im Leistungsbezug bleiben. Die grundsätzlichen Regelungen zum Vermögen werden ebenfalls in das SGB XII übertragen. Besonderheiten seien die Erhöhung des Freibetrages auf 10.000 € und die Freistellung eines angemessenen Kraftfahrzeuges. Zur Klarstellung wird normiert, dass es sich bei der Leistungsabsprache zur Aufnahme einer zumutbaren Tätigkeit um eine reine Obliegenheit handele und aus ihr weder für den Sozialhilfeträger noch für die leistungsberechtigte Person unmittelbar Rechtspflichten und Rechtsansprüche folgen. Damit werde zusätzlich verdeutlicht, dass es sich bei den Leistungsabsprachen nicht um Maßnahmen zur Integration von Leistungsbeziehenden nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII in den Arbeitsmarkt durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit handele, sondern um die Unterstützung bei der Ausübung einer Betätigung.

Zu dem vorangegangenen Referentenentwurf haben der LKT NRW und der Deutsche Landkreistag (DLT) Stellung genommen.

Gemeinsame Inhalte der Stellungnahmen des LKT NRW und des DLT zum vorherigen Referentenentwurf:

Die Gemeinsamkeiten in den Stellungnahmen des LKT und des DLT liegen insbesondere in der Kritik zu der kurzen Zeit für die Möglichkeit zur Stellungnahme und bei der Einführung der Karenzzeit bei den Kosten der Unterkunft und der Vermögensprüfung. Die in dem Entwurf für § 12 SGB II vorgesehenen Änderungen werden vor allem wegen ihrer „Signalwirkung“ für die steuerzahlende Bevölkerung im Wesentlichen kritisch gesehen. Es besteht die Sorge, dass insbesondere diese Inhalte des Bürgergeldgesetzes nur schwerlich zu vermitteln sind und in der Öffentlichkeit wenig Akzeptanz finden werden.

Weiterhin werden in den Stellungnahmen ausgeführt, dass entgegen der Zielsetzung des Entwurfs, die dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt stärker in den Mittelpunkt zu stellen, das SGB II sich einem bedingungslosen Grundeinkommen nähere. Arbeitsanreize würden systematisch reduziert. Zusätzlich werde die Motivation durch den vorliegenden Entwurf, in den Arbeitsmarkt einzusteigen, nicht gestärkt, sondern geschwächt.

Die Einführung einer Karenzzeit, während der in den ersten beiden Jahren des Leistungsbezugs nur erhebliches Vermögen berücksichtigt wird, widerspreche letztlich dem Nachranggrundsatz, dem Grundsatz der Selbsthilfe sowie dem des „Förderns und Forderns“. Zusätzlich werde die Angemessenheitsprüfung im Bereich Vermögen und Kosten der Unterkunft lediglich auf die Zeit nach der Karenzzeit verschoben, sodass es sich lediglich um eine vorläufige Verwaltungsvereinfachung handele. Generell wird die Karenzzeit als unverhältnismäßig lang eingestuft. Der DLT schlägt eine Kürzung der Karenzzeit auf sechs Monate vor.

Es wird letztlich darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 22 SGB II zu einer Aufwärtsspirale in der Preisentwicklung der örtlichen Mietmärkte beitragen kann, die perspektivisch nicht mehr beherrschbar erscheint und letztlich dem allseitigen Ziel des Erhalts bzw. der Schaffung bezahlbaren Wohnraums zuwiderläuft. Und schließlich widerspricht das Signal, bei den Heizkosten zwei Jahre lang die tatsächlichen Kosten zu übernehmen, den jetzigen Bestrebungen und Bemühungen in der Energiekrise, Heiz- (und insgesamt Energie-) kosten einzusparen.

Grundsätzlich wird kritisiert, dass sämtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit den aktuellen Diskussionen zur Energiepreisentwicklung völlig außer Acht gelassen werden. Dieses aktuell dringende Problem solle in der Reform Berücksichtigung finden.

Die Einführung eines Kooperationsplans stelle keine wesentliche Neuerung zur bisher gelebten Praxis dar. Kritisch stehe man auch der Einführung einer Vertrauenszeit gegenüber, da völlig offen sei, inwiefern sich die Leistungsberechtigten in dem Karenzzeittraum tatsächlich auf die Arbeitssuche konzentrieren. Es sei derzeit schwer abzuschätzen, ob die Änderungen tatsächlich eine Vereinfachung für die Integrationsfachkräfte im Jobcenter bedeuten und den kooperativen Ansatz in der Integrationsarbeit stärken werden. Durch die Vertrauenszeit fehle es an einer Handhabe für die Integrationsfachkräfte da die Zielsetzungen des Förderns, aber auch des Forderns u.U. erst frühestens nach sechs Monaten zur Wirkung kommen. Darüber hinaus sei zu beachten, dass der fachliche Anspruch an die Integrationsfachkräfte wachsen werde.

Die sozialpolitische Wirkung der Anerkennung von selbst genutzten Hausgrundstücken oder Eigentumswohnungen im Zusammenwirken mit den Karenzzeiten und anderen Erleichterungen sei nicht zu unterschätzen.

Die neuen Regelungen zum Einkommen und Vermögen dürfe insbesondere von Bürgerinnen und Bürgern, die arbeiten und in die Sozialversicherung einzahlen, aber trotzdem am Existenzminimum leben, als äußerst ungerecht wahrgenommen werden. Die beabsichtigten Änderungen bei der Anrechnung von Einnahmen im Sinne von § 11 SGB II werden nicht als Weiterentwicklung und Verwaltungsvereinfachung angesehen.

Weiterhin seien die Reformpläne des BMAS finanziell nicht hinreichend hinterlegt. Aufgrund der umfassenden Änderungen vor allem betreffend die neue Ausrichtung der Vermittlungsarbeit bedürfe es einer deutlichen Aufstockung des Eingliederungs- und des Verwaltungskostenbudgets der Jobcenter.

Weiterhin wird kritisiert, dass in dem Referentenentwurf eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe enthalten seien, die in der Umsetzung zu Rechtsstreitigkeiten führen dürften.

Im Bereich Sanktionen wird unter anderem kritisiert, dass bei Meldeversäumnissen eine Kürzung der Leistungen für maximal einen Monat möglich ist.

Begrüßt werden die Nicht-Anrechnung von Mutterschaftsgeld, der Erwerbseinkommen von Schülerinnen und Schülern bis 520 €, das ganzheitliche Coaching sowie die jährliche Berücksichtigung von Aufwandsentschädigungen. Daneben wird der positive Aspekt des Kooperationsplans mit dem Fokus auf gute Kommunikation zwischen Integrationsfachkraft und Leistungsberechtigten besonders hervorgehoben.

Es wird vorgeschlagen, die vertikale Einkommensanrechnung in den vorliegenden Gesetzesentwurf aufzunehmen.

Weitere Inhalte der Stellungnahme des LKT NRW:

Der LKT NRW bemisst die Zeitspanne für die Einführung des Bürgergeldes mit den damit verbundenen Umstellungen (Schulungen der Mitarbeitenden, Umgestaltung der Antragsformulare etc.) als sehr herausfordernd. Zusätzlich fällt das geplante Inkrafttreten zusammen mit der Weiterbewilligung der Leistungen für die Ukraine-Vertriebenen an, sodass dies zu einer Doppelbelastung führen würde.

Insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Kostensteigerungen (Inflation-, Heiz- und Energiekosten) wird die Einführung einer Gesamtangemessenheitsgrenze (vgl. neu § 35 Abs. 7 SGB XII) kritisiert. Denn perspektivisch werde es keine Möglichkeit geben, eine „Gegenrechnung“ von Grundmiete, Betriebskosten und Heizkosten vornehmen zu können.

Weitere Inhalte der Stellungnahme des DLT:

Der DLT führt in seiner Stellungnahme aus, dass die Einführung einer Karenzzeit im Dritten Kapitel SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt) zu einem verfassungswidrigen Aufgabendurchgriff des Bundes auf die Landkreise führe, da die Zuständigkeitsbestimmung in § 3 Abs. 2 SGB XII nicht aufgehoben wurde.

Der DLT kritisiert insbesondere die Mehrkosten auf kommunaler Seite. Im Entwurf werden Mehrausgaben von rund 650 Mio. Euro – davon 54 Mio. € für die Kommunen – für das Jahr 2023 ausgewiesen, die auf 1,7 Mrd. Euro – davon 73 Mio. Euro für die Kommunen – im Jahr 2026 anwachsen sollen. Der DLT bezweifelt, dass diese Einschätzungen den potenziell deutlich anwachsenden Zahlen von Leistungsberechtigten gerecht werden, die durch die Preissteigerungen sowie Karenzregelungen bei den Kosten der Unterkunft und Vermögen zu erwarten sind.

Die Karenzzeit nach einem Todesfall im Bereich der Kosten der Unterkunft wird positiv bewertet. Allerdings solle nach Meinung des DLT auf die Angemessenheitsprüfung im SGB XII zu Beginn des Leistungsbezugs verzichtet werden. Innerhalb der Karenzzeit können sich die Angemessenheitswerte ändern, sodass die Prüfung der Angemessenheit nach Ablauf der Karenzzeit erneut durchgeführt werden muss.

Mögliche Auswirkungen:

Grundsätzlich kann prognostiziert werden, dass durch das Einführen einer Karenzzeit Mehrausgaben im Bereich der Kosten der Unterkunft im SGB II und im Dritten Kapitel SGB XII für die Kommunen entstehen werden.

Der durch die Angemessenheitsprüfung entstehende Verwaltungsaufwand wird lediglich auf die Zeit nach der Karenzzeit verschoben. Fraglich ist, wie hoch die Akzeptanz möglicher Kürzungen nach Ablauf der Karenzzeit ist.

Durch das Abbauen der Voraussetzungen im Bereich Einkommen, Vermögen und Kosten der Unterkunft kann mit einem Anstieg der Anspruchsberechtigung gerechnet werden.