Beschlussempfehlung:

Der Naturschutzbeirat erhebt keinen Widerspruch gegen die Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG für die Rodung der Gehölzbestände am Nordrand des RennbahnParks, Stadt Neuss, zur Verlegung eines Abwasserkanals und zum Bau des Radschnellweges Neuss-Monheim nach der vorgestellten Planung der Stadt Neuss.


Sachverhalt:

Die Stadt Neuss plant und betreibt u. a. zur Vorbereitung auf die Landesgartenschau 2026 verschiedene Maßnahmen. So soll entlang der Hammer Landstraße ein Abwasserkanal verlegt werden, auf dessen Trasse nach Abschluss der Bauarbeiten der Radschnellweg Neuss-Monheim, geplant und umgesetzt durch die Stadt Neuss mit den Städten Düsseldorf und Langenfeld, angelegt wird. Hierzu wird der heutige Mischwasserhauptsammler DN 1300 aus dem nördlichen Rennbahngelände als Sammler DN 1600 in die Trasse des Radschnellweges verlegt. Alle Hausanschlussleitungen werden hierbei umgeschlossen. Aufgrund der vorhandenen Leitungstrassen in der Hammer Landstraße muss die nördliche Böschung in Richtung des Rennbahngeländes verlagert werden.

 

Die Zufahrt für den Kanalbau erfolgt über das Rennbahngelände vom Obertorweg aus über eine temporäre Baustraße.

 

Ein Aufstellungsverfahren für den zugehörigen Bebauungsplan Nr. 505 „Hammfeld, Radschnellweg“ wurde eingeleitet. Der Aufstellungsbeschluss wurde am 12.03.2021 gefasst. Angesichts der Zeitvorgaben der Planung zur Landesgartenschau ist eine Rodung der im Arbeitsbereich aufstehenden Bäume und Sträucher im Winter 2022/2023 notwendig.

 

Vernünftige Alternativen zur Erneuerung des Hauptsammlers bestehen nicht. Der Hauptsammler ist stark sanierungsbedürftig. Eine Verlegung des neuen Hauptsammlers in die Hammer Landstraße würde zu monatelangen, nicht vertretbaren verkehrlichen Einschränkungen für die angeschlossenen Bereiche führen (Verkehrsbelastung rund 15.100 Kfz/Tag, wichtige, z. T. einzige Erschließung von Gewerbeflächen)

 

Der Standort liegt an der Hammer Landstraße an der nördlichen Grenze des RennbahnParks im Landschaftsschutzgebiet (LSG) „Nördliche Rheinaue zwischen Grimlinghausen und Oelgangsinsel“ nach dem Landschaftsplan I – Neuss – des Rhein-Kreises Neuss (LP I). Die Festsetzungen für Landschaftsschutzgebiete untersagen die im Zuge der Baumaßnahmen vorgesehenen Eingriffe in Natur und Landschaft, insbesondere die Schüttung der neuen Böschung, die Beseitigung der dort aufstehenden Gehölze einschließlich der Verlegung des Kanals und der Befestigung der Flächen für den Radschnellweg.

 

Zur Legalisierung der geplanten Maßnahmen bedarf es der Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG. Diese kann auf Antrag gewährt werden, wenn

 

1.    Dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder

2.    Die Durchführung der (Verbots)Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.

 

In Betracht kommt in diesem Fall die Alternative 1 (überwiegendes öffentliches Interesse). Hierzu muss ein öffentliches Interesse vorliegen, welches bei gerechter Abwägung und Gewichtung die durch die Baumaßnahme beeinträchtigten Belange von Natur und Landschaft überwiegt.

 

Ein öffentliches Interesse an der Sanierung des Abwasserkanals und seiner Neuverlegung in ausreichend dimensioniertem Umfang zur Sicherung der schadlosen Mischwasserabführung besteht, ebenso wie am Bau des Radschnellweges Neuss-Düsseldorf-Langenfeld. Alternativen zur Verlegung des Kanals in diesen Bereich bestehen nicht.

 

Beim Eingriffsbereich handelt es sich um einen vor langer Zeit zum Hochwasserschutz um bis zu 5 m aufgefüllten Raum. Kanal und Radschnellweg werden daher in einem stark anthropogen überformten Bereich umgesetzt.

 

Die von der Maßnahme betroffenen 32 Bäume bestehen zu 80 % aus Rosskastanie, der Unterbewuchs vorwiegend aus Brombeere.

 

Im Rahmen der Flächengestaltung nach Abschluss der Baumaßnahme ist u. a. geplant, im Bereich des Radschnellweges / Fußweges eine dreireihige Allee (beschattende Allee am Radschnellweg und abschließende zusätzliche Baumreihe am Gehweg zum Rennbahngelände) anzupflanzen. Die Gesamtkompensation erfolgt im Zuge der Maßnahmen zur Landesgartenschau bzw. im Zuge des Bebauungsplanes Nr. 505. Dem Wegfall von 32 Bestandsbäumen steht die Neupflanzung von mindestens 100 heimischen und standortgerechten Bäumen gegenüber.

 

Aus Sicht der Unteren Naturschutzbehörde ist in diesem Fall das öffentliche Interesse an der sinnvollen Neuverlegung des Hauptsammlers, am Bau des Radschnellweges und der damit verbundenen Neugestaltung der Böschung unter Berücksichtigung der geplanten Pflanzmaßnahmen höher zu bewerten, als die unbeeinträchtigte Beibehaltung des heutigen Zustands.

 

Die beantragte Befreiung gem. § 67 Abs. 1 Ziff. 1 BNatSchG kann daher gewährt werden.

 

Artenschutzrechtliche Verbotstatbestände werden nach dem Ergebnis der artenschutzfachlichen Vorprüfung unter Berücksichtigung der aufgezeigten Vermeidungsmaßnahmen nicht realisiert.

 

Näheres zur Planung, Eingriffsbewertung und zur artenschutzfachlichen Einschätzung kann den anhängenden Unterlagen entnommen werden.

 

Vertreter der Stadt Neuss stehen in der Sitzung für Erläuterungen und Rückfragen zur Verfügung.