Betreff
Betriebsuntersagung einer Pflegeeinrichtung nach dem Wohn- und Teilhabegesetz
Vorlage
50/1711/XVII/2022
Art
Tischvorlage

Sachverhalt:

 

Rechtliche Grundlage für eine Betriebsuntersagung ist § 15 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 15 Abs. 3 WTG.

Nach § 15 Abs. 1 WTG soll die zuständige Behörde zunächst den Betreiber beraten, auf welche Art und Weise er einen Mangel in einem angemessenen Zeitraum beseitigen kann. Jede Nichterfüllung einer Anforderung nach dem Wohn- und Teilhabegesetz ist zunächst ein Mangel. Dabei wird zwischen geringfügigen Mängeln und wesentlichen Mängeln unterschieden. Ein Mangel ist wesentlich, wenn zu dessen Beseitigung eine Anordnung erforderlich ist.

Beispiele für Anordnungen:

Mangel

Daraus resultierende Anordnung

Mangel in der personellen Ausstattung sowie zusätzlich pflegerische Mängel

Untersagung weiterer Nutzerinnen und Nutzer für die nächsten drei Monate (§ 15 Abs. 2 S. 2 WTG).

Pflegerische Mängel - insbesondere Dokumentationsmängel

Evaluation und Überarbeitung der Pflegeplanungen und Pflegedokumentationen innerhalb einer gesetzten Frist mit anschließender Anzeige der durchgeführten Pflegevisiten.

Mängel in der personellen Ausstattung und in der Dienstplangestaltung

Anordnung höherer Anforderung an die Dienstbesetzung sowie monatliche Übersendung der Personalstruktur (§ 21 Abs. 5 S. 3 WTG). Zusätzliche Übersendung der Dienstpläne für die nächsten drei Monate zur Genehmigung.

Pflegerische Mängel

Wöchentliche Übersendung der aktuellen Wundberichte mit der Zusicherung, dass die pflegerische Versorgung auf einem angemessenen Niveau sichergestellt ist.

Pflegerische Mängel

Erneute Schulung der Mitarbeitenden in den ohnehin geltenden Fortbildungen innerhalb einer gesetzten Frist mit anschließender Übersendung der Nachweise.

 

Der Betrieb eines Wohn- und Betreuungsangebots (z.B. Pflegeeinrichtung) ist gem. § 15 Abs. 2 S. 3 WTG zu untersagen, wenn Anordnungen zur Beseitigung der Mängel nicht ausreichen.

Zudem kann der Betrieb gem. § 15 Abs. 3 WTG untersagt werden

-       bei Verletzung einer Anzeigepflicht

-       Beschäftigung von Personen entgegen einem Beschäftigungsverbot

-       bei einem Verstoß gegen das Verbot zur Annahme zusätzlicher Leistungen

-        

Die Untersagung ist in allen Fällen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zulässig. Häufig kann der Zweck, den Betreiber zukünftig zu einem gesetzmäßigen Verhalten anzuhalten, eher durch die Verhängung eines Bußgeldes erreicht werden. Denn nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 WTG stellt das Zuwiderhandeln einer vollziehbaren Anordnung eine Ordnungswidrigkeit dar.

Aus der Verhältnismäßigkeit folgt, dass eine Untersagung nur als vorübergehende Maßnahme zulässig ist, wenn der Untersagungsgrund voraussichtlich in absehbarer Zeit beseitigt werden kann.

Wenn Anordnungen zur Beseitigung der Mängel nicht mehr ausreichen, reduziert sich das Ermessen auf Null. Anordnungen reichen dann nicht aus, wenn ihre Erteilung von vornherein keinen Erfolg verspricht oder aber, wenn sie zwar erlassen, jedoch nicht befolgt wurden und für die nähere Zukunft auch eine Befolgung nicht zu erwarten ist.

In der Praxis ist § 15 Abs. 4 WTG zu beachten, wonach die zuständige Behörde ermächtigt und verpflichtet ist, bei erheblichen Pflegemängeln die Landesverbände der Pflegeversicherung aufzufordern, umgehend eine Qualitätsprüfung durch den Medizinischen Dienst oder den Prüfdienst der privaten Krankenversicherung sicherzustellen. Davon sollte vor einer Betriebsuntersagung Gebrauch gemacht werden.

Die praktische Folge einer Betriebsuntersagung ist die Unterbringung der Bewohnerinnen und Bewohner der zu schließenden Einrichtung in eine alternative Unterbringung. Auch wenn diese Aufgabe theoretisch den Angehörigen bzw. gesetzlichen Betreuern obliegt, hat die Behörde vorab zu klären, wo die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner untergebracht werden können.

 

Bei der Vorlage handelt es sich um eine rechtliche Einschätzung und allgemeine Orientierung. Ab wann eine Betriebsuntersagung rechtssicher ist, hängt vom Einzelfall ab.