Betreff
Anfrage der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 07.02.2023 zum Thema "Umgang mit der doppelten "Postcon-Insolvenz""
Vorlage
65/2376/XVII/2023
Art
Tischvorlage

Sachverhalt:

 

1.) Inwiefern und in welchem Zeitraum bestanden Geschäftsbeziehungen zwischen dem Rhein-Kreis Neuss, seinen Kommunen und der „Postcon“ respektive ihrer Nachfolgerin „xendis“?

Im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit ist auf Initiative des Rhein-Kreises Neuss eine Bietergemeinschaft gegründet worden, um durch Skaleneffekte wirtschaftlich günstigere Postdienstleistungen für die Mitglieder der Bietergemeinschaft zu erzielen. Die Federführung und Arbeit liegt hauptsächlich bei der Gebäudewirtschaft des Rhein-Kreises Neuss, die im Interesse der Bietergemeinschaft u.a. die Abstimmungen und die zentralen europaweiten Ausschreibungen vornimmt.

Die Bietergemeinschaft partizipiert von den erzielten, günstigeren Konditionen und hat folgende Mitglieder:

  • Rhein-Kreis Neuss
  • Kreis Viersen
  • Jobcenter Rhein-Kreis Neuss
  • Stadt Neuss
  • Stadt Dormagen
  • Stadt Grevenbroich
  • Stadt Kaarst
  • Stadt Korschenbroich
  • Stadt Meerbusch
  • Kreiswerke GmbH
  • Polizeiverwaltung Neuss

 

Der Rahmenvertrag für Postdienstleistungen muss aufgrund des Vertragsvolumens regelmäßig vom Rhein-Kreis Neuss in einem europaweiten Vergabeverfahren ausgeschrieben werden. Ziel der Vergabe von Postdienstleistungen von Kommunen muss ein transparentes, wettbewerbliches und nicht diskriminierendes Vergabeverfahren gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB sein. Im Zeitraum 01.03.2007 bis 21.12.2022 gingen TNT bzw. die Nachfolgeunternehmen Postcon und Xendis Versandlogistik GmbH als Gewinner der europaweiten Ausschreibungsverfahren hervor.

2.) Zu welchen Postdienstleistern bestehen derzeit Geschäftsbeziehungen seitens des Kreises sowie der kreisangehörigen Kommunen?

 

Die Servicequalität von Postcon/Xendis war in der Vergangenheit immer wieder Thema in der Bietergemeinschaft (sh. beispielhaft Anlage 1- Schreiben an Bürgermeister Lierenfeld). So wurden mehrere Krisengespräche auf Ebene des zuständigen Kreisdezernenten mit Vertretern der Firma sowie im Kreis der Vertreter der Bietergemeinschaft im Kreishaus geführt.

Das Vorgehen wurde stets mit den Vertretern der Bietergemeinschaft abgestimmt. Infolge dieser Abstimmungen hat der Rhein-Kreis Neuss  – auch mit Blick auf die zu erwartende Leistungsfähigkeit von Xendis – u.a. den Postdienstleistungsvertrag mit Schreiben vom 29.08.2022 bereits ristgerecht zum 28.02.2023 gekündigt und der Postdienstleistungsvertrag zum 01.03.2023 europaweit neu ausgeschrieben.

Aufgrund des gescheiterten Insolvenzeröffnungsverfahrens und der am 19.12.2022 telefonisch mit Wirkung zum 27.12.2022 äußerst kurzfristig angekündigten Einstellung des Zustellungsbetriebes (letzter Abholtag 23.12.2022!) hat der Rhein-Kreis Neuss nach umgehender Information an die Bietergemeinschaft – ebenfalls am 19.12.2022 (sh. Anlage 2)- den Postdienstleistungsvertrag zum 21.12.2022 fristlos gekündigt. Das offizielle Schreiben von xendis bzgl. der Einstellung des Zustellbetriebs erfolgte am 20.12.2022. Am gleichen Tag erfolgte wiederum die Information an die Mitglieder der Bietergemeinschaft durch das Amt für Gebäudewirtschaft.

Die Bietergemeinschaft wurde in der Mail des Amtes für Gebäudewirtschaft vom 19.12.2022 darauf hingewiesen, dass nach rechtlicher Prüfung der Rhein-Kreis Neuss auf Grund der EU-Schwellenwertgrenze keine Gesamt-Interimslösung für die Bietergemeinschaft erreichen kann, sondern jede Kommune einzelne Beauftragungen für die Zeit 22.12.2022 bis 28.2.2023 durchführen muss.

Der Rhein-Kreis Neuss stand den Mitgliedern der Bietergemeinschaft auch in beratender Funktion zur Verfügung. So wurde auch in der Mail darauf hingewiesen, dass bei einer nach Auftraggeber getrennten Vergabe, die Möglichkeit einer Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb (Gem. § 12 Abs. 3 i.V.m. § 8 Abs. 4 Nr. 9 Unterschwellenvergabeordnung) besteht. Demnach kann eine Leistung aufgrund von Umständen, die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte, die besonders dringlich ist und die Gründe für die besondere Dringlichkeit nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzurechnen sind auch im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden, wobei im Verfahren auch nur ein Unternehmen zur Angabe eines Angebotes aufgefordert werden darf. Von dieser rechtlichen Möglichkeit haben nach unserem Kenntnisstand die Mitglieder der Bietergemeinschaft Gebrauch gemacht.

Im Rahmen dieser „Notfallbeauftragung“ hat das Unternehmen Deutsche Post InHauseServices GmbH im Zeitraum vom 22.12.2022 bis zum 28.02.2023 den Auftrag des Rhein-Kreises  Neuss erhalten, die Postversendung des Kreises vorübergehend sicherzustellen.

 

3.) Inwiefern wurden Verträge für die Postdienstleistungen, insbesondere der Wechsel des Vertragspartners, zwischen dem Rhein-Kreis Neuss und den kreisangehörigen Kommunen koordiniert und abgestimmt? Wenn nein, warum nicht?

Wie bereits unter Punkt 2 ausgeführt, wurden alle Schritte und Maßnahmen mit der Bietergemeinschaft abgestimmt. Einzig Bürgermeister Lierenfeld/Stadt Dormagen hat in der HVB-Konferenz des Landrates am 25.1.2023 Kritik am Vorgehen des Kreises geäußert, wobei die rechtliche Auffassung des Kreises auch von der Stadt geteilt wurde. Kreisdezernent Vieten hat in der HVB-Konferenz nach Schilderung des zeitlichen Sachverhaltes die Kritik als vollkommen unberechtigt zurückgewiesen.

Am 30.01.2023 wurde nach dem Ergebnis der europaweit durchgeführten Ausschreibung des Amtes für Gebäudewirtschaft der neue Rahmenvertrag für Postdienstleistungen mit Wirkung ab 01.03.2023 an das Unternehmen Deutsche Post InHauseServices GmbH vergeben. An der Auftragsvergabe zum 01.03.2023 partizipieren alle Mitglieder der Bietergemeinschaft.

4.) Welche Implikationen haben sich durch die Ereignisse im Geschäfts- und Wirtschaftsbetrieb der „Postcon“ bzw. der „xendis“ für den Rhein-Kreis Neuss und die kreisangehörigen Kommunen ergeben?

Der Wettbewerb im Postdienstleistungssektor ist hart umkämpft. Nach Medienberichten stand beispielsweise hier auch die Deutsche Post in den vergangenen Monaten wegen unzuverlässigen Zustellungen öffentlich in der Kritik.
Neben den Mehraufwand für Beschwerdeschreiben, Abstimmungsrunden in der Bietergemeinschaft, aufwendigen rechtlichen Prüfungen war der Großteil der Bietergemeinschaft – auch der Kreis selbst – zeitweilig mit den Leistungen des Vertragspartners Postcon/Xendis nicht zufrieden. Mit Eskalationsstufen über Beschwerden, Leistungskürzung, Kündigungsandrohung und danach erfolgter Kündigung wurde in Abstimmung mit der Bietergemeinschaft reagiert. Die jeweilige Auftragsvergabe muss jedoch im Rahmen eines diskriminierungsfreien, transparenten und rechtlich vorgegebenen Vergabeverfahrens erfolgen. Dadurch lässt sich allerdings – auch für die Zukunft - nicht ausschließen, dass es während der Vertragslaufzeit zu einer Schlechtleistung oder einer Insolvenz kommt.

5.) Welche finanziellen Auswirkungen ergaben bzw. ergeben sich aus den Verträgen mit der „Postcon“ bzw. „xendis“ sowie durch den Wechsel?

Die erste Teilfrage ist für die Verwaltung nicht verständlich. Solange der Vertrag bestand und die Leistungen durch Xendis erbracht worden sind, besteht die Pflicht zur Leistungsbezahlung. Um möglichen Regressansprüchen von Gläubigern im Regelinsolvenzverfahren ab voraussichtlich 1.1.2023 vorzubeugen, wurde u.a. der Vertrag vorsorglich fristlos zum 21.12.2022 gekündigt. Finanzielle Auswirkungen für die Bietergemeinschaft aufgrund des Anbieterwechsels können aktuell nicht beziffert werden. Wegen gestiegener Preise ist jedoch mit Mehrkosten auf Grund des Ausschreibungsergebnisses zu rechnen.

6.) Welche Rückmeldungen liegen seitens des Kreises bzw. der kreisangehörigen Kommunen zu den Betriebsabläufen seit dem Wechsel vor? Werden die Sendungen/Zuschriften derzeit „on time“ ausgeliefert respektive abgeholt?

 

Aus Sicht des Rhein-Kreises Neuss hat sich die Zustellqualität seit der skizzierten „Notfall-Beauftragung“ der Deutsche Post InHauseServices GmbH erheblich verbessert. Aussagen für die Bietergemeinschaft sind aber erst nach dem 1.3.2023 möglich, da erst zu diesem Zeitpunkt alle Beteiligten wieder unter dem Dach des gemeinsam unterschriebenen Rahmenvertrages zusammenkommen.