Betreff
Übergang Schule - Beruf (Antrag der SPD-Kreistagsfraktion)
Vorlage
40/0772/XV/2010
Art
Beschlussvorlage

Beschlussempfehlung:

Der Schulausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.

 


Sachverhalt:

In seiner dritten Sitzung am 31.05.2010 beriet der Schulausschuss über den Antrag der SPD-Kreistagsfraktion zum Thema Übergang Schule-Beruf. In der vorgenannten Sitzung beschloss der Schulausschuss, die Verwaltung zu beauftragen, die Möglichkeit einer Kooperation zwischen den Berufsbildungszentren des Kreises und den 9. und 10. Klassen der Haupt- bzw. Gesamtschulen zu untersuchen, die zum Ziel hat, den Übergang von der Schule in den Beruf zu erleichtern. In die Untersuchung sollten bestehende Konzepte zur Berufsorientierung einbezogen werden.

 

Im Folgenden werden folgende Konzepte zur Berufsorientierung vorgestellt:

 

  1. Projekt „ProBe“, Hochsauerlandkreis
  2. Neustädter Modell, Niedersachsen
  3. Bildungsketten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

 

A. Projekt ProBe, Hochsauerlandkreis

 

ProBe richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Haupt- und Förderschulen und will die Chancen auf einen Ausbildungsplatz verbessern. Das Projekt gliedert sich in drei Phasen:

 

1. Phase (Klasse 7.2 und 8.1)

 

In einer Doppelstunde wird ca. 14tägig im Klassenverband auf die berufliche Entwicklung vorbereitet und die Schülerinnen und Schüler werden für das Thema Berufswahl sensibilisiert.

 

2. Phase (Klasse 8.2 und 9.1)

 

In 8.2 wird wöchentlich an einem Nachmittag außerhalb der Schulzeit für 5 Wochen in drei Gewerken Praxisunterricht angeboten.

 

In der Klasse 9.1 muss eine Festlegung auf einen werkpraktischen Bereich erfolgen. Danach werden in diesem Bereich berufsbezogene Fähig- und Fertigkeiten, Kenntnisse und praktische Erfahrungen zu den Berufen und Berufsfeldern vermittelt. Der Unterricht im werkpraktischen Bereich in der Klasse 9.1 findet an einem Tag in der Woche statt.

 

3. Phase (Klasse 9.2)

 

In der dritten Phase steht das Bewerbungstraining im Vordergrund. Hier werden Bewerbungskenntnisse vermittelt, die Erstellung von Bewerbungsunterlagen geübt und eine Durchsicht und Korrektur von Bewerbungsmappen vorgenommen. Außerdem werden Bewerbungsgespräche geführt und diese anhand von Videoaufzeichnungen ausgewertet.

 

Durchführung des Projektes

 

Das Projekt wird in der ersten Phase von Lehrerinnen und Lehrern und den Berufsberatern der Arbeitsagentur durchgeführt. In der zweiten Phase wird zusätzlich zum Unterricht wöchentlich ein Nachmittag durch Werklehrer der Berufskollegs (auf Honorarbasis vom Trägerverein) oder durch die Kammern im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung (Ersatz von Sach-  und Personalkosten) durchgeführt. Das Bewerbungstraining in der Phase drei wird in der Schule von Weiterbildungsträgern, mit denen entsprechende Verträge abgeschlossen wurden, durchgeführt. Zur Begleitung des Projektes wurde ein Beirat eingerichtet, dem die Kommune, die Schulverwaltung, die Schulaufsicht und der Maßnahmeträger angehören. Der Beirat trifft die Grundsatzentscheidung und steuert die Projektentwicklung.

 

Kosten

 

Für zurzeit ca. 2.500 Schülerinnen und Schüler entstehen Kosten in Höhe von 653.000 Euro jährlich, die im Wesentlichen für Personal, Sachausstattung, die Schulsozialarbeiter und für den Träger des Projektes anfallen.

 

Finanzierung des Projektes

 

Das Projekt wird mit 49 % aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit, (zurzeit noch) mit 25,5 % aus kommunalen Mitteln und mit 25,5 % aus Mitteln privater Dritter finanziert. Am Projekt beteiligt sind im Hochsauerlandkreis eine Bürgerstiftung, die Agentur für Arbeit, der Hochsauerlandkreis, kreisangehörige Kommunen, Sparkassen, der Lions Club und die Interessengemeinschaft Wirtschaft e.V. Das Projekt wird im Hochsauerlandkreis als äußerst erfolgversprechend bewertet. Derzeit ist allerdings die zukünftige Finanzierung aufgrund der geringer ausfallenden finanziellen Mitteln durch die Arbeitsagentur nicht sicher.

 

Eine Nachfrage bei der Agentur für Arbeit im Rhein-Kreis Neuss ergab, dass die für den Rhein-Kreis Neuss zur Verfügung stehenden Mittel im Rahmen der vertieften Berufsorientierung für das Jahr 2011 und 2012 bereits verplant seien.

 

B. Neustädter Modell, Niedersachsen

 

Um die Hauptschüler auf die Berufwelt vorzubereiten und den Übergang Schule/Beruf zu verbessern, startete die kooperative Gesamtschule Neustadt (KGS) in Kooperation mit den berufsbildenden Schulen Neustadt im Schuljahr 2004/2005 einen zunächst auf vier Jahre genehmigten Schulversuch. Neben der Vermittlung der schulischen Allgemeinbildung wurde in diesem Modell den Schülerinnen und Schülern eine praxisbezogene berufliche Grundbildung vermittelt.

 

Durch das Neustädter Modell wird das Nebeneinander von Ausbildung und Berufsorientierung aufgehoben und allgemeine und berufliche Bildung verzahnt. Die Doppelqualifizierung erhöht die Chancen auf einen Ausbildungsplatz nachhaltig und verringert die Zahl der Schulabgänger ohne Schulabschluss. Letztlich wird das Berufsgrundschuljahr an den Berufskollegs auf Dauer vermieden.

 

Das Angebot richtet sich an alle 9. und 10. Klassen des Hauptschulzweiges der KGS. Die Schülerinnen und Schüler verbringen zwei Tage in der Woche (jeweils dienstags und donnerstags) in der berufsbildenden Schule und erhalten dort berufspraktischen und fachtheoretischen Unterricht. Für den Unterricht an den berufsbildenden Schulen stehen vier Berufsfelder zur Auswahl: Farbtechnik und Raumgestaltung, Metalltechnik, Nahrung und Körperpflege. An den anderen Tagen werden sie wie bisher in der kooperativen Gesamtschule Neustadt in den allgemeinbildenden Fächern unterrichtet. Das Gesamtcurriculum für die Schüler besteht an den berufsbildenden Schulen aus zehn Stunden Fachpraxis und vier Stunden Fachtheorie. Der Fächerkanon des allgemeinbildenden Unterrichts musste entsprechend reduziert werden.

 

Diese Kürzung in den Fächern Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaften wird durch den Unterricht an der berufsbildenden Schule aufgefangen, so dass die Schüler insgesamt einen Stundenumfang von 35 Wochenstunden (5 Unterrichtsstunden mehr als regulär) haben.

 

Zusätzlich zu den landesweiten Abschlussprüfungen in den allgemeinbildenden Fächern wurde im beruflichen Bereich eine Abschlussprüfung eingeführt, welche die Anrechenbarkeit der beruflichen Grundbildung auf die nachfolgende Berufsausbildung ermöglicht. Von der Handwerkskammer Hannover wird den Mitgliedsbetrieben die Anerkennung dieses Ausbildungsjahres empfohlen.

 

Die Schüler erhalten ein gemeinsames Zeugnis der KGS Neustadt und der berufsbildenden Schule Neustadt, welches auch die Beurteilung der Leistung in der Fachtheorie und der -praxis enthält. Darüber hinaus erhalten die Schülerinnen und Schüler ein Zertifikat, welches die vermittelten und beruflichen Ausbildungsinhalte detailliert aufführt.

 

Für Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Klassen des Realschulzweiges an der KGS Neustadt startete mit dem Schuljahr 2007/2008 ebenfalls ein Kooperationsprojekt mit den berufsbildenden Schulen, welches in einer ähnlichen Struktur durchgeführt wird. Dieses Modell einer „Mechatronikerklasse“ wird momentan lediglich einer von vier Realschulklassen pro Jahrgang angeboten. Das Angebot richtet sich insbesondere an Schüler mit guten Leistungen in Naturwissenschaften und Mathematik. In der berufsbildenden Schule wird dann im Rahmen der zweijährigen Projektdauer eine berufliche Grundbildung vermittelt, die dem ersten Ausbildungsjahr des Mechatronikers entspricht.

 

Für die Durchführung des „Neustädter Modells“, welches Schülern eine Doppelqualifizierung im Rahmen allgemeiner Bildung und beruflicher Grundbildung ermöglicht, ist es wichtig, dass

 

-          eine organisatorisch gesicherte Verankerung gegeben ist und die Schulleiter der allgemeinbildenden und der berufsbildenden Schulen hinter diesem Konzept stehen,

-          Akzeptanz im Kollegium vorhanden ist und ggf. Lehrkräfte entsprechend fortgebildet werden,

-          Schüler im Vorfeld gut informiert sowie vorbereitet und in der Berufspraxis intensiv durch die Klassenleitung betreut werden,

-          die Eltern und die Schulaufsicht einbezogen werden durch ausführliche Informationen und Beratung.

 

Das Modell wurde der Schulaufsicht im Rhein-Kreis Neuss und den Leitern der Berufsbildungszentren Hammfeld, Grevenbroich und Dormagen vorgestellt. Ein Termin vor Ort zur Vorstellung des Projektes ist vorgesehen, bevor eine Stellungnahme der Schulleitungen der o.g. Berufsbildungszentren erfolgt.

Nach Auskunft der Schulaufsicht ist die Durchführung eines solchen Projektes im Rahmen von sogenannten „Kooperationsklassen“ grundsätzlich möglich.

 

Zusätzliche Kosten entstehen im Bereich

-        der zusätzlich notwendigen Lehrkräfte an den Berufskollegs

-        der sächlichen Ausstattung in den Berufskollegs

-        der Schülerfahrkosten.

 

C. Bildungsketten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

 

Mit der Initiative „Bildungsketten bis zum Abschluss“, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 362 Millionen Euro fördert, werden Potenzialanalysen von allen Schülern ab der 7. Klasse, der mehrjährige Einsatz von Bildungslotsen bei abschlussgefährdeten Schülern und eine frühzeitige, praxisorientierte Berufsorientierung während der Schulzeit gefördert. Bundesweit sollen ca. 1.000 Hauptschulen beteiligt werden.

 

1. Berufsorientierungsprogramm in überbetrieblichen und vergleichbaren

    Berufsbildungsstätten

 

Mit dem o.g. Programm soll die systematische und individuelle Berufsorientierung in überbetrieblichen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten zur Verbesserung des Übergangs von der Schule in die Berufsausbildung erfolgen. Zielgruppe des Programms sind Jugendliche mit Interesse für handwerkliche Berufe oder eine andere duale Ausbildung in der Regel ab der 8. Klasse der allgemeinbildenden Schulen. Das Berufsförderungszentrum Schlicherum e.V. hat einen Antrag zur Förderung aus dem Berufsorientierungsprogramm gestellt, der auch genehmigt wurde. Zur Durchführung des Projektes wurden mit der städtischen Ganztagshauptschule Weißenberg und der Joseph-Beuys-Schule Kooperationsverträge abgeschlossen. Weitere Kooperationsverträge sollen mit der Janusz-Korczak-Gesamtschule, der Maximilian-Kolbe-Schule und der Städt. Gemeinschaftshauptschule Osterath abgeschlossen werden. Die Projektskizze ist im Anhang beigefügt (Anlage 1).

 

2. Berufseinstiegsbegleiter

 

In Nordrhein-Westfalen wurde bereits seit zwei Jahren das Instrument des Berufseinstiegsbegleiters genutzt. Das Programm wird an ca. 200 Haupt-, Gesamt- und Förderschulen in Nordrhein-Westfalen eingesetzt und soll durch das neue Programm der Bundesregierung um 220 Schulen erweitert werden.

 

Jeder Berufseinstiegsbegleiter/Bildungslotse kümmert sich intensiv um maximal 20 Schülerinnen und Schüler, die sich beim Einstieg in den Beruf besonders schwer tun. Der Berufseinstiegsbegleiter soll ab Klasse 9 Ansprechpartner sein, der die Schülerinnen und Schüler begleitet, motiviert und unterstützt. Das Programm wird durchgeführt von der Agentur für Arbeit.

 

Der Landkreistag Nordrhein-Westfalen hat Zweifel am Erfolg des Programms der „Bildungslotsen“ geäußert. Der Landkreistag begrüßt zwar das Ziel, lerngefährdete Jugendliche beim Einstieg in die Berufsausbildung zu unterstützen, hält aber ein weiteres Sonderprogramm nicht für sinnvoll. Der Landkreistag fordert die bestehenden Förderprogramme zu bündeln und die Kommunen vor Ort selbst entscheiden zu lassen, wie sie entsprechend der spezifischen Bedarfe vor Ort, Mittel zur Verbesserung des Übergangs Schule/Beruf einsetzen.

 

Er betont, dass es zurzeit einen unübersichtlichen Dschungel von Einzelmaßnahmen des Bundes und der Länder sowie weiterer Institutionen gebe, die alle den Übergang von der Schule in den Beruf und die Chancen der Jugendlichen in diesem Bereich verbessern wollten. Der bereits bestehende Angebotswirrwarr beim Übergang Schule/Beruf sei einer der entscheidenden Gründe, warum es in diesem Bereich Probleme gebe.

 

Eine tabellarische Programmübersicht zum Handlungsschwerpunkt „Jugend und Beruf“ ist beigefügt (Anlage 2).