Beschlussempfehlung:

Der Beirat bei der Unteren Landschaftsbehörde erhebt keinen Widerspruch gegen die Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG für den Ersatzneubau der 110-kV-Hochspannungsfreileitung Dülken - Erftwerk im Abschnitt Pkt. Noithausen - UA Wevelinghoven.


Sachverhalt:

Die RWE Westfalen-Weser-Ems Netzservice GmbH, Dortmund, plant im Zuge der Erneuerung und Instandsetzung des Hochspannungsfreileitungsnetzes den Neubau der bestehenden 110-kV-Hochspannungsleitung Dülken - Erftwerk im Abschnitt zwischen der A 46 bei Grevenbroich - Noithausen und der Umspannanlage Wevelinghoven. Das Vorhaben kann nach § 43 f des Energiewirtschaftsgesetzes als von unwesentlicher Bedeutung angesehen werden, dies mit der Folge, dass förmliche Verfahren nach diesem Gesetz nicht durchzuführen sind. Dies setzt jedoch u. a. voraus, dass alle erforderlichen behördlichen Entscheidungen vorliegen, in diesem Fall naturschutzrechtlich die erforderliche Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG und die Genehmigung des mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffs in Natur und Landschaft nach § 17 Abs. 3 BNatSchG.

 

Die RWE W-W-E Netzservice GmbH hat die Gewährung von Befreiung und die Erteilung der naturschutzrechtlichen Genehmigung des Eingriffs beantragt.

 

Die in Rede stehende Freileitung besteht in großen Teilen bereits seit 1924. Sie verläuft von der A 46 westlich Grevenbroich - Noithausen aus kommend durch ein Wohngebiet im Norden der Ortslage, durch ein anschließendes Gewerbegebiet, kreuzt den Wevelinghovener Entwässerungsgraben und folgt der Trasse der K 10 bis zur Umspannanlage Wevelinghoven.

 

Ab dem Austritt aus dem Gewerbegebiet liegt die Trasse im festgesetzten Landschaftsschutzgebiet 6.2.2.1 „Erftniederung“ nach dem Landschaftsplan VI - Grevenbroich / Rommerskirchen -. Hier bedarf die Änderung der Leitung der Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG von den entgegenstehenden Verboten des Landschaftsplans. Insgesamt ist für den Neubau der Leitung auch eine Genehmigung des damit verbundenen Eingriffs in Natur und Landschaft nach § 17 Abs. 3 BNatSchG erforderlich. Mit der Erarbeitung der Landschaftspflegerischen Begleitplanung wurde das Büro LANDSCHAFT!, Aachen, beauftragt.

 

Im Zuge des Ersatzneubaus der Leitung ist beabsichtigt, diese aus dem Wohngebiet heraus nach Norden zu verlagern, so dass eine neue Freileitung die Ortslage Noithausen und das Gewerbegebiet unter Berücksichtigung einer denkbaren Trasse der K 10 als Ortsumgehung Noithausen auf der Nordseite umlaufen und östlich des Gewerbegebietes wieder auf die heutige Trasse zurückschwenken würde. Ab diesem Punkt würde die Leitung in der heutigen Führung erneuert.

Die Länge der Neubaustrecke (Verlegung) beträgt etwa 1.300 m. Durch diese Verlegung entfallen insbesondere in der Ortslage und dem angrenzenden Gewerbegebiet Leitungsabschnitte von etwa 1.100 m Länge. Die Gesamtlänge der zu erneuernden Leitung in diesem Bereich erhöht sich damit von etwa 2.500 m auf 2.700 m.

Innerhalb des Landschaftsschutzgebietes entsteht durch die Verlegung eine neue Strecke auf einer Länge von 433 m.

Die Höhen der bestehenden Masten betragen zwischen 28,0 und 32,0 m. Hie Höhe der neuen Masten soll zwischen 31,0 und 34,0 m liegen. Im Fall von 3 Masten auf Grund der erforderlichen Arbeitshöhe für die darunter liegende Produktenleitung muss dieses Maß überschritten werden (36,2 m, 40,2 m und 42,7 m).

 

Der für das naturschutzrechtliche Befreiungsverfahren maßgebliche Neubauabschnitt der Freileitung im Landschaftsschutzgebiet 6.2.2.1 liegt zwischen der Bahnlinie Grevenbroich - Holzheim und dem Berührungspunkt mit der bestehenden Trasse etwa auf Höhe des Wevelinghovener Entwässerungsgrabens. Die Länge dieses Abschnitts beträgt etwa 320 m. Von dort bis zum Ende des Landschaftsschutzgebietes auf Höhe der Krummstraße in Wevelinghoven wird die Leitung einschließlich der Masten lediglich erneuert. Westlich der Ortslage Noithausen liegt der Neubaubereich nicht in Schutzgebieten.

 

Zu den Details der Leitungsführung wird auf die beiliegende Planung verwiesen.

 

Nach dem Verbot unter Ziff. 6 in Abschnitt 6.2.2 des Landschaftsplanes VI - Grevenbroich / Rommerskirchen - des Rhein-Kreises Neuss ist es im Landschaftsschutzgebiet u. a. insbesondere verboten, oberirdische Leitungen zu errichten oder zu ändern. Die geplanten Maßnahmen (sowohl Neubau als auch Ersatz der bestehenden Leitung) widersprechen diesem Verbot.

 

Von dem Verbot kann gem. 67 Abs. 1 BNatSchG durch die Untere Landschaftsbehörde auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

 

1.    dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder

2.    die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.

 

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG liegen vor.

 

So weit der Abschnitt betroffen ist, in welchem die bestehende Leitung erneuert und modernisiert wird, würde die Durchführung des bezeichneten Verbots mit der Folge, dass die Freileitung zu einer für den Leitungsträger erheblichen Belastung führen. Es muss dem Leitungsträger möglich sein, seine (hier 88 Jahre) alten Hochspannungsfreileitungen unter Verwendung dem heutigen Stand der Technik entsprechender Anlagen zu modernisieren und zu sichern. Sollte ihm dies nicht möglich sein, müsste die Leitung früher oder später aufgegeben werden. Dies würde zu einer nicht zumutbaren Belastung führen.

Die mit der Sanierung in diesem Abschnitt verbundenen Beeinträchtigungen für Natur und Landschaft sind nicht so wesentlich, dass bei gerechter Abwägung eine Zumutbarkeit angenommen werden könnte.

Hinzu kommt ein öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung dieser Leitung zur Versorgung der angeschlossenen Gebiete mit elektrischer Energie. Dieses öffentliche Interesse überwiegt im vorliegenden Fall angesichts der denkbar geringen Auswirkungen der standortgleichen Sanierung auf Natur und Landschaft.

 

Für den Bereich der Trassenverlegung nördlich und östlich Noithausen besteht an der Verlegung ein öffentliches Interesse. Die Leitung verläuft derzeit innerhalb der Ortslage und durch ein Gewerbegebiet. Die Verlegung aus der Ortslage in die freie Landschaft ist empfehlenswert. Damit wird die Überspannung der unmittelbar hinter den Häusern liegenden Gärten vermieden. Obwohl die Leitung nach Auskunft der Betreiberin die Grenzwerte der 26. BImSchV einhält, stellt sie doch eine nicht unerhebliche Belastung für das überspannte Wohngebiet dar.

Die Verlagerung der Leitungstrasse nach Norden aus der Ortslage heraus nimmt einen schlüssigen Punkt der westlich anschließenden Leitung nördlich der Unterführung der K 40 unter die Autobahn A 46 auf und verläuft von dort aus nach Osten bis zu einem gedachten Punkt an einer denkbaren Trasse einer Ortsumgehung durch die K 10. Von dort aus folgt die Leitung der denkbaren Trasse der K10 bis zum Wiederanschluss an die bestehende Leitung östlich des Gewerbegebietes.

Der Neubaubereich im Landschaftsschutzgebiet liegt zwischen der Bahnlinie Grevenbroich-Holzheim und dem Kontaktpunkt mit der heutigen Leitungstrasse östlich des Gewerbegebietes. Für diesen Abschnitt ist die Gewährung von Befreiung von den entgegenstehenden Verboten des Landschaftsplanes VI zur Realisierung erforderlich.

Die Alternative der Leitungsverlegung nach Norden wäre deren Sanierung und Erneuerung innerhalb des Bereiches der Ortslage und im Gewerbegebiet unter Beibehaltung der Trasse. Damit würde die Hochspannungsfreileitung im besiedelten Bereich verbleiben.

Da sich im Rahmen der Leitungssanierung die Möglichkeit zur Verlegung aus dem Siedlungsbereich heraus ergibt, sollte diese genutzt werden.

Eine der jetzt vorgesehenen Verlegungstrasse vergleichbare Trassenführung sowie eine Ortsumgehungstrasse der K 10 sind im wirksamen Flächennutzungsplan der Stadt Grevenbroich als Ziele der Entwicklung dargestellt.

 

Der Bau der nach Norden zu verlegenden Leitungstrasse sowie die Sanierung der übrigen Leitungsabschnitte bedürfen neben der Entscheidung über die Gewährung von Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG auch einer naturschutzrechtlichen Genehmigung des mit der Maßnahme verbundenen Eingriffs in Natur und Landschaft. Diese kann ebenfalls erteilt werden. Für die Eingriffsbewertung wurde ein Landschaftspflegerischer Begleitplan mit Artenschutzrechtlichem Beitrag durch das Büro LANDSCHAFT!, Aachen, erarbeitet. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass der vorhabenbedingte Eingriff in Natur und Landschaft kompensierbar ist und artenschutzrechtliche Verbotstatbestände nach § 44 BNatSchG durch Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen nicht realisiert werden.

 

Eine Ausfertigung des LBP mit Artenschutzrechtlichem Beitrags ist beigefügt.

 

Nach § 69 Abs. 1 LG NRW ist der Beirat bei der Unteren Landschaftsbehörde mit dem Recht des Widerspruchs vor beabsichtigten Befreiungen zu beteiligen.