Beschlussvorschlag:
Der Sozial- und Gesundheitsausschuss nimmt den Bericht zur Kenntnis.
Sachverhalt:
Gemäß § 6 des Landespflegegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (PfG.NW) hat der Rhein-Kreis Neuss als Bestandteil der kommunalen Pflegeplanung eine Pflegemarktbeobachtung durchzuführen. Neben der Bestandsausnahme über das vorhandene Pflegeangebot dient diese Aufgabe der Überprüfung, ob über den Pflegemarkt ein qualitativ und quantitativ ausreichendes Hilfeangebot für die Pflegebedürftigen besteht.
Um diesen gesetzlichen Auftrag umzusetzen hat der Rhein-Kreis Neuss im Jahr 2008 in Folge des Altenhilfegutachtens Silberner Plan ein Gutachten zur Nachfrageentwicklung nach professionellen Pflegeleistungen bei der Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V., Dortmund, in Auftrag gegeben. Das Gutachten wurde seinerzeit dem Sozial- und Gesundheitsausschuss vorgestellt und auch in der Pflegekonferenz ausführlich diskutiert. Das Gutachten prognostiziert auf Grundlage demographischer Daten Zahlenkorridore, innerhalb derer sich die Nachfrage nach ambulanter und stationärer Pflege in den Jahren 2010, 2015, 2020 und 2025 voraussichtlich bewegen wird.
Im ambulanten Bereich ist zu beobachten, dass der Pflegemarkt sich selbst reguliert. Neben der Einstellung einiger Pflegedienste durch die Betreiber werden neue Unternehmen gegründet oder das Angebot bereits bestehender Träger ausgebaut.
Im teilstationären Bereich ist festzustellen, dass die Tagespflege aufgrund der Reform der Pflegeversicherung für die Leistungsanbieter interessanter geworden ist und privatgewerbliche Anbieter verstärkt auf den Markt drängen. Im Rhein-Kreis Neuss ist kürzlich eine neue Tagespflegeeinrichtung in Meerbusch eröffnet worden, 3 weitere (je eine in Dormagen, Grevenbroich und Jüchen) befinden sich konkret in Planung und werden voraussichtlich im Jahr 2013 in Betrieb gehen.
Im Jahr 2010 hat die Verwaltung für den Bereich der stationären Pflege basierend auf der tatsächlichen Nachfrage in den bestehenden Pflegeeinrichtungen überprüft, an welcher Stelle der Nachfragekorridor für das Jahr 2010 getroffen wurde. Auf dieser Erkenntnis beruhend wurde dann die Prognose für das Jahr 2015 aktualisiert. Daraus ergaben sich für die kreisangehörigen Städte und Gemeinden folgende Werte:
|
Bestand |
|
berechnete Nachfrage 2015 |
Saldo* |
Dormagen |
548 |
|
510 |
+38 |
Grevenbroich |
419 |
|
560 |
-141 |
Jüchen |
119 |
|
170 |
-51 |
Kaarst |
267 |
|
370 |
-103 |
Korschenbroich |
241 |
|
270 |
-29 |
Meerbusch |
554 |
|
490 |
+64 |
Neuss |
1092 |
|
1365 |
-273 |
Rommerskirchen |
80 |
|
95 |
-15 |
Rhein-Kreis Neuss gesamt |
3320 |
|
3830 |
-510 |
*Positive Zahlen
bedeuten einen Überhang an Pflegeplätzen, negative Zahlen einen Bedarf.
Würde diese Prognose zutreffen, würden im Jahr 2015 insgesamt 510 Pflegeplätze im Rhein-Kreis Neuss fehlen. Ergänzt man nun die oben gezeigte Tabelle um die dem Rhein-Kreis Neuss bekannten Neubauvorhaben, verändern sich die Ergebnisse wie folgt:
|
Bestand |
Planung |
berechnete Nachfrage 2015 |
Saldo* |
Dormagen |
548 |
0 |
510 |
+38 |
Grevenbroich |
419 |
240 |
560 |
+99 |
Jüchen |
119 |
86 |
170 |
+35 |
Kaarst |
267 |
104 |
370 |
+1 |
Korschenbroich |
241 |
80 |
270 |
+51 |
Meerbusch |
554 |
0 |
490 |
+64 |
Neuss |
1092 |
40 |
1365 |
-233 |
Rommerskirchen |
80 |
80 |
95 |
+65 |
Rhein-Kreis Neuss gesamt |
3320 |
630 |
3830 |
+120 |
*Positive Zahlen
bedeuten einen Überhang an Pflegeplätzen, negative Zahlen einen Bedarf.
Die Planungsvorhaben sind dem Rhein-Kreis Neuss einerseits aufgrund vorliegender Anträge auf Abstimmung der Bauvorhaben nach dem Landespflegegesetz, andererseits auf Grundlage von Bebauungsplanverfahren einzelner Kommunen bekannt. Im Einzelnen sind folgende Vorhaben bekannt, die später von den genannten Pflegeanbietern betrieben werden sollen:
Grevenbroich
Neubau mit 80 Plätzen, St. Augustinus Seniorenhilfe gGmbH
Neubau mit 80 Plätzen, Curanum
Neubau mit 80 Plätzen, Procon (1. Spatenstich am 31.10.2012)
(Anmerkung: Ein weiteres, bereits nach dem Landespflegegesetz abgestimmtes Neubauvorhaben mit 80 Plätzen und weiteren 20 Plätzen für dementiell veränderte Menschen wird nach aktuellen Erkenntnissen der Verwaltung zur Zeit nicht weiter verfolgt.)
Jüchen
Neubau mit 86 Plätzen, Carpe diem (mit der Herrichtung des Grundstückes wurde begonnen)
Kaarst
Neubau mit 24 Plätzen, Johanniter Seniorenhäuser GmbH (im Bau, Fertigstellung Anfang 2013)
Neubau mit 80 Plätzen, Anbieter noch nicht bekannt
Korschenbroich
Neubau mit 80 Plätzen, Anbieter noch nicht bekannt
Rommerskirchen
Neubau mit 80 Plätzen, Carpe diem
Neuss
Neubau mit 80 Plätzen, St. Augustinus Seniorenhilfe gGmbH*
*bei Inbetriebnahme des
Neubaus Einstellung des Betriebes des Haus St. Georg mit 40 Plätzen, somit nur
Schaffung von 40 neuen Plätze
Aus den Daten ist erkennbar, dass bereits heute ein Überangebot von Pflegeplätzen im Rhein-Kreis Neuss droht. Dabei ist nicht bekannt, ob und ggf. wie viele neue Projekte bis zum Jahr 2015 noch hinzukommen und die Gesamtproblematik weiter verschärfen.
Die regelmäßige Abfrage der Verwaltung zur Belegung der bestehenden Pflegeeinrichtungen zeigt für den Rhein-Kreis Neuss die folgende Entwicklung:
Stichtag |
freie Plätze |
15.11.2011 |
68 |
15.02.2012 |
45 |
15.05.2012 |
41 |
15.08.2012 |
27 |
Auch hieraus lässt sich ableiten, dass ein kontinuierlicher, schrittweiser Ausbau des Angebotes an stationären Pflegeplätzen ist im Rhein-Kreis Neuss im Zuge der demographischen Entwicklung notwendig ist. Jedoch sollte ein zu schneller Ausbau des Angebotes bzw. die gleichzeitige Schaffung mehrerer Einrichtungen im Kreisgebiet vermieden werden. Der Rhein-Kreis Neuss hat hierbei keine unmittelbaren Einflussmöglichkeiten oder rechtliche Instrumente, da sich nach den Vorgaben des SGB XI ein freier Pflegemarkt entwickeln soll.
Ein Überangebot an Pflegeplätzen bedeutet, dass die bestehenden Einrichtungen nicht wirtschaftlich arbeiten können, da hierfür aufgrund der Finanzierungssystematik eine Auslastung von fast 95% notwendig ist. Fehlende Einnahmen durch nicht belegte Betten werden fast immer durch Einsparungen im Personalbereich kompensiert. Dies ist möglich, weil die Vergütungssätze prospektiv festgelegt werden und somit nicht besetzte Personalstellen trotzdem von den Bewohnerinnen und Bewohnern bezahlt werden müssen. In der Folge kann die Pflege nicht auf dem notwendigen Niveau geleistet werden.
In der Funktion des Trägers der Sozialhilfe weist der Rhein-Kreis Neuss darüber hinaus seit Jahren auf die nachhaltigen Auswirkungen eines Zuwachses von stationären Pflegeplätzen auf den Kreishaushalt hin. Nachfolgend sind die Ausgabepositionen des Kreishaushaltes 2012 für die ambulante und teilstationäre Pflege den Ausgaben für die stationäre Pflege gegenübergestellt:
Ambulante und teilstationäre Pflege
Hilfe zur Pflege außerhalb von Einrichtungen |
1.300.000,-€ |
Investitionskostenförderung für Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege |
435.000,-€ |
Förderung ambulanter Pflegeeinrichtungen |
990.000,-€ |
Gesamt |
2.725.000,-€ |
Stationäre Pflege
Hilfe zur Pflege in Einrichtungen |
10.500.000,-€ |
Pflegewohngeld (= Investitionskostenförderung) |
9.500.000,-€ |
Gesamt |
20.000.000,-€ |
Anstatt den weiteren Ausbau von stationären Pflegeplätzen zu unterstützen müssen die Kräfte im Rhein-Kreis Neuss für die altersgerechte Quartiersentwicklung und die Schaffung von barrierefreiem Wohnraum gebündelt werden. Einen weiteren Baustein hinzu wird der Rhein-Kreis Neuss mit der am 29. Januar 2013 im Kreishaus Grevenbroich stattfindenden Fachtagung „Altersgerechte Quartiersentwicklung / Neue Wohnformen im Alter“ leisten.