Betreff
Auswirkungen der Inklusion auf die Förderschullandschaft im Rhein-Kreis Neuss
Vorlage
40/0296/XVI/2014
Art
Mitteilung

Beschlussvorschlag:

Der Schulausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.


Sachverhalt:

1. Inklusion

 

Die UN-Behindertenrechtskonvention  vom 13.12.2006 verpflichtet alle Unterzeichnerstaaten, die weitgehende Teilnahme behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben (Inklusion) zu gewährleisten. Seit 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention auch für die Bundesrepublik Deutschland verbindlich. Seit Beginn des Schuljahres 2014/2015 haben in Nordrhein-Westfalen Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf bei der Einschulung und beim Wechsel in die Sekundarstufe I einen Rechtsanspruch darauf, an einer allgemeinen Schule unterrichtet zu werden. Bereits im Vorfeld des Rechtsanspruches waren die Schulämter und Schulträger gehalten, nach Möglichkeit dem Elternwunsch zur Aufnahme eines Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf in eine allgemeine Schule Rechnung zu tragen.

 

Nach Maßgabe von § 20 Abs. 5 Schulgesetz NRW kann die Schulaufsichtsbehörde mit Zustimmung des Schulträgers Orte des Gemeinsamen Lernens für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf an einer allgemeinen Schule einrichten, wenn die Schule dafür personell und sächlich ausgestattet ist. Das gemeinsame Lernen in der Primarstufe hat sich im Rhein-Kreis Neuss in sechs Kommunen etabliert. Zum Schuljahr 2013/2014 wurden 344 Schülerinnen und Schüler am Gemeinsamen Lernen der Primarstufe an 15 Schwerpunktgrundschulen inklusive der Förderschwerpunkte körperliche und motorische Entwicklung, Sehen sowie Hören und Kommunikation in Einzelförderung unterrichtet (Anlagen 1 und 2).

 

In der Sekundarstufe I werden zwei unterschiedliche Formen des Gemeinsamen Lernens umgesetzt. Zielgleich geförderte Schülerinnen und Schüler nehmen am allgemeinen Unterricht teil. Schülerinnen und Schüler mit Förderschwerpunkten Lernen oder Geistige Behinderung werden hingegen an der allgemeinen Schule zieldifferent unterrichtet. Im Schuljahr 2013/2014 wurden im Rhein-Kreis Neuss 260 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen der Sekundarstufe I beschult. Hiervon wurden u. a. 220 Schülerinnen und Schüler zieldifferent in 17 Schwerpunktschulen in sieben Städten und Gemeinden des Rhein-Kreises Neuss unterrichtet (Anlagen 3 und 4).

 

Die zunehmende Umsetzung der Inklusion im schulischen Bereich hat Auswirkungen auf die Förderschullandschaft im Rhein-Kreis Neuss.

 

2.  Auswirkungen auf die Förderschullandschaft

 

Der Rhein-Kreis Neuss ist Träger von sieben Förderschulen, an denen Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung, Sprachbehinderung, Lernbehinderungen sowie schwer wiegenden Verhaltensauffälligkeiten sonderpädagogisch gefördert werden.

 

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Schulen:

 

Schule

Standort

Schwerpunkte

Einzugsbereich

Schülerzahl

Mosaik-Schule

Grevenbroich

Geistige Entwicklung

Grevenbroich, Jüchen, Rommerskirchen, Dormagen-West

135

Sebastianus-Schule

Kaarst

Geistige Entwicklung

Kaarst, Korschenbroich, Meerbusch

 88

Schule am Nordpark

Neuss

Geistige Entwicklung

Neuss, Dormagen-Ost

144

Michael-Ende-Schule

Neuss

Sprache

Rhein-Kreis Neuss

205

Joseph-Beuys-Schule

Neuss

Emotionale und soziale Entwicklung

Rhein-Kreis Neuss

132

Martinusschule

Kaarst

Lernen

Emotionale und soziale Entwicklung

Kaarst, Korschenbroich, Meerbusch

110

Schule am Chorbusch

Dormagen

Lernen

Emotionale und soziale Entwicklung

Sprache

Dormagen, Grevenbroich, Rommerskirchen, Jüchen

188

 

Während der Rhein-Kreis Neuss bereits seit vielen Jahren Träger der Mosaik-Schule, der Sebastianus-Schule, der Schule am Nordpark, der Michael-Ende-Schule sowie der Joseph-Beuys-Schule ist, sind die Martinusschule und die Schule am Chorbusch erst zum Schuljahr 2013/2014 bzw. 2014/2015 in die Trägerschaft des Rhein-Kreises Neuss übergegangen. Der Schulträgerwechsel ist eine Folge der Inklusion im schulischen Bereich.

 

Mit der Zielsetzung, Inklusion auch im schulischen Bereich umzusetzen, werden vor allem Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Förderbedarf Lernen in allgemeinen Schulen unterrichtet. Dies hatte zur Folge, dass die Schülerzahlen an den Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen, die sich alle in der Trägerschaft kreisangehöriger Kommunen befanden, in den vergangenen Jahres kontinuierlich gesunken sind. Im Schuljahr 2007/2008 besuchten noch 1.800 Kinder und Jugendliche eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen im Rhein-Kreis Neuss. Im Schuljahr 2013/2014 waren es nur noch 1.458  (- 19,0 %). Die Schülerzahlen an den Förderschulen mit den Förderschwerpunkten Geistige Entwicklung, Sprache sowie Emotionale und soziale Entwicklung waren demgegenüber stabil oder stiegen sogar leicht an, obwohl die Inklusion auch bei diesen Förderschwerpunkten angestrebt wird.

 

Nach der Verordnung über die Mindestgrößen von Förderschulen und der Schule für Kranke vom 16.10.2013 beträgt die Mindestgröße von Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen 144 Schülerinnen und Schüler. Ausnahmeregelungen, nach denen mit Zustimmung der Bezirksregierung diese Mindestgröße um bis zu 50 % unterschritten werden kann, wenn die schulorganisatorischen Verhältnisse und die Gewährleistung eines zumutbaren Schulbesuchs dies erfordern, sieht diese Verordnung nicht mehr vor. Damit bei Unterschreiten der Mindestgröße Förderschulen nicht geschlossen werden müssen, empfiehlt das Land in der Begründung zu der o. g. Verordnung u. a., mehrere Förderschulen in der Trägerschaft von Gemeinden zu einer Schule in Kreisträgerschaft zusammenzulegen.

 

Ziel des Rhein-Kreises Neuss ist es, auf der Grundlage des die Bildung betreffenden Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention den Eltern der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf auch künftig ein Wahlrecht hinsichtlich des Förderortes zu ermöglichen und durch Investitionen in die Förderschulen den Fortbestand eines bedarfsgerechten Förderschulangebotes für die Förderschwerpunkte Geistige Entwicklung, Emotionale und soziale Entwicklung, Sprache und Lernen im Rhein-Kreis Neuss zu gewährleisten.

 

Mit dieser Zielsetzung hat der Rhein-Kreis Neuss auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung mit den Städten Kaarst, Korschenbroich und Meerbusch sowie mit dem Schulverband Kaarst-Korschenbroich zum Schuljahr 2013/2014 die Martinusschule in Kaarst in seine Trägerschaft übernommen. Die Schule wurde darüber hinaus um den Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung erweitert. Die Raphael-Schule in Meerbusch, die im Schuljahr 2012/2013 nur noch 74 Schülerinnen und Schüler hatte, wurde aufgelöst. Die Schülerinnen und Schüler der Raphael-Schule konnten entweder an die Martinusschule oder an eine allgemeine Schule wechseln.

 

Im Vorfeld des Schulträgerwechsels für die Martinusschule hatte die Bezirksregierung Düsseldorf bei einer Schulträgerberatung eine vergleichbare Lösung für die Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen in Dormagen und Grevenbroich ebenfalls positiv bewertet. Beide Schulen unterschritten im Schuljahr 2013/2014 die Mindestschülerzahl von 144. Die Schule am Chorbusch in Dormagen hatte 120 Schülerinnen und Schüler, die Martin-Luther-King-Schule in Grevenbroich 96. Die Fortführung einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen in der Trägerschaft eines Schulverbandes der Städte Dormagen und Grevenbroich wurde von den beteiligten Kommunen verworfen.

 

Der Rhein-Kreis Neuss hatte den Städten Dormagen und Grevenbroich angeboten, die Trägerschaft einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen zu übernehmen, die vorrangig von Schülerinnen und Schülern aus diesen beiden Städten sowie aus den Gemeinden Jüchen und Rommerskirchen besucht wird. Auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung des Rhein-Kreises Neuss mit den Städten Dormagen und Grevenbroich ging die Schule am Chorbusch in Dormagen zum 01.08.2014 in die Trägerschaft des Rhein-Kreises Neuss über. Die Martin-Luther-King-Schule in Grevenbroich wurde gleichzeitig aufgelöst. Zugleich wurde die Schule am Chorbusch um den Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung erweitert. Damit konnte der Rhein-Kreis Neuss sowohl im Norden als auch im Süden des Kreisgebietes jeweils ein Förderschulangebot für den Förderschwerpunkt Lernen aufrecht erhalten.

 

Der Rückgang der Schülerzahlen betrifft auch die Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen der Stadt Neuss. Im Schuljahr 2013/2014 hatte die Schule am Wildpark noch 148 Schülerinnen und Schüler (2012/2013: 170), die Herbert-Karrenberg-Schule 109 (2012/2013: 119). Die Stadt Neuss beabsichtigt, zum Schuljahr 2015/2016 beide Schulen am Standort der Herbert-Karrenberg-Schule zusammenzuführen. Der Rhein-Kreis Neuss hat der Stadt Neuss angeboten, die Herbert-Karrenberg-Schule in seine Trägerschaft zu übernehmen, so dass der Rhein-Kreis Neuss Träger aller öffentlichen Förderschulen im Rhein-Kreis Neuss wäre. Dies hätte den Vorteil einer höheren Flexibilität bei der Aufnahme von Schülerinnen und Schülern aus dem gesamten Kreisgebiet. Hinzu kämen mögliche Synergieeffekte bei der Schülerbeförderung. Über den aktuellen Sachstand wird die Verwaltung in der Sitzung berichten.