Betreff
Informationen über gesundheitspolitische Vorhaben sowie aktuelle Gesetzgebungsverfahren im Bereich der Gesundheitspolitik
Vorlage
540/0807/XVI/2015
Art
Bericht

Sachverhalt:

Das Eckpunktepapier zur zukünftigen Krankenhausversorgung ist von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet worden und mündete im Frühjahr in einem Referentenentwurf, der nach nachfolgend dargestellten straffen Zeitplan umgesetzt wurde bzw. werden soll:

Zeitplan

28.04.2015

Referentenentwurf

10.06.2015

Kabinett

02./03.07.2015

1. Lesung Bundestag

10.07.2015

1. Durchgang Bundesrat

07.09.2015

Anhörung

15./16.10.2015

2./3. Lesung Bundestag

06.11.2015

2. Durchgang Bundesrat

01.01.2016 

Inkrafttreten

 

Der Name des Gesetzes lautet „Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhaus­versorgung (Krankenhaus-Strukturgesetz – KHSG)“

Aus Sicht der Krankenhäuser wird bei diesem Gesetzesvorhaben das größte Problem der Leistungserbringer, nämlich die bei weitem nicht ausreichende Refinanzierung der Investitionskosten, mit diesem Gesetz nicht einmal ansatzweise gelöst. Und auch für die Unterfinanzierung der Notfallambulanzen sowie für die systematische Unterfinanzierung steigender Personal- und Sachkosten gibt es keinerlei Lösungsansatz.

Aus Krankenhaussicht zielt das Gesetz in zwei Richtungen: Einmal soll der Mengenzuwachs der Leistungen, den Krankenhäuser zur Finanzierung Ihrer steigenden und nicht re-finanzierten Kosten benötigen, begrenzt werden. Zum anderen soll eine Marktbereinigung auf dem Gebiet der Anbieter an Gesundheitsleistungen erreicht werden.

Eins der wichtigsten Ziele des Gesetzgebers ist es, die in den letzten Jahren beobachteten Leistungszuwächse mit den damit verbunden Kostensteigerungen in den Griff zu bekommen. Die Politik vermutet, dass für diese Leistungssteigerungen zumindest anteilig (insbesondere bei bestimmten Leistungsbereichen) wirtschaftliche Interessen der Krankenhäuser und nicht medizinische Notwendigkeiten für die Patienten verantwortlich sind. Eine Reihe von Regelungen haben die gemeinsame Zielsetzung, diesem Leistungszuwachs entgegenzutreten. Dabei ist eine gestufte Vorgehensweise geplant:

Erste Stufe: Bis 2016 bleibt alles beim Status quo

·         Mehrleistungsabschläge (3 x 25%),

·         Versorgungszuschlag (0,8%)

Zweite Stufe (ab 2017): Die Mengensteuerung soll von der Landesebene auf die Ortsebene verlagert werden, das heißt:

·         Mehrleistungen sollen nur noch in den Budgetverhandlungen auf Ebene des einzelnen Krankenhauses berücksichtigt werden. Gleichzeitig sollen die Krankenkassen nicht mehr Geld ausgeben.

·         Das soll durch höhere und länger wirkende Mehrleistungsabschläge auf der Ortsebene erreicht werden. Der Mehrleistungsabschlag wird zukünftig Fixkostendegressionsabschlag genannt und soll zukünftig mindestens 5 Jahre lang erhoben werden.

·         Auf Landesebene wird zukünftig eine Mindestabschlagshöhe festgelegt, die dann für die Ortsebene Gültigkeit hat. Sie soll aber - genauso wie die Mindestdauer von 5 Jahren - nur eine Orientierungsgröße sein: Die Vertragspartner vor Ort können auch höhere Abschläge und Geltungsdauern festlegen (nicht niedrigere).

·         Da über die Mindestabschlagshöhe auf Landesebene zu verhandeln ist, kann man über konkrete Werte nur spekulieren.

Verschärft wird das noch dadurch, dass die Ausnahmetatbestände weniger werden:

·         Auf der Bundesebene soll ein enger Katalog für unverzichtbare Ausnahmen vom Abschlag vereinbart werden. In der Begründung werden folgende Ausnahmetatbestände als möglich angesehen: zusätzliche Versorgungsaufträge, Leistungssteigerungen bei den besonders förderungswürdigen Transplantationen, zusätzlich vereinbarte Leistungen nach vorübergehenden Leistungsrückgängen, die durch personelle Wechsel oder umfassende Baumaßnahmen bedingt sind und DRG-Fallpauschalen mit einem Sachkostenanteil von mehr als zwei Dritteln.

Weiteres Probleme: Bislang stand wenigstens in der Gesetzesbegründung, dass der Mehrleistungsabschlag anzupassen – sprich abzusenken – ist, wenn die Leistungen im Folgejahr nicht mehr erbracht werden. Eine solche Regelung fand man zum Fixkostendegressionsabschlag bislang nicht.

Auch die demographische Entwicklung ist nicht als Ausnahmetatbestand vorgesehen: Leistungssteigerungen werden vom ersten CaseMixPunkt an finanziell unattraktiv. Nimmt man aufgrund der Bevölkerungsentwicklung an, dass 1% Leistungssteigerung im stationären Bereich dem demographischen Wandel geschuldet und somit unvermeidbar ist, wird dieses Risiko einseitig auf die Krankenhäuser abgewälzt.

 

Als Zwischenfazit bleibt festzuhalten, dass das politische Ziel, in Zukunft die Anreize zum Erbringen von Mehrleistungen erheblich einzuschränken, eindeutig klar ersichtlich ist. Es wird zu einer faktischen Deckelung von Leistungen ab dem Jahr 2017 und damit zu einer Reduzierung des Angebotes an Krankenhausleistungen kommen. Wartezeiten für Patienten sind ab 2017 ein realistisches Szenario!

Unsere Strategien müssen gegebenenfalls beschleunigt umgesetzt oder überdacht werden:

Einen weiteren Aspekt des Gesetzesvorhabens stellt Einrichtung eines Pflegestellenförderprogramms zur Stärkung der allgemeinen Pflege mit einem Fördervolumen von 660 Mio. € über drei Jahre. Davon stehen den Häusern aber lediglich 330 Mio. € jährlich langfristig zur Verfügung. Dies widerspricht scheinbar den öffentlichen Verlautbarungen: Die 660. Mio. € werden über drei Jahre den Krankenhäusern zugeführt:

·         2016 = 110 Mio. €

·         2017 = 220 Mio. €

·         2018 = 330 Mio. €

Der Eigenfinanzierungsanteil der Krankenhäuser liegt wieder bei 10% der Personalkosten (wie schon beim letzten Pflegeförderprogramm). Wer kann/will sich das leisten? Pflegepersonal auf Intensivstationen wird nicht gefördert. Ein Wirtschaftsprüfer muss im Nachgang über ein Testat bestätigen, dass die erhaltenen Mittel auch zweckgerichtet verwendet wurden. Nach dem Auslaufen des Programms soll es eine geeignete Anschlussregelung geben.

Den dritten Aspekt des Gesetzes stellt der auf Bundesebene einzurichtende Strukturfonds dar. Er dient der Verbesserung der Versorgungsstrukturen und der Förderung des Abbaus von Überkapazitäten. Auch palliative Versorgungsstrukturen sollen Fördergegenstand sein. Der Umfang von 500 Mio. € soll aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds einmalig bereitgestellt werden. Allerdings wird sich der Strukturfonds sich an den jeweiligen Maßnahmen zu maximal 50% beteiligen, der Rest soll von den Ländern getragen werden. Wenn ein Land die zur Verfügung stehenden Mittel nicht abruft, können sich andere Länder um die Abrufung dieser Mittel „bewerben“. Die Vergabekriterien (wer bekommt für welche Maßnahme Geld?) werden durch die Länder, den GKV-Spitzenverband und und das BMG vereinbart. Die Krankenhausseite ist also nicht beteiligt!

Ein viertes Kernthema des Gesetzentwurfes ist das Thema Qualität im Krankenhaus. Es geht um Strukturqualität: Wer darf was bei welcher personellen und apparativen Ausstattung? Und um Ergebnisqualität: Mortalitätsraten, Komplikationsraten, Wundinfektionsraten, Wiederaufnahmeraten werden hinterfragt und bewertet werden.

Grundlage für Qualitätszu- und -abschläge soll ein Katalog sein, der durch den GBA erarbeitet werden soll. Darin enthalten sind:

  • Leistungen, die für Qualitätszu- und -abschläge geeignet sein sollen,
  • Qualitätsindikatoren, die sich auf diese Leistungen beziehen und
  • Qualitätsziele, deren Erreichung bzw. Über-oder Unterschreitung man mit den Qualitätsindikatoren messen will.

Darüber hinaus soll der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) zukünftig auch unangemeldet kontrollieren, ob die Qualitätsvorgaben eingehalten werden. Wenn Qualitätsmängel festgestellt werden, sollen bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die Qualitätsanforderungen oder akuten Qualitätsmängeln die Prüfergebnisse direkt an Dritte weitergegeben werden. Außerdem soll es neben Maßnahmen der Unterstützung zur Qualitätsverbesserung auch folgende Sanktionen geben:

  • Vergütungsabschläge,
  • die Entziehung der Abrechnungsmöglichkeit für die betreffende Leistung und
  • die Unterrichtung der zuständigen Krankenhausplanungsbehörde.

Eine ausführliche Darstellung geben und das Fazit aus dem Gesetzesvorhabens ziehen wird in der Sitzung des Krankenhausausschusses der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft NRW, Herr Rechtsanwalt Matthias Blum. Das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) mit seinen zwei Hauptzielsetzungen, der Begrenzung des Leistungszuwachses und einer Marktbereinigung (inklusive Patientensteuerung) ist die folgenreichste Krankenhausreform seit Einführung der DRGs. Durch das neue Gesetz steigt der wirtschaftliche Druck für die Krankenhäuser noch einmal deutlich und bestraft die Leistungserbringer für Qualität in der Patientenversorgung.