Betreff
Durchführung des Wohn- und Teilhabegesetzes
Vorlage
50/1093/XVI/2016
Art
Bericht

Sachverhalt:

Am 15. Oktober 2014 ist das Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG) in seiner derzeit gültigen Fassung in Kraft getreten. Gleichzeitig wurde die Durchführungsverordnung zum WTG (WTG-DVO) in Kraft gesetzt.

 

Erst mit Erlass vom 24. November 2015 hat das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen den Kreisen und kreisfreien Städten die beiden ersten Teile des sogenannten „Landeseinheitlichen Rahmenprüfkataloges“ zur Verfügung gestellt. Die wiederkehrenden Regelprüfungen in Pflegeeinrichtungen, Hospizen und einem Teil der Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind anhand des Prüfkataloges vorzunehmen, da das WTG im Wege der Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung durchgeführt wird.

 

Der Rhein-Kreises Neuss hat in seiner Funktion als WTG-Behörde aus diesem Grunde im Jahr 2014 keine Regelprüfungen durchführen können. Um den Umgang und die Handhabung mit dem neuen Prüfinstrument zu proben wurden im Januar in zwei Pflegeeinrichtungen Prüfungen nach vorheriger Terminabsprache durchgeführt. Die gewonnen Erkenntnisse werden ausgewertet um am 17.02.2016 im Arbeitskreis der Einrichtungsleitungen mit Vertretern aller Pflegeeinrichtungen aus dem Rhein-Kreis Neuss diskutiert. Ab März 2016 wird die WTG-Behörde dann die Einrichtungen wieder zu unangekündigten Regelprüfungen aufsuchen.

 

 

 

Derzeit prüft die WTG-Behörde die Rechtmäßigkeit einer von einem Einrichtungsbetreiber geltend gemachten Erhöhung der Vergütungssätze. Im vorliegenden Fall beabsichtigt der Betreiber der Einrichtung einen sogenannten „Gewinnzuschlag“ oder „Risikozuschlag“ in seine Vergütung mit aufzunehmen. Diese Absicht hat er im Rahmen der Vergütungsverhandlungen vorgebracht. An diesen Verhandlungen nehmen auf Seiten der Kostenträger die Knappschaft Bochum als zuständiger Landesverband der Pflegekassen, der Landschaftsverband Rheinland als überörtlicher Träger der Sozialhilfe und der Rhein-Kreis Neuss als örtlicher Träger der Sozialhilfe teil.

 

Die Kostenträger haben die Forderung nach Gewährung eines pauschalen Gewinnzuschlages uni sono zurückgewiesen, da keine nachvollziehbaren Gründe im Einzelfall vorgetragen worden seien, die einen solchen Gewinn- oder Risikozuschlag rechtfertigen würden. Der Betreiber hatte als Begründung das Risiko einer Auslastung unterhalb der verhandelten 98% sowie den Umstand vorgetragen, dass neue Pflegesätze in der Praxis nicht immer nahtlos an die auslaufenden Pflegesätze verhandelt würden. Gewinn- und Risikozuschläge seien auch in anderen Bundesländern Bestandteil der Vergütung stationärer Pflegeeinrichtungen. Gleichsam hatte er erklärt, Mehreinnahmen auch für Standardverbesserungen z.B. im Personalbereich einsetzen zu wollen.

 

Da eine Einigung im Rahmen der Vergütungsverhandlung nicht erreicht wurde, hat der Betreiber die Schiedsstelle für die Soziale Pflegeversicherung im Land Nordrhein-Westfalen angerufen. Diese hat dem Betreiber nach mündlicher Verhandlung vom 17.12.2015 Recht gegeben und eine Pauschale von 4 % auf den Vergütungssatz zuerkannt.

 

Die entstehenden Mehrkosten werden allein von den selbstzahlenden Bewohnerinnen und Bewohnern und vom örtlichen Träger der Sozialhilfe zu zahlen sein. Eine Steigerung des Budgets um 4% macht bei einer Einrichtung mit 80 Plätzen einen Betrag von über 100.000,-€ pro Jahr aus, d.h. mehr als 1.250,-€ pro Jahr pro Bewohner. Würden alle 46 Einrichtungen im Rhein-Kreis Neuss eine entsprechende Forderung erheben, ergäben sich Mehrkosten für den örtlichen Träger der Sozialhilfe in Höhe von mehreren Millionen Euro pro Jahr!

 

Der Landschaftsverband Rheinland wird gegen die o.g. Schiedsstellenentscheidung Klage vor dem Landessozialgericht in Essen erheben. Der Rhein-Kreis Neuss hat den Landschaftsverband Rheinland mandatiert, die Klage auch im Namen des Kreises zu erheben und das entsprechende Verfahren zu führen.

 

In der Funktion als WTG-Behörde hat sich die Kreisverwaltung vom Betreiber der betroffenen Einrichtung das Schreiben vorlegen lassen, mit dem die Bewohnerinnen und Bewohner vor Eintritt in die Vergütungsverhandlungen über die beabsichtigte Kostensteigerung informiert worden sind. Gemäß den Vorgaben des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) hat diese Information mindestens 4 Wochen vorher schriftlich zu erfolgen und ist hinreichend zu begründen.

 

Das zwischenzeitlich vorgelegte Schreiben enthielt keinen Hinweis darauf, dass der Betreiber einen Zuschlag von 4% auf das Gesamtbudget bei den Kostenträgern geltend machen würde. Die Verwaltung hat den Betreiber schriftlich darauf hingewiesen, dass die Entgelterhöhung wegen eines Verstoßes gegen das WBVG als rechtswidrig eingeschätzt wird. Da der Betreiber die Forderung gegenüber den Bewohnern noch nicht tatsächlich geltend gemacht hat, besteht noch kein Grund zum Einschreiten mit ordnungsbehördlichen Mitteln. Stattdessen hat die Verwaltung den Betreiber dahingehend beraten, wie er die Entgelterhöhung nach dem WBVG formal korrekt ankündigt, um zumindest für einen zukünftigen Zeitraum die von ihm angestrebte Entgelterhöhung abrechnen zu können, sofern die Kostenträger mit der beabsichtigten Klage vor dem Landessozialgericht scheitern sollten.