Beschlussvorschlag:
Der Sozial- und Gesundheitsausschuss nimmt
den Bericht der Kreisverwaltung zur Kenntnis.
Sachverhalt:
Ausgangslage
Dem Sozial- und Gesundheitsausschuss wurde
bereits in der Sitzung am 11.02.2016 berichtet, dass das BSG entgegen der
Gesetzeslage in mehreren Verfahren entschieden hat, wonach erwerbsfähige
Unionsbürger, die vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sind,
Ansprüche auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII erlangen können. Das
BSG stützt seine Rechtsauffassung u.a. auf Rechtsprechung des BVerfG zum AsylbLG.
Die möglichen finanziellen Auswirkungen für
den Kreishaushalt bei Umsetzung der BSG-Rechtsprechung sind in der
Sitzungsvorlage-Nr. 50/1055/XVI/2016 zur o.g. Sitzung aufgezeigt worden.
Vorgehen
Die Verwaltung hat mit Rundverfügung Nr. 05/2016
vom 20.04.2016 (erlassen am 22.04.2016) auf die BSG-Rechtsprechung reagiert. Hintergrund
ist die in der Sozialgerichtsbarkeit mit nachvollziehbaren Gründen geübte
Kritik an den Entscheidungen des BSG. So hat u.a. der für die Sozialhilfe
zuständige 12. Senat des LSG NRW dem BSG ausdrücklich widersprochen und
entgegen dieser Rechtsprechung einen Anspruch auf Sozialhilfe versagt. Dem
folgte auch die 18. Kammer des SG Düsseldorf. Darüber hinaus haben bisher
lediglich die fürs SGB II zuständigen Senate des BSG in dieser
Rechtsangelegenheit geurteilt. Der für die Sozialhilfe zuständige Senat des BSG
(8. Senat) hat sich mit dieser Rechtsfrage noch nicht befassen müssen.
Der BSG-Rechtsprechung sind bisher u.a.
folgende Gerichte nicht gefolgt:
·
LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2016, L 12 SO 79/16 B
ER
·
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom
22.02.2016 (L 9 AS 1335/15 B ER) und vom 17.03.2016 (L 9 AS 1580/15 B ER)
·
LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016, L 3
AS 668/15 B ER
·
SG Berlin, Urteil vom 11.12.2015, S 149 AS 7191/13
·
SG Düsseldorf, Beschluss vom 30.03.2016, S 18 AS
791/16 ER
·
SG Speyer, Urteil vom 29.03.2016, S 5 AS 493/14
- SG Dortmund,
Beschluss vom 11.02.2016, S 35 AS 5396/15 ER
Die Sozialämter der kreisangehörigen
Kommunen sind mit vorgenannter Rundverfügung angewiesen worden, mögliche
Klageverfahren in Kauf zu nehmen und unter Berücksichtigung der dem BSG nicht
gefolgten Rechtsprechung inhaltlich zu vertreten.
Gegenstand dieser Rundverfügung ist auch,
dass Sozialhilfe in Form von Überbrückungsbeihilfen im Sinne von § 73 SGB XII
erbracht werden soll. Der Rhein-Kreis Neuss ist damit auch einer Empfehlung des
LKT NRW nachgekommen (siehe Rundschreiben Nr. 204/16 vom 23.03.2016; als
Anlage beigefügt).
Zu den Überbrückungsleistungen gehören
folgende Bedarfe:
·
Regelbedarfe für einen Kalendermonat (70 %)
·
angemessene Bedarfe für Unterkunft und Heizung für
einen Kalendermonat
·
Reisekosten in angemessenem Umfang (regelmäßig die
kostengünstigste Reisevariante)
- Verpflegung
für die Dauer der Rückreise inkl. vollem Abreise- und Ankunftstag
Damit wird betroffenen Unionsbürgern
finanziell ermöglicht, u.a. private Angelegenheit vor Ort zu klären, um die
Rückreise in das jeweilige Herkunftsland anzutreten.
Politische
Bestrebungen
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme
zum Entwurf eines 9. Gesetzes zur Änderung des SGB II -Rechtsvereinfachung-
gebeten (BR-Drs. 66/16[B] vom 18.03.2016, Ziffer 38), im weiteren
Gesetzgebungsverfahren dafür Sorge zu tragen, dass nunmehr dringlich eine
Klarstellung hinsichtlich der Gewährung von Sozialleistungen (SGB II und SGB
XII) bei Zuwanderung aus EU-Mitgliedstaaten erfolgt, um der jüngsten
EuGH-Rechtsprechung zu diesem Thema Rechnung zu tragen.
Die Bundesregierung hat daraufhin erwidert
(BT-Drs. 18/8041 vom 06.04.2016, Ziffer 38), dass sie die Auffassung des
Bundesrats teile und eine gesetzliche Klarstellung zu den Leistungsansprüchen
bzw. -ausschlüssen von Zuwanderern aus anderen EU-Mitgliedstaaten notwendig sei.
Mit einer gesetzlichen Klarstellung ist
mithin zu rechnen, auch wenn vermutet werden darf, dass diese nicht mit dem 9.
Gesetz zur Änderung des SGB II erfolgen wird.
Weiteres Vorgehen
Die örtlichen Sozialämter teilen dem
Rhein-Kreis Neuss alle anhängigen Klageverfahren, die nicht der oben
dargelegten Weisungslage entsprechen, mit. Hieraus wird bei Bedarf eine
Anpassung der Weisungslage geprüft.
Sowohl das Jobcenter als auch die örtlichen
Sozialämter sind angewiesen, bei Anträgen von nicht erwerbstätigen Unionsbürgern
auf Leistungen nach dem SGB II und SGB XII eine entsprechende Mitteilung an die
zuständigen Ausländerbehörden vorzunehmen, damit diese die Prüfung von evtl.
aufenthaltsbeendenden Maßnahmen in Wege leiten können.