Betreff
Finanzierung von Investitionen
Vorlage
20/1570/XVI/2016
Art
Bericht

Sachverhalt:

Der Finanzausschuss hat in der Sitzung am 01.03.2016 auf Antrag der FKG (Freie Kreistagsgruppe Rhein-Kreis Neuss) der Verwaltung den Auftrag erteilt, zu prüfen inwieweit Kommunalanleihen als alternative Finanzierungsmöglichkeit in Zukunft genutzt werden können.

Als möglicher Anwendungsfall könnten die ab dem 01.01.2017 im Bereich der Abfallwirtschaft anstehenden Investitionen im Zusammenhang mit der Neustrukturierung und Neukonzeption der Abfallbehandlungsanlagen in Betracht kommen, für die im Haushaltsentwurf ein Finanzierungsvolumen von 40 Mio. € bereitgestellt wurde. Auf der Grundlage der jetzt vorhandenen Kenntnisse ist mit einem Finanzierungsvolumen von rund 19 Mio. € zu rechnen.

Bislang werden beim Rhein-Kreis Neuss Finanzierungen von Investitionen mit Hilfe des bewährten Instruments des Kommunaldarlehens durchgeführt.

Anleihen verbriefen eine schuldrechtliche Verpflichtung. Der Anleihenehmer hat einen Anspruch darauf, dass der verliehene Geldbetrag (sogenannter Nominalbetrag) verzinst und zurückgezahlt wird. Im Allgemeinen besteht eine Anleihe aus 2 Elementen, dem Nennwert und dem Zinscoupon. Die Ausstattungsmerkmale einer Anleihe sind in sogenannten Anleihebedingungen (Emissionsbedingungen) im Einzelnen aufgeführt. Als Anleiheemittent kommt auch die öffentliche Hand in Betracht (Staat, Kommunen, etc.). Anleihen können an der Börse gehandelt werden. Bei entsprechender Marktliquidität können Anleihen täglich an der Börse gekauft und verkauft werden. Anders als bei Aktien bestehen Anleihen nicht aus einem Beteiligungsverhältnis, sondern aus einem Gläubiger-Schuldnerverhältnis. Ein Anlagekäufer wird damit Kreditgeber bzw. Gläubiger der emittierenden Institution. Die Kursnotierung von Anleihen schwankt nach allgemeinem Zinsniveau bzw. nach der Bonität des Schuldners. Bei steigendem Zinstrend fallen Anleihen, bei fallendem Zinstrend steigen sie an. Je länger dabei die Restlaufzeit ist desto stärker sind Schwankungen zu verzeichnen. Auf Anleihen sind die § 793 BGB und 32 ff. Börsengesetz anzuwenden.

Kommunale Anleihen wurden in jüngerer Zeit z.B. im Juni 2015 von den Städten Remscheid, Essen, Hagen und Bielefeld in Höhe von 250 Mio. € begeben, im März 2016 von der Stadt Dortmund in Höhe von 120 Mio. € und im Mai 2016 von der Stadt Bochum in Höhe von 115 Mio. €. Kommunalanleihen spielen in der deutschen Kommunalfinanzierung eine untergeordnete Rolle.

Aus Sicht des Emittenten kommen verschiedene Motive für die Begebung von Anleihen in Frage. Dazu zählen die Eröffnung eines neuen Refinanzierungsinstrumentes und eine Verbreiterung der Gläubigerstruktur, die Schonung der Kreditlinien der Hausbanken und die Möglichkeit der Umschuldung der Liquiditätsfinanzierung. Dem gegenüber ist aus Sicht der Kommunen zu berücksichtigen, dass neben dem regelmäßigen Mindestvolumen von in der Regel 100 Mio. €, hohe Fixkosten entstehen durch das sogenannte Arranger-Fee, Anwaltskosten sowie erhöhter Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand für Anleihebedingungen, Übernahmevertrag etc.

Aus Sicht der Investoren sprechen folgende Gründe dafür, deutsche Kommunalanleihen nachzufragen. Dies sind die Nichtinsolvenzfähigkeit von Kommunen (§ 12 Insolvenzordnung), die Erzielung höherer Spreads, die fehlende Notwendigkeit der Eigenkapitalunterlegung, die Diversifikation im Kreditportfolio und die Tatsache, dass Anleihen in der Regel börsennotiert sind (Quelle: Information der Kreditanstalt für Wiederaufbau).

Vor diesem Hintergrund sind folgende Aspekte bei der Betrachtung der Anwendungsmöglichkeiten von Kommunalanleihen für den Rhein-Kreis Neuss wesentlich:

- Das Finanzierungsvolumen für Kommunalanleihen beginnt in der Regel ab 100 Mio. €.

- Die Laufzeiten betragen lediglich 3 bis 10 Jahre.

- Der Anleihebetrag ist endfällig, d. h. es erfolgt keine ratierliche Tilgung.

- Die Zinskonditionen können sich um einen sogenannten Fix-Mid-Swap bewegen oder sind variabel.

Es besteht in der Regel eine Prospektpflicht in der Form eines Produktinformationsblattes bei Verkauf. Darüber hinaus ist eine Anleihedokumentation durch eine Anwaltskanzlei zu erstellen, neben weiteren Dokumenten wie z.B. Mandatsvereinbarung, Übernahmevertrag, Anleihebedingungen, Zahlstellenvertrag, externes Rechtsgutachten zur Darlehensdokumentation usw. Der dabei entstehende Aufwand ist insgesamt den Kreditkonditionen zuzurechnen.

Dem gegenüber kann bei einer ratierlichen Kreditfinanzierung über eine vorgegebene Laufzeit (z. B. 20 Jahre) die erforderliche Harmonisierung und Planungssicherheit im Hinblick auf die durch die Abschreibungen sicherzustellende Tilgung der Verbindlichkeiten hergestellt werden. Es ergibt sich damit keine Kalkulationsunsicherheit bei einer möglichen Anschlussfinanzierung nach längstens 10 Jahren.

Damit ist gleichzeitig über die Finanzierung der Investitionen die Gebührenstabilität gewährleistet.
Es bestehen keine spekulativen Finanzierungselemente in Bezug auf die Höhe des Zinssatzes bzw. einer Anschlussfinanzierung nach 10 Jahren.

 

In Anbetracht der dargestellten Aspekte beabsichtigt die Verwaltung, die Finanzierung der anstehenden Investitionen im Rahmen eines Kommunaldarlehens sicherzustellen.

 

In der Sitzung wird Herr Direktor Bernd Kummerow von der NRW. Bank die aktuellen Entwicklungen am Markt für Kommunalfinanzierungen bei Anleihen und Schuldverschreibungen darstellen.