Betreff
Erarbeitung eines Vertretungsmodells für Kindertagespflegepersonen im Krankheitsfall
Vorlage
51/2494/XVI/2018
Art
Antrag

Beschlussempfehlung:

Der Jugendhilfeausschuss nimmt den Sachverhalt zur Kenntnis.

 


Sachverhalt:

Im Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes des Rhein-Kreis-Neuss sind aktuell 62 Tagespflegepersonen (TPP) tätig, sie betreuen zurzeit 191 Kinder. Diese Betreuungen gliedern sich wie folgt:

Korschenbroich:       36 TPP mit 117 Kindern

Jüchen:                            17 TPP mit 32 Kindern

Rommerskirchen:        9 TPP mit 42  Kindern

Davon arbeiten 15 Tagespflegepersonen in 5 Großtagespflegestellen in Korschenbroich (2), Jüchen (2) und Rommerskirchen (1), sie betreuen insgesamt 45 Kinder; im Jahr 2018 ist die Errichtung von weiteren Großtagespflegestellen geplant, wovon sich eine in Rommerskirchen bereits in der konkreten Planungsphase befindet.

 

Vertretungserfordernis:

Seit Jahren ist ein Anstieg der Nachfrage und der Anzahl der Betreuungsplätze im Rahmen der Kindertagespflege zu verzeichnen. Auch hat sich der Umfang der wöchentlichen Betreuungszeit aufgrund eines Anstiegs der wöchentlichen Arbeitszeit der Eltern, insbesondere der Frauen, stark erhöht; dieser liegt aktuell bei durchschnittlich 35 Wochenstunden.

Im Zuge dessen hat sich in den letzten zwei Jahren auch der Bedarf an Vertretungsplätzen im Rahmen der Kindertagespflege erhöht.

Wie bei allen Beschäftigten treten auch bei Tagespflegepersonen sowie deren eigenen Kindern Erkrankungsphasen auf, durch die unerwartete Ausfallzeiten der Tagespflegepersonen entstehen. Zudem haben immer weniger Eltern die Möglichkeit, diese Ausfallzeiten durch dem Kind bekannte Bezugspersonen abzudecken, insbesondere wenn die Ausfallzeiten länger andauern. Auch der eigene Urlaubsanspruch der Eltern ist begrenzt und kann zudem nicht jederzeit und kurzfristig in Anspruch genommen werden.

Fällt eine Tagespflegeperson aufgrund einer Erkrankung aus, müssen umgehend meist bis zu fünf Kinder durch andere Tagespflegepersonen betreut werden. Daneben müssen unter Umständen in den Ferien- und Urlaubszeiten der Tagespflegepersonen alternative Betreuungsmöglichkeiten gewährleistet werden, falls die Eltern in dieser Zeit keinen Urlaub nehmen können; dieser Bedarf ist jedoch durch Vorlage einer Bescheinigung seitens des Arbeitgebers nachzuweisen. Grundsätzlich sind Tagespflegepersonen und Eltern angehalten ihren Urlaub aufeinander abzustimmen.

Auf der Grundlage der zuvor genannten Rahmenbedingungen ist die Einführung eines Vertretungsmodells, das sowohl den Tagespflegepersonen wie auch den Eltern und Kindern Verlässlichkeit in dieser Betreuungsform bietet, unabdingbar.

 

Gesetzliche Grundlagen und sich daraus ergebende Ansprüche:

Die gesetzliche Verpflichtung für die Einführung eines Vertretungsmodells im Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes basiert auf § 23 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII, der regelt, dass für Ausfallzeiten einer Tagespflegeperson rechtzeitig eine andere Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherzustellen ist. Adressat dieser Verpflichtung ist gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII der Träger der öffentlichen Jugendhilfe; des Weiteren muss die Ersatzbetreuung dem Förderauftrag gem. § 22 Abs. 3 SGB VIII gerecht werden und durch geeignete Tagespflegepersonen gem. § 4 KiBiz oder in einer Einrichtung mit Betriebserlaubnis erfolgen.

Aus diesen gesetzlichen Grundlagen lässt sich im Hinblick auf eine größtmögliche Kontinuität in der Kindertagespflege die Verpflichtung des Kreisjugendamtes ableiten, das Risiko eines unvorhergesehenen Betreuungsausfalls durch das Vorhalten eines Vertretungskonzeptes in der Kindertagespflege zu minimieren.

 

Anforderungen an ein Vertretungsmodell:

Als Hauptkriterien für Qualitätsstandards eines Vertretungskonzeptes gelten auch hier Kontinuität und Bindung in Form von stabilen Rahmenbedingungen, beständigen Bezugspersonen und Verlässlichkeit im Lebensrhythmus, insbesondere je jünger das Kind ist. Diese Rahmenbedingungen spielen eine wesentliche Rolle für ein harmonisches und sicheres Aufwachsen von Kindern.

Für die Eltern bietet das angebotene Vertretungsmodell Verlässlichkeit und Kontinuität in der Betreuung ihres Kindes verbunden mit einer weitgehend unkomplizierten Umsetzbarkeit.

Der Tagespflegeperson wiederum bietet ein verlässliches Vertretungsmodell die Möglichkeit, ihre Erkrankung im erforderlichen Maße auszukurieren, um anschließend wieder mit hohem Engagement ihre Tageskinder weiterbetreuen zu können.

Gute Vertretungsmodelle zeichnen sich durch eine möglichst optimale Integration der Vertretungsperson in den Betreuungsalltag der Tageskinder aus. Zudem stellt ein Vertretungsmodell erhöhte persönliche und fachliche Anforderungen an die Vertretungstagespflegeperson, um sich innerhalb kürzester Vorbereitungszeit auf die speziellen Bedürfnisse einzelner Familien und deren Kinder anzupassen.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach einem geeigneten Entgeltmodell der Vertretungstagespflegepersonen: eine angemessene Geldleistung könnte zum einen im Rahmen einer Tätigkeit auf selbständiger Basis mit einer pauschalen Vergütungsleistung erfolgen oder aber in Form eines Festanstellungsmodells.

An dieser Stelle sei auch der Imagegewinn durch ein gut funktionierendes Vertretungsmodell aus Sicht der Kommunen erwähnt, da bedarfsgerechte und zuverlässige Betreuungsangebote ein wichtiger Standortfaktor für die Ansiedlung von Familien mit Kindern darstellt.

Jedoch sind bei der Umsetzung eines qualitätsorientierten Vertretungsmodells die spezifischen Besonderheiten in den einzelnen Kommunen zu beachten. Die Tagespflegepersonen im Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes sind im überwiegenden Fall mit der maximal zu betreuenden Kinderanzahl belegt, so dass sich kaum Möglichkeiten ergeben, Plätze für Vertretungssituationen frei zu halten. Für die Kommunen des Kreisjugendamtes ist daher in erster Linie eine Kombination des sogenannten „Stützpunktmodells“ mit dem Einsatz von mobilen Springerkräften sinnvoll. Dieses Modell soll im Folgenden dargestellt werden.

 

Stützpunktmodell mit Einsatz von mobilen Springerkräften:

Bei diesem Modell kooperiert eine Tagespflegeperson mit einer festgelegten Anzahl von Tagespflegepersonen in gut erreichbarer Nähe. Die Räumlichkeiten können zum einen die eigene Wohnung der Vertretungs-TPP, aber auch angemietete Räumlichkeiten sein. Im letzteren Fall trägt der öffentliche Träger die Kosten der angemieteten Räumlichkeiten.

Grundlage dieses Vertretungsmodells ist die regelmäßige Kontaktpflege der Vertretungs-TPP mit den am Vertretungsmodell teilnehmenden Tagesmüttern und Familien. Dies kann durch Besuche bei den Tagesmüttern, aber auch insbesondere durch Besuche der regulären Tagesmütter sowie der Familien bei der Vertretungs-TPP stattfinden. Auch hier steht wieder der Bindungsaufbau und des Weiteren das Vertraut machen mit den Stützpunkträumlichkeiten im Vordergrund.

Bei diesem Modell bleiben die Kinder im Vertretungsfall zwar nicht in ihrer gewohnten Umgebung, die Kindergruppe bleibt jedoch erhalten und die erkrankte Tagesmutter hat die Gelegenheit, umfassend zu genesen.

Der Vorteil des Stützpunktmodells in angemieteten Räumlichkeiten liegt in der zusätzlichen Möglichkeit nicht nur eine Ersatzbetreuung zu gewährleisten, sondern auch andere Angebote zu schaffen, z. B. regelmäßige Spielnachmittage, Elternabende, Gelegenheit zum fachlichen Austausch, Tagespflegetreffs, etc.

Als nachteilig ist bei diesem Modell der höhere Kostenaufwand zu sehen, da eventuelle Zuschüsse für angemietete Räumlichkeiten zusätzlich finanziert werden müssten.

Finanzielle Auswirkungen:

Bereits jetzt fallen für einen Vertretungsfall zusätzliche Kosten an. Gemäß der Satzung des Rhein-Kreises-Neuss über die Förderung von Kindern in Kindertagespflege vom 13.04.2015 wird die Geldleistung an eine Tagespflegeperson, wenn sie urlaubs- oder krankheitsbedingt ausfällt, bis zu einem Zeitraum von maximal sechs Wochen pro Jahr fortgezahlt. Zusätzlich erhält die Vertretungstagespflegeperson für die tatsächlich geleisteten Vertretungszeiten ebenfalls eine entsprechende Geldleistung.

Mit der Einführung eines strukturierten Vertretungsmodells sind jedoch Mehrkosten in Höhe von ca. 140.000 € pro Jahr (Geldleistungen an TPP zzgl. Mietkosten für Räumlichkeiten) einzukalkulieren.