Betreff
Wissenschaftliche Studie zum Schlüssigen Konzept (KdU)
Vorlage
50/2521/XVI/2018
Art
Mitteilung

Beschlussvorschlag:

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss nimmt den Bericht zur Kenntnis.

 


Sachverhalt:

Ausgangslage

 

Fragestellungen zur rechtsvereinfachenden Bestimmung angemessener Kosten der Unterkunft sind aktuell Gegenstand von Überlegungen für eine gesetzliche Neuregelung zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Grundlage dieser Überlegungen ist der seit Ende 2016 vorliegende Forschungsbericht „Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)“. Auf Basis dieser Untersuchungsergebnisse tagt seit September 2017 eine Arbeitsgruppe der Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales (ASMK). An dieser ASMK-Arbeitsgruppe nehmen auch der Deutsche Landkreistag (DLT) und der Deutsche Städtetag (DST) teil.

 

Ende 2017 beschloss der DST ein Positionspapier, welches die Festlegung zusätzlicher Standards bei den KdU-Leistungen ablehnt. Das DST-Positionspapier ist als Anlage beigefügt. Der DLT beschloss Anfang 2018 ebenfalls ein Positionspapier zu der oben beschriebenen angestrebten gesetzlichen Neuregelung, in welches inhaltlich auch eine Stellungnahme der Kreisverwaltung eingeflossen ist. Entgegen des DST formuliert der DLT konkrete Änderungswünsche. Das DLT-Positionspapier ist als Anlage beigefügt. Aufgrund der abgegebenen Stellungnahme erfragte der Landkreistag NRW (LKT NRW) die Bereitschaft der Kreisverwaltung an einem gemeinsamen Austausch beim nordrhein-westfälischen Sozialministerium (MAGS NRW) teilzunehmen, zu dem das MAGS NRW im Vorfeld der nächsten Sitzung der ASMK-Arbeitsgruppe eingeladen hat.

 

Der gemeinsame Austausch fand in den Räumlichkeiten des MAGS NRW am 24.01.2018 statt. Neben dem MAGS NRW und den kommunalen Spitzenverbänden nahmen an dieser Besprechung auch Vertreter anderer Kreise (z.B. Kreis Düren) und kreisfreien Städte (z.B. Stadt Köln) teil. Ein Anliegen des MAGS NRW ist, dass die Kommunen infolge einer gesetzlichen Neuregelung in die Lage versetzt werden, eigene Untersuchungen und somit eigene grundsicherungsrelevante Mietspiegel zu erstellen. Es wurde zusätzlich betont, dass selbst bei einem Konsens auf der Arbeitsebene innerhalb der ASMK-Arbeitsgruppe nicht absehbar sei, was politisch umgesetzt werden könne. Insgesamt wurden 6 Themenblöcke besprochen, die nachfolgend kurz skizziert werden:

 

 

1.   Vergleichsraum

Eine Empfehlung des o.g. Forschungsberichts war hinsichtlich der Vergleichsraumbildung, die Möglichkeit der Bildung einer Schnittmenge von Trägergebiet und Mittelbereichen der Regionalplanung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Betracht zu ziehen. Diesem Vorschlag konnte übereinstimmend gefolgt werden, jedoch mit der Einschränkung, dass gesetzlich trägerübergreifende Vergleichsraumbildungen ausgeschlossen werden sollten.

 

Fände diese Regelung Einzug ins Gesetz, würden sich hierdurch für den Rhein-Kreis Neuss keine Änderungen ergeben. Die Mittelbereiche der Regionalplanung des BBSR entsprechenden den 6 Mietkategorien (6 Vergleichsräume) des Rhein-Kreises Neuss.

 

 

2.   Wohnfläche

Es wurden verschiedene Lösungswege diskutiert (Bund oder Land geben Wohnflächengrenzen vor, jeder Träger ermittelt in seinem Trägergebiet die tatsächlich durchschnittlich genutzte Wohnfläche vergleichsraumscharf und haushaltsgrößenbezogen oder Beibehaltung der aktuellen Regelung) mit ihren Vor- und Nachteilen.

 

Übereinstimmend wurde die Lösung der Beibehaltung der aktuellen Regelung (Werte des öffentlich geförderten Wohnungsbaus) favorisiert. Auch hierdurch würden sich für den Rhein-Kreis Neuss keine Änderungen ergeben.

 

 

3.   Quadratmeterhöchstgrenze

Aus dem Teilnehmerkreis (sowohl aus dem Kreisraum als auch aus dem kreisfreien Raum) wurde berichtet, dass vermehrt Fälle auftreten, in denen Vermieter ihre Immobilien zimmerweise an Hilfebedürftige vermieten, so dass aufgrund der Produkttheorie selbst bei Anmietung von Kleinstflächen für Alleinstehende die volle Mietobergrenze für einen 1-Personen-Haushalt ausgeschöpft wird und der Quadratmeterpreis hierdurch teilweise in den Bereich der Mietwucherei fällt. Infolge der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) kennt man das Phänomen bereits auch bei Wohngemeinschaften.

 

Das Instrument der Festsetzung einer Quadratmeterhöchstgrenze bei Kleinstunterkünften bei einer damit einhergehenden Durchbrechung der Produkttheorie wurde vorgeschlagen wie auch die Ermittlung einer gesonderten Mietobergrenze unter Beibehaltung der Produkttheorie. Ein Konsens konnte an dieser Stelle nicht gefunden werden.

 

Es wurde jedoch übereinstimmend festgehalten, dass bei einer Nichtregelung der unbefriedigende status quo beibehalten werden würde. Danach verlagert man diese Fälle auf den Zivilrechtsweg (Klage gegen den Vermieter auf Mietwucherei) mit einer nicht leistbaren Belastung der Jobcenter.

 

 

4.   Datenquellen

Es wurde erörtert, ob gesetzlich fixiert werden müsse, welche Datenquellen für die Erstellung grundsicherungsrelevanter Mietspiegel genutzt werden müssen und darüber hinaus auch in welcher Qualität sowie Quantität.

 

Die Diskussion ergab ein heterogenes Bild. Während die Mitglieder der Kreise sich für eine Konkretisierung ausgesprochen haben, sprach sich der kreisfreie Raum dagegen aus. Damit wurden die Positionen in den beigefügten Positionspapieren beibehalten.

 

Das MAGS NRW ließ nicht erkennen, welche Position es bei der nächsten ASMK-Arbeitsgruppe einnehmen würde.

 

 

5.   Fortschreibung

Bisher war der Aspekt der Fortschreibung nicht obergerichtlich geklärt. In der jüngsten Vergangenheit hat jedoch das BSG (Urteil vom 12.12.2017, B 4 AS 33/16 R) über Aspekte der Fortschreibung entschieden. Das Urteil liegt aktuell noch nicht im Volltext vor. Aus der Pressemitteilung des BSG zu diesem Verfahren lässt sich jedoch erkennen, dass das BSG in Anlehnung an die Satzungsvorschrift des § 22c SGB II keine zwingende Fortschreibung nach 2 Jahren vorschreibt, sondern erst nach einem sog. „nicht vorhersehbaren Preissprung“, der zudem nicht punktuell eintreten darf, sondern über längere Zeiträume zu beobachten sein muss.

 

Vorbehalte aus dem Teilnehmerkreis wurden gegen die vorgenannte Rechtsprechung nicht vorgetragen, auch wenn die Urteilsbegründung noch abgewartet werden müsse. Darüber hinaus wird eine Neuerhebung alle 4 Jahre für absolut ausreichend betrachtet (wie bei qualifizierten Mietspiegeln, § 558d Abs. 2 Satz 3 BGB). Für den Rhein-Kreis Neuss würde dies bedeuten, dass nicht zwingend alle 2 Jahre eine Neuerhebung vorgenommen werden müsste, wie dies der Kreistag in seinem Beschluss vom 21.12.2016 festgehalten hat, wonach die derzeit gültigen neuen Mietobergrenzen am 01.02.2017 in Kraft traten und eine Anpassung der Mietobergrenzen zum 01.02.2019 aufgrund einer Neuerhebung zu erfolgen hat.

 

Das BSG entschied bei der o.g. Entscheidung zusätzlich, dass, sofern fortgeschrieben werden müsse, nicht der Preisindex für Nettokaltmieten und kalte Betriebskosten heranzuziehen ist, der auch länderscharf ermittelt wird (siehe www.IT.NRW.de: https://webshop.it.nrw.de/qsearch.php?keyword=M12), sondern sprach sich für die Anwendung des bundesweiten Verbraucherpreisindeces (Lebenshaltungskosten) aus, obwohl der entsprechende Warenkorb neben der Preisentwicklung bei den Wohnkosten auch weitere Waren und Dienstleistungen berücksichtigt, die in keinem Zusammenhang mit Unterkunftskosten stehen. Dies erfolgte ebenfalls in Anlehnung an die Vorgaben für qualifizierte Mietspiegel (§ 558d Abs. 2 Satz 2 BGB).

 

Das MAGS NRW gab zu erkennen, dass es einer Pflicht zur Mietwohnbeobachtung (fortlaufende Recherche und Darstellung aller Mietangebote im Rhein-Kreis Neuss) zuneigen würde. Diese Erkenntnisse können für die Feststellung der Notwendigkeit einer Fortschreibung genutzt werden aber auch für Kostensenkungsfälle und für gerichtliche Verfahren. Für den Rhein-Kreis Neuss hätte dies zur Folge, dass die Kreisverwaltung verpflichtet wäre, entweder eine eigene Mietwohnbeobachtung mit eigenem Personal zu betreiben oder jene bei privaten Anbietern einzukaufen. Nach aktuellen Erkenntnissen der Kreisverwaltung ließe sich eine Mietwohnbeobachtung für eine jährliche Pauschale von unter 20.000 Euro ankaufen.

 

 

6.   Verfügbarkeit

Das Kernstück einer jeden Festlegung von Mietobergrenzen ist die Darlegung, ob zu dem Betrag einer Mietobergrenze auch angemessener Wohnraum angemietet werden kann. Hierbei unterscheidet man zwischen der Verfügbarkeit auf der abstrakten Ebene (Verfügbarkeitsprüfung bereits im Rahmen eines schlüssigen Konzeptes) und auf der konkreten Ebene (Frage der Verfügbarkeit im Einzelfall in Kostensenkungsverfahren).

 

Hinsichtlich der Verfügbarkeit auf der abstrakten Ebene ließ das MAGS NRW nicht erkennen, welche Position es bei der nächsten ASMK-Arbeitsgruppe einnehmen würde. Teilweise wurde ausgeführt, dass der Nachweis einer einzigen Wohnung bereits als ausreichend gelten müsste. Auch wurde überwiegend befürwortet, dass die Verfügbarkeitsprüfung auf der abstrakten Ebene anhand von Neuvertragsmieten und nicht ausschließlich anhand von Angebotsmieten vorzunehmen sei. Das im Rhein-Kreis Neuss angewandte Konzept nimmt einen Abgleich mit Angebotsmieten vor und überprüft diese Ergebnisse anhand eines Abgleichs mit Neuvertragsmieten.

 

Die Verfügbarkeit auf der konkreten Ebene betrifft insbesondere die Frage, wer die Beweislast tragen muss, dass zu den festgesetzten Mietobergrenzen angemessener Wohnraum angemietet werden kann, und wie substantiiert die Beweisführung betrieben werden müsse. Die aktuelle KdU-Arbeitshilfe des MAGS NRW legt hierzu lediglich fest, dass die Beweislast der Hilfebedürftige trägt ohne festzulegen, wie detailliert der substantiierte Nachweis auszusehen hat. Das MAGS NRW äußerste, nähere Konkretisierungen zu der Frage der Beweislast/Beweisführung zu treffen (wahrscheinlich in einer Neuauflage einer KdU-Arbeitshilfe) ohne im Detail darauf einzugehen.