Betreff
Behandlung im Voraus planen (BVP) - Konzept für eine regionale Implementierung im Rhein-Kreis Neuss
Vorlage
50/3402/XVI/2019
Art
Beschlussvorlage

Beschlussempfehlung:

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss nimmt das Konzept für eine regionale Kooperationslösung zur Implementierung von „Behandlung im Voraus planen“ (BVP) gemäß § 7(2)c der Bundesvereinbarung zur Umsetzung des § 132g SGB V vom 13.12.17 zustimmend zur Kenntnis.

Die Umsetzung des Konzeptes wird von der Technologiezentrum Glehn GmbH durchgeführt. Für die Implementierungsphase von 5 Jahren erhält die Technologiezentrum Glehn GmbH einen Kreiszuschuss in folgender Höhe: 2020: 59.750,-€; 2021: 61.869,-€; 2022: 64.016,-€; 2023: 66.191,-€; 2024: 68.396,-€. Nicht verbrauchte Mittel fließen an den Rhein-Kreis Neuss zurück.

Die Verwaltung wird beauftragt, einen entsprechenden Förderbescheid zu erlassen, der Prüfmöglichkeiten durch die Verwaltung und eine jährliche Berichtspflicht der Technologiezentrum Glehn GmbH vorsieht.

Haushaltsmittel stehen bei PSP 1.100.050.351.010 / Kostenart 52911310 zur Verfügung.


Sachverhalt:

Ausgangslage und Zielsetzung

Prof. Dr. Jürgen in der Schmitten und der Rhein-Kreis Neuss haben von 2008 bis 2011 und darüber hinaus sehr erfolgreich im BMBF-geförderten Projekt „beizeiten begleiten“ zusammengearbeitet, im Sozial- und Gesundheitsausschuss wurde darüber berichtet. Die Ergebnisse dieser Arbeit waren eine wesentliche Grundlage für die Schaffung des § 132g SGB V, welcher nun bundesweit allen Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe finanzielle Mittel in Aussicht stellt, wenn die Einrichtungen ein System zur Schaffung valider Vorausverfügungen vorhalten.

Die gesetzliche Regelung des § 132g SGB V kann einrichtungsbezogen, aber auch innerhalb einer Region durch ein Kooperationsmodell umgesetzt werden. Vieles spricht dafür, dass letzteres erhebliche Vorteile bietet und größere Chancen für eine nachhaltige Implementierung birgt. Prof. Dr. in der Schmitten und die Kreisverwaltung haben ein Konzept erstellt, mit dem eine regionale Implementierung von „Behandlung im Voraus planen“ (BVP) im Rhein-Kreis Neuss ermöglicht werden kann. Auf die Inhalte des beigefügten Konzeptes wird vollinhaltlich verwiesen, um an dieser Stelle eine Wiederholung zu vermeiden. Im Konzept werden die Vorteile einer regionalen Implementierung hergeleitet und die notwendigen Voraussetzungen ausführlich dargelegt.

 

Die strategischen Ziele aus Sicht der Verwaltung in Schlagworten:

  1. Konsequente Stärkung der Patientenautonomie im Rhein-Kreis Neuss
  2. Verbesserung der Schnittstellen im regionalen Gesundheitssystem zwischen Pflege, Hausärzten, Rettungsdienst, Krankenhäusern und anderen
  3. Mittelfristig Schaffung eines nachhaltig funktionalen Systems mit einer dauerhaften Finanzierung durch die Krankenkassen über § 132g SGB V ohne Notwendigkeit fortgesetzter Zuschüsse aus kommunalen Haushalten
  4. Partizipation an wissenschaftlichem Know-how aus dem deutschsprachigen Raum für den Rhein-Kreis Neuss
  5. Leuchtturmprojekt und Beibehaltung einer führenden Rolle des Kreises in der Weiterentwicklung von BVP in Deutschland

 

 

Regionale Implementierung im Rhein-Kreis Neuss

Das Konzept sieht vor, als Träger für eine regionale Implementierung von BVP die Technologiezentrum Glehn GmbH (TZG) zu nutzen. Hierbei handelt es sich aus Sicht der Einrichtungsbetreiber um eine neutrale Institution, die der kommunalen Familie angehört. Beim TZG werden eine halbe Vollzeitstelle für einen Koordinator geschaffen und die operativ tätigen, spezifisch geschulten Beratungskräfte angestellt.

Die am Projekt teilnehmenden Einrichtungen aus der Pflege und aus der Eingliederungshilfe leiten ihre finanzielle Ansprüche bzw. die ihnen zustehenden Stellenanteile aus § 132g SGB V an das TZG zur Refinanzierung der operativen Beratungskräfte weiter. Im Gegenzug organisiert das TZG die operative Beratungstätigkeit, wobei jeder teilnehmenden Einrichtung Zeitkontingente entsprechend der von ihnen eingebrachten Stellenanteile zustehen. Die Details sind unter Punkt 3.3 des beigefügten Konzeptes erläutert.

Der Rhein-Kreis Neuss gewährt dem TZG für den avisierten Implementierungszeitraum von 5 Jahren einen Zuschuss zur Brückenfinanzierung einer halben Stelle für die regionale Koordination (dieser Aspekt wird in dieser Vorlage noch detailliert dargestellt!). Nach Ablauf der 5 Jahre kann die Teilzeitstelle für die regionale Koordination bei der erwarteten wachsenden Beteiligung in Frage kommender Einrichtungen aus den dem TZG zufließenden SGB V-Mitteln finanziert werden.

 

Voraussetzung für die Realisierung dieses Projektaufbaus sind die folgenden vier Punkte:

  1. Bereitschaft des TZG zur entsprechenden Mitwirkung
  2. Bereitschaft einer initial ausreichenden und im Verlauf wachsenden Zahl von Einrichtungen aus der Pflege und der Eingliederungshilfe, damit eine regionale Wirkung erzielt werden kann
  3. Vereinbarung mit dem zuständigen Landesverband der Pflegekassen auf Grundlage des vorliegenden Konzeptes
  4. Bereitstellung von Haushaltsmitteln durch den Kreistag zur Finanzierung einer halben Stelle für die Koordination der regionalen Implementierung zuzüglich Anlaufkosten für einen Zeitraum von 5 Jahren

 

 

Voraussetzung 1: Bereitschaft des TZG

Mit der Geschäftsführung des TZG wurden Gespräche auf Basis des vorliegenden Konzeptes geführt. Das TZG unterstützt das Vorgehen und ist bereit, die Aufgabe wahrzunehmen, soweit die übrigen Voraussetzungen erfüllt werden.

 

 

Voraussetzung 2: Teilnahme von Einrichtungen am Projekt

In einem zweiten Schritt hat die Kreisverwaltung die Betreiber der im § 132g SGB V adressierten stationären Einrichtungen der Pflege und der Eingliederungshilfe zu einer Informationsveranstaltung auf Ebene der Geschäftsführungen eingeladen. Diese hat am 02. Juli 2019 im Kreishaus Grevenbroich stattgefunden. Teilgenommen haben 33 Vertreterinnen und Vertreter von 20 Einrichtungsbetreibern, wodurch fast alle Einrichtungen aus dem Gebiet des Rhein-Kreises Neuss vertreten waren[SJidPD1] 

Das Konzept wurde vorgestellt und im Anschluss diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass einzelne größere Einrichtungsträger sich schon mit eigenen Konzepten auf den Weg gemacht haben und der vorgeschlagenen regionalen Kooperation skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Andere Träger – wie z.B. die Johanniter Seniorenhäuser oder die Caritas Seniorendienste Rhein-Kreis Neuss – haben die vorgeschlagene regionale Kooperationslösung nachdrücklich favorisiert oder aber – das gilt vor allem für kleinere Träger, wie z.B. die im Rhein-Kreis Neuss traditionell als Pflegeheimbetreiber tätigen Kirchengemeinden – die komplexe Thematik noch gar nicht aufgegriffen hatten. Für die Eingliederungshilfe bedeutet BVP noch weitestgehend Neuland, und das Thema erwies sich als mit großen Unsicherheiten behaftet.

 

Im Nachgang zu der Veranstaltung wurde den Betreibern ein Fragebogen übersandt, anhand dessen die Betreiber die Möglichkeit hatten, bis zum 16. August 2019 ihre Haltung zu einer regionalen Implementierung auf Grundlage des Konzeptes zu erklären.

 

Für die Betreiber der Eingliederungshilfe wurde auf vielfältigen Wunsch ein eintägiger Workshop organisiert, der am 08. Oktober im Kreishaus Neuss stattfinden wird, um Grundlagenwissen zu vermitteln und die Besonderheiten von BVP gemäß § 132g SGB V bei der Arbeit von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung zu diskutieren.

 

Aus dem Bereich der Pflege haben 9 Betreiber mitgeteilt, sich dem vorgeschlagenen regionalen Kooperationsmodell des Kreises anschließen zu wollen. Diese 9 Betreiber bringen 20 Pflegeeinrichtungen mit fast 1.900 Plätzen ein, die sich auf alle kreisangehörigen Kommunen verteilen! Im Einzelnen sind dies:

 

Bereich Pflege

 

Johanniter-Seniorenhäuser West GmbH

 

Johanniter-Haus Kaarst

Kaarst

 

Johanniter-Stift Kaarst

Kaarst

 

Johanniter-Stift Meerbusch

Meerbusch

 

 

 

Caritas Seniorendienste gGmbH

 

Caritashaus St. Barbara

Grevenbroich

 

Caritashaus St. Elisabeth

Rommerskirchen

 

Caritashaus St. Aldegundis

Kaarst

 

Caritashaus Hildegundis von Meer

Meerbusch

 

Caritashaus St. Josef

Dormagen

 

Caritashaus St. Franziskus

Dormagen

 

Caritashaus St. Theresienheim

Neuss

 

 

 

Kath. Kirchengemeinde St. Jakobus

 

Haus Maria Frieden

Jüchen

 

 

 

Vinzenzgemeinschaft Neuss e.V.

 

Vinzenz-Haus

Kaarst

 

Haus Nordpark

Neuss

 

 

 

Kath. Kirchengemeinde St. Maria Himmelfahrt

 

Seniorenstift St. Josef Gustorf

Grevenbroich

 

 

 

Meridias

 

Meridias Haus 1

Meerbusch

 

Meridias Haus 2

Meerbusch

 

 

 

Kath. Kirchengemeinde St. Cyriakus

 

St. Josefs Altenheim

Neuss

 

 

 

St. Hubertusstift gGmbH

 

St. Hubertusstift

Neuss

 

 

 

Rhein-Kreis Neuss Kliniken GmbH

 

Seniorenhaus Lindenhof

Grevenbroich

 

Seniorenhaus Korschenbroich

Korschenbroich

 

 

Aus der Eingliederungshilfe gibt es bereits eine konkrete Zusage. Die anderen Betreiber der Eingliederungshilfe, namentlich die beiden Lebenshilfen aus dem Rhein-Kreis Neuss, haben angekündigt, ihre Teilnahmeentscheidung erst nach dem vom Kreis ausgerichteten Workshop am 08. Oktober 2019 zu treffen.

 

Bereich Eingliederungshilfe

 

Graf-Raecke-Stiftung

 

Wohnhaus Kaarst

Kaarst

 

 

 

 

Die St. Augustinus-Gruppe, die mit ihrem trägereigenen Konzept „Autonomie in Beziehung“ bereits praktische Erfahrungen gesammelt hat, sowie weitere Betreiber wie Carpe Diem oder die Malteser haben mitgeteilt, dass sie eine einrichtungsbezogene Implementierung des § 132g SGB V favorisieren und die ihnen aus dem § 132g SGB V zustehenden Mittel daher bis auf Weiteres nicht in ein gemeinsames Projekt einfließen lassen werden. Gleichwohl haben auch diese Betreiber mitgeteilt, dass sie an einem fachlichen Austausch und einem vertiefenden Dialog interessiert sind, so dass alle Beteiligten - gerade in der Implementierungsphase - voneinander lernen und die Gesamtthematik dadurch voranbringen können. Für die dauerhafte Organisation dieses Austauschs wird die Koordinatorenstelle am TZG zwingend benötigt, so dass auch nicht am Projekt teilnehmende Einrichtungen und Betreiber mittelbar von der Kreisförderung für die Koordinatorenstelle partizipieren.

 

Sofern die Voraussetzungen 3 und 4 erfüllt werden können, werden schriftliche Kooperationsvereinbarungen entwickelt, die die gegenseitigen Verpflichtungen zwischen dem TZG und den teilnehmenden Einrichtungen regeln.

 

 

Voraussetzung 3: Vereinbarung mit dem zuständigen Landesverband der Pflegekassen

Mit der Knappschaft Bochum, dem für den Rhein-Kreis Neuss zuständigen Landesverband der Pflegekassen, ist für Dienstag, den 04. September 2019 ein erster Gesprächstermin vereinbart, um eine Abstimmung über das vorliegende Konzept zu erreichen. Die Verwaltung wird in der Sitzung über das Ergebnis des Gespräches berichten.

 

 

Voraussetzung 4: Anschubfinanzierung durch den Rhein-Kreis Neuss

Die Finanzierung des Projektes ist in Kapitel 4 des Konzeptes detailliert dargelegt. Um die regionale Struktur aufbauen und mit Leben füllen zu können, wird ein Zeitraum von 5 Jahren als Implementierungszeitraum geschätzt. Für diese Startphase wird ein Zuschuss durch den Rhein-Kreis Neuss benötigt, danach soll sich das Projekt dauerhaft ohne kommunale Mittel aus den Geldern refinanzieren, die den teilnehmenden Einrichtungen aus § 132g SGB V zustehen.

 

Der Zuschuss sollte die folgenden Positionen umfassen:

 

 

2020

 

2021

2022

2023

2024

0,5 Vollzeitstelle Koordinator

 

35.000,-€

35.875,-€

36.772,-€

37.691,-€

38.634,-€

Overheadkosten für Koordinatorstelle

5.250,-€

5.381,-€

5.516,-€

5.654,-€

5.795,-€

Externe Moderation Steuerungsgruppe

4.500,-€

4.613,-€

4.728,-€

4.846,-€

4.967,-€

Anlaufkosten

 

15.000,-€

16.000,-€

17.000,-€

18.000,-€

19.000,-€

Gesamt p.a.

 

59.750,-€

61.869,-€

64.016,-€

66.191,-€

68.396,-€

 

 

Erläuterung:

0,5 Vollzeitstelle Koordinator

Angesetzt wird ein Jahresgehalt von 70.000,-€ brutto für eine Vollzeitstelle. Es ist für die Folgejahre eine Personalkostensteigerung von 2,5 % p.a. eingerechnet.

 

Overheadkosten für Koordinatorstelle

Beim TZG fallen für die Einstellung der Koordinatorstelle Overheadkosten an, z.B. im Bereich der Leitung, Personalabteilung, etc. Hierfür werden (analog zum in der Vereinbarung zu § 132g SGB V gewählten Satz) 15% von den Bruttopersonalkosten der Moderatorenstelle angesetzt.

 

Externe Moderation der Steuerungsgruppe

Die Aufgabe und Funktion der Steuerungsgruppe sind im Konzept unter Punkt 3.2 beschrieben. Die Moderation dieser höherrangig besetzten Gruppe setzt Sachkenntnisse und Fähigkeiten in der Steuerung von Gesprächsrunden und Change Management Prozessen voraus. In der Implementierungsphase sollte die Moderation nicht von einem der Akteure aus dem Rhein-Kreis Neuss, sondern einer neutralen Person ausgeführt werden, die spezifisch qualifiziert ist und möglichst in einer anderen Region bereits Erfahrungswerte in BVP gesammelt hat. Hierfür sind entsprechende Mittel vorzusehen, die p.a. um 2,5 % gesteigert werden.

 

Anlaufkosten

Hierunter sind Sachaufwendungen zu verstehen, die in der Implementierungsphase anfallen. So müssen der Koordinator und die Beratungskräfte in BVP qualifiziert werden, sie haben Reisekosten, für die operativen Beratungskräfte sind Laptops, Mobiltelefone und andere Ausstattungsgegenstände sowie Softwarelizenzen zu beschaffen, es müssen voraussichtlich Flyer gedruckt und ein Internetauftritt entwickelt werden.

 

 

Haushaltsmittel stehen bei PSP 1.100.050.351.010 / Kostenart 52911310 zur Verfügung.

 

 

 

Zuschussempfängerin ist die Technologiezentrum Glehn GmbH, von dort ist jährlich ein Verwendungsnachweis zu erstellen, der von der Kreisverwaltung geprüft wird. Nicht benötigte Mittel fließen an den Rhein-Kreis Neuss zurück.

Jährlich wird ein Bericht erstellt und dem Sozial- und Gesundheitsausschuss zur Kenntnis gegeben. Mit Ende der 5-jährigen Implementierungsphase ist durch das TZG eine dauerhaft auskömmliche Finanzierung durch die Mittel sicherzustellen, die die am Projekt teilnehmenden Einrichtungen aus dem § 132g SGB V erhalten und an das TZG weiterleiten.

 


 [SJidPD1]Nüchtern bleiben… oder?