Betreff
Abbruch und Neuerrichtung eines Einfamilienhauses mit Muldenversickerung; Stadt Neuss
Vorlage
68/3743/XVI/2020
Aktenzeichen
68.4-40.01-7-166-19
Art
Beschlussvorlage

Beschlussempfehlung:

Der Naturschutzbeirat erhebt keinen Widerspruch gegen die Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. § 75 Abs. 1 LNatSchG NRW für Abbruch und Neuerrichtung des Einfamilienwohnhauses sowie die Anlage der Muldenversickerung nach der vorgelegten Planung.


Sachverhalt:

Das auf dem Grundstück Olympiasiegerstraße 4 in Neuss-Holzheim befindliche Einfamilienwohnhaus soll abgebrochen und durch ein gleichartiges Wohngebäude an gleicher Stelle ersetzt werden. Die Entwässerung soll über eine Muldenversickerung im Gartenbereich vorgenommen werden.

 

Nach Durchführung der Baumaßnahme verringert sich der Anteil der versiegelten Flächen von ca. 202 m² (Altbestand inklusive Zuwegungen, Hofflächen etc.) auf 160,46 m² (Neubau inklusive Terrasse, Stellplatz und Zuwegung). Durch die Neubebauung werden keine zusätzlichen Flächen versiegelt. Der zusätzlich entsiegelte Flächenanteil von ca. 41 m² wird den Garten- und Grünflächen zugeschlagen. Da die geplante Bebauung inklusive der versiegelten Flächen sich im Bereich der vorhandenen Bebauung befindet, erfolgt planmäßig kein Eingriff in den Baum- und Gehölzbestand.

 

Die Errichtung der Versickerungsmulde erfolgt im Bereich der Grünflächen des rückwärtigen Gartenlandes. Baumfällungen und Gehölzrodungen sind hierfür planmäßig nicht erforderlich. Die Muldenoberflächen werden nach der Herstellung begrünt.

 

Das Bauvorhaben liegt im baulichen Außenbereich i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB sowie im Geltungsbereich des Landschaftsplanes I – Neuss – des Rhein-Kreises Neuss.

 

Der Landschaftsplan I setzt für diesen Bereich das Landschaftsschutzgebiet „Erftaue mit Niederungstal und Gillbachniederung“ (Ordnungs-Nr. 6.2.2.7) fest.

 

Die Schutzfestsetzung als Landschaftsschutzgebiet erfolgte insbesondere

·         wegen seiner botanischen, ornithologischen, kulturhistorischen und zoologischen Bedeutung,

·         als prägendes Landschaftselement,

·         wegen seiner Refugialfunktion für an Fließgewässer gebundene Organismen,

·         wegen seiner Bedeutung für die Erholung und

·         wegen seiner hohen Grenzlinienwirkung in der ansonsten baum- und strauchlosen Agrarlandschaft.

 

Der Landschaftsplan I stellt hier das Entwicklungsziel 1 Erhaltung einer mit natürlichen Landschaftselementen reich oder vielfältig ausgestatteten Landschaft – dar.

 

Gemäß § 26 Abs. 2 BNatSchG sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen im Landschaftsplan alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern können oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen. Nach den Festsetzungen des LP I (Ordnungs-Nr. 6.2.2) ist im Landschaftsschutzgebiet u.a. insbesondere verboten:

·         bauliche Anlagen im Sinne der Bauordnung für das Land NRW zu errichten, auch wenn sie keiner Baugenehmigung oder Bauanzeige bedürfen, sowie die Außenseite bestehender baulicher Anlagen zu ändern (Verbot Buchstabe a),

·         Aufschüttungen oder Abgrabungen vorzunehmen oder die Bodengestalt auf andere Weise zu verändern (Verbot Buchstabe h) und

·         ober- oder unterirdische Versorgungsleitungen (Frei- oder Rohrleitungen) anzulegen oder zu ändern (Verbot Buchstabe i).

 

Die Neuerrichtung des Einfamilienwohnhauses als bauliche Anlage i.S.d. § 2 Abs. 1 BauO NRW sowie die Anlage der Muldenversickerung unter Veränderung der Bodengestalt (inklusive Verlegung eines Entwässerungsrohres und Errichtung eines Kontroll- bzw. Filterschachtes) verstoßen gegen die o.g. Verbotstatbestände.

 

Gemäß § 67 Abs. 1 BNatSchG i. V. m. § 75 Abs. 1 LNatSchG NRW kann von Verboten des Landschaftsplanes auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

 

1.    dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder

2.    die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichungen mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar sind.

 

In Bezug auf den Abbruch mit anschließender Neuerrichtung des Einfamilienwohnhauses würde die Versagung der Befreiung von den o.g. Verbotstatbeständen zu einer unzumutbaren Belastung für den Antragsteller führen. Infolge des Abrisses des Altbaus und Neuerrichtung eines gleichartigen Einfamilienwohnhauses an dieser Stelle ergeben sich im Ergebnis eine Reduktion des versiegelten Flächenanteils und eine geringere Inanspruchnahme des Landschaftsschutzgebietes im Vergleich zum Status quo. Die Abweichung von den Verbotstatbeständen des Landschaftsschutzgebietes ist insofern mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar. Vor dem Hintergrund der ökologischen Verbesserung der Ausgangslage wäre eine Versagung der Befreiung nicht zumutbar.

 

Die Errichtung der Versickerungsmulde dient der Entwässerung des auf dem Grundstück anfallenden Niederschlagswassers. Die Versickerung des Niederschlagswassers vor Ort leistet einen Teilbeitrag für die Grundwasserneubildung, die bei Einleitung in das Abwasser- und Kanalnetz nicht gewährleistet wäre. Diese liegt im öffentlichen Interesse. Der mit der Errichtung der Versickerungsmulde einhergehende Eingriff ist gering und kann entsprechend kompensiert werden. Die Fläche für die Muldenversickerung wird im Anschluss wieder begrünt. An der Böschungsoberkante werden zwei solitäre Sträucher als Kompensation gepflanzt. Insgesamt überwiegt hier das öffentliche Interesse an einer standortgebundenen Niederschlagswasserentwässerung und Förderung der natürlichen Grundwasserneubildung die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege.

 

Die Verwaltung beabsichtigt daher, dem Antragsteller eine Befreiung von den entgegenstehenden Verbotstatbeständen des Landschaftsschutzgebietes für Abbruch und Neuerrichtung des Einfamilienwohnhauses (unzumutbare Belastung i.S.d. § 67 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) sowie die Anlage der Muldenversickerung (überwiegendes öffentliches Interesse i.S.d. § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) zu erteilen.

 

Der Naturschutzbeirat wird um Entscheidung im Rahmen seines Widerspruchsrechtes gem. § 75 Abs. 1 LNatSchG NRW gebeten.