Betreff
Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vom 26.06.2020 „Notfallkonzept im Falle einer Blackout-Katastrophe“
Vorlage
32/4080/XVI/2020
Art
Anfrage (alt)

Sachverhalt:

Wie in der Einleitung zur Anfrage richtig dargestellt wird, ist die moderne Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland auf das dauerhafte Vorhandensein von elektrischer Energie abhängig. Dies setzt ein stabiles Stromnetz voraus. Die Anfrage bezieht sich auf den Fall einer „Blackout-Katastrophe“. Insoweit scheint es angebracht vor der Beantwortung der Einzelfragen zunächst einige grundlegende Fakten darzustellen, um die Auswirkungen eines Stromausfalls im Rhein-Kreis Neuss von einer „Blackout-Katastrophe“ zu unterscheiden.

Darüber hinaus erscheint es im Hinblick auf die Fragestellungen erforderlich, die wesentlichen Voraussetzungen zu beleuchten, die für die Stromversorgung der Bevölkerung notwendig sind.

 

I.       Anforderungen an ein stabiles Stromnetz

Das Stromnetz ist europaweit aufgebaut und setzt eine konstante Netzspannung von 50 Herz voraus, damit der Stromfluss von der Stromerzeugung bis hin zum Endverbraucher funktioniert. Schon Abweichungen von 1 Herz nach oben oder unten können dazu führen, dass das Stromnetz regional zusammenbricht, was sich zu einem europaweiten Blackout ausweiten kann. Derartige Ausfälle sind in der Vergangenheit schon häufiger vorgekommen, sei es in Schweden durch einen magnetischen Sturm am 24.09.2003, durch eingestürzte Hochspannungsmasten beim Schneechaos im Münsterland im Jahr 2005, oder durch die falsche Abschaltung einer einzelnen Hochspannungsleitung in Papenburg am 04.11.2006.

In den vergangenen Jahren ist die Netzstabilität immer schwieriger zu steuern. Dies liegt einerseits an steigendem Stromverbrauch, z.B. durch elektrisch betriebene Autos. Auf der anderen Seite werden mehr und mehr Kraftwerke, deren Leistung sich durch entsprechende Technik steuern lässt, abgeschaltet und durch erneuerbare Energien ersetzt, deren schwankende Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Stabilität des Stromnetzes zu großen Herausforderungen führt.

Neben diesen technischen Problemstellungen steht die Bedrohung der Stabilität des Stromnetzes durch terroristische Angriffe, z.B. durch Cyberattacken.

Fällt das Stromnetz flächendeckend aus, ist es technisch ausgesprochen schwierig, das Netz Schritt für Schritt wieder aufzubauen. Dafür bedarf es zunächst Kraftwerke, die „schwarzstartfähig“ sind, das bedeutet dass die ohne Elektrizität wieder in Betrieb gehen können. Viele Kraftwerke und die erneuerbaren Energien verfügen nicht über diese Eigenschaft. Produziert das Kraftwerk dann wieder Strom, muss dieser auch „abgenommen“, d.h. verbraucht werden, damit die Netzspannung wieder die erforderlichen 50 Herz erreicht und dauerhaft hält, da es ansonsten wieder zu einem Zusammenbruch des Netzes kommt.

Der Verbraucher kauft seinen Strombedarf bei den Stromerzeugern ein. Daneben existieren die Netzbetreiber, deren Aufgabe es ist, den Strom zu transportieren und das Stromnetz betriebsfähig zu halten.

 

II.      Herangehensweise des Kreises an die Thematik

Der Rhein-Kreis Neuss hat sich bereits im Jahr 2017 im Rahmen einer Schulung und einer Übung des gesamten Krisenstabes an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz - einer Einrichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe - mit der Thematik eines flächendeckenden Stromausfalls befasst.

An dieser Übung haben neben den stets beteiligten Kräften der Kreisverwaltung, der Feuerwehr, der Polizei und dem Kreisverbindungskommando der Bundeswehr u.a. auch Vertreter der Stromerzeuger und der Netzbetreiber teilgenommen.

Im Ergebnis konnte u.a. festgehalten werden, dass ein Stromausfall, der „nur“ das Gebiet des Rhein-Kreises Neuss betrifft, aufgrund der technischen Beschaffenheit des Stromnetzes gar nicht realistisch ist. Maximal könnten Teile des Kreises betroffen sein (z.B. durch den Ausfall von Masten oder eines Umspannwerks), wobei die Netzbetreiber sich in der Lage sehen derartige Szenarien innerhalb weniger Tage zu beherrschen.

Diese Erkenntnis ist wichtig für die Notfallplanung, nicht nur aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Zuständigkeiten für das Krisenmanagement sondern auch im Hinblick auf das Vorhandensein von Hilfsmitteln, Hilfskräften, Kommunikationsmitteln und funktionierender Logistik im näheren Einzugsbereich des Gebietes des Stromausfalls, z.B. in Teilen einer kreisangehörigen Kommune. Hier ist insbesondere die Verfügbarkeit von „überörtlicher Hilfe“ auf Basis der Landeskonzepte ein wesentlicher Faktor, da entsprechend große Kapazitäten an Personal, Material und technischer Ausstattung auf diesem Wege schnell zur Verfügung stehen können.

Kommt es andererseits zu einem überregionalen oder gar europaweiten Blackout, ist die Verfügbarkeit von Hilfsmitteln extrem eingeschränkt, da insbesondere die überörtliche Hilfe in solchen Fällen ausbleiben wird.

Ein stark vereinfachtes praktisches Beispiel soll die unterschiedlichen Szenarien verdeutlichen:

Fällt in Teilen einer kreisangehörigen Kommune für 2 Tage der Strom aus, können aus Beständen der Feuerwehren und Hilfsorganisationen aus dem Kreisgebiet und im Rahmen der überörtlichen Hilfe aus dem Bereich der Bezirksregierung Düsseldorf kurzfristig Aggregate zur Stromerzeugung herangeführt werden. Für den Betrieb dieser Geräte wird Kraftstoff benötigt, der in diesem Szenario ebenfalls für die gesamte Dauer des Ausfalls problemlos laufend zugeführt werden kann.

Handelt es sich jedoch um einen europaweiten Blackout, werden überörtliche Geräte nicht zur Verfügung stehen und auch die Zuführung von Kraftstoff sich kaum auf den Rhein-Kreis Neuss konzentrieren. Dies verschärft somit die Lage exponentiell und steigert bei Weitem die Herausforderungen an ein lokales Krisenmanagement.

Ob, inwieweit und wie lange dann die für den Rhein-Kreis Neuss erarbeiteten Konzepte umsetzbar bleiben ist schwer abzuschätzen. Letztlich wird es eine Gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, einer solchen Lage entgegen zu wirken.

 

III.     Notfallkonzepte

Das Kernstück des Notfallkonzeptes bei Stromausfall bildet der für die administrativ-organisatorische Ebene des Krisenmanagements erstelle „Leitfaden Stromausfall“, der in Anlage beigefügt ist. Aus diesem Konzept ergeben sich die Antworten auf die in der Anfrage gestellten Einzelfragen 1, 2, 3, 4, 5, 7 und 8.

Details und spezielle Fachfragen sind durch die im Krisenstab vertreten Fachämter zu planen.

Die bewährten und erprobten Konzepte der operativ-taktischen Ebene ergänzen diese Regelungen und sehen darüber hinaus Regelungen für den Aufbau und den Betrieb von Behandlungs- und Betreuungsplätzen vor (Frage 6).

Das Konzept „Leitfaden Strahlenschutz“ (Frage 9) wurde zuletzt 2018 durch das Kreisordnungsamt aktualisiert.

Die Problematik eines länger andauernden Stromausfalls ist bei allen Kommunen erkannt worden. Die Feuerwehrgerätehäuser werden im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel sukzessive mit motorbetriebenen Netzersatzanlagen nachgerüstet, um flächendeckend „Leuchttürme“ bereit zu stellen, an die sich Bürger hilfesuchend wenden können.

Bei der Kreisverwaltung wurde die Notstromversorgung des Kreishochhauses samt Gesundheitsamt technisch aufgerüstet. Ferner wurde ein mobiles Notstromaggregat mit 125 kVA Leistung bestellt, welches sowohl im Inselbetrieb als auch in der Gebäudeeinspeisung samt Rücksynchronisation eingesetzt werden kann und zudem über einen Lichtmast verfügt. Ferner wurde eine mobile Tankstelle beschafft, die dieses und andere stationäre Aggregate und Maschinen mit Kraftstoff versorgen kann. Ziel ist es, die „Kritischen Infrastrukturen“ im Sinne der Nationalen Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie) des BMI vom 17.06.2009 so lange wie möglich arbeitsfähig zu halten.

 

IV.     Übungen auf Grundlage der Planung

Wie bereits ausgeführt wurde das Thema Stromausfall unter fachlicher Anleitung am AKNZ bereits beübt. Des Weiteren wurden im Krisenstab des Kreises mehrere kleinere Übungen zur Thematik durchgeführt.