Betreff
Anfrage der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 01.12.2020 zum Thema "kulturpolitische Maßnahmen während der Corona-Pandemie"
Vorlage
010/0124/XVII/2020
Art
Tischvorlage

Sachverhalt:

Zu der als Anlage beigefügten Anfrage der Kreistagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN nimmt die Verwaltung wie folgt Stellung:

 

1.  Welche behördlichen Anlaufstellen gibt es auf kommunaler Ebene für Betroffene aus der Kulturszene und Veranstaltungsbranche, wo sie relevante Informationen über Hilfsprogramme erhalten?

 

Die Gemeinden nehmen die Aufgabe der Kulturförderung und-pflege in ihrem Gebiet im Rahmen ihrer Selbstverwaltung in eigener Verantwortung wahr. Sie schaffen dabei gemäß § 8 Absatz 1 der Gemeindeordnung innerhalb der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für die kulturelle Betreuung ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen. Die Kulturverwaltung ist damit eine kommunale Aufgabe. Kulturpolitische Maßnahmen ergreifen die Kommunen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung selbständig.

 

Die kommunalen Kulturämter leiten Informationen über Hilfsprogramme an die Betroffenen weiter, teilweise werden sie in den Kommunen von der Wirtschaftsförderung oder dem Stadtmarketing unterstützt, so z.B. bei der Stadt Meerbusch. Der Wirtschaftsförderer ist dort zentraler Ansprechpartner für die diversen Förderprogramme.

 

Der Rhein-Kreis Neuss nimmt nach Maßgabe von § 6 Abs. 1 der Kreisordnung die Aufgabe nur für überörtliche Belange wahr, denen die Kommunen nicht nachkommen.

 

Die Kulturverwaltung des Kreises hat ebenfalls an die langjährigen Partner, mit denen der Rhein-Kreis Neuss kulturell zusammenarbeitet, Informationen weitergegeben. Ebenso informiert die Wirtschaftsförderung des Kreises regelmäßig im Newsletter über die Coronahilfen. Anfragen von Betroffenen hat die Kulturverwaltung des Kreises bislang nicht erhalten.


 

2.  Welche Informationen liegen der Verwaltung über die aktuelle Lage der kulturellen Infrastruktur vor? Mussten z. B. kleine Bühnen, soziokulturelle Zentren, Ateliers oder kleine Konzertspielplätze wie Clubs und Bars mit eigener Bühne im Rhein-Kreis aufgrund finanzieller Ausfälle seit März 2020 endgültig schließen?

 

Dem Rhein-Kreis ist keine endgültige Schließung im Kreisgebiet bekannt. Auch eine Rückfrage bei den Kommunen ergab keine anderen Erkenntnisse.

 

3.  Welche behördlichen Gremien diskutieren und erarbeiten gemeinsam mit Kulturschaffenden Hygienemaßnahmen, die auf Basis neuer Erkenntnisse und Studien zu Infektionsrisiken entwickelt werden könnten und hierbei die Merkmale der Veranstaltungsstätten des Rhein-Kreises Neuss berücksichtigen. Hier seien insbesondere die aktuellen Ergebnisse der Studie „RESTART-19“ von der Universitätsmedizin Halle erwähnt (siehe https://restart19.de).

 

Das Forschungsprojekt RESTART-19 der Universitätsmedizin Halle (Saale) hatte zum Ziel, das Risiko eines Ausbruchs mit COVID-19 durch Hallen-Großveranstaltung zu simulieren und dabei Rahmenbedingungen zu erforschen, unter denen solche Veranstaltungen trotz Pandemie wieder durchgeführt werden können, ohne eine Gefährdung der Bevölkerung zu riskieren.

 

Anhand der Erkenntnisse haben die Forschenden folgende Empfehlungen abgeleitet:

  • Veranstaltungshäuser benötigen Belüftungstechnik, die eine gute Belüftung und einen regelmäßigen Raumluftaustausch mit frischer Luft ermöglicht. Sinnvoll ist die Erstellung eines Bewertungssystems für eine adäquate Raumlufttechnik.
  • So lange die Pandemie anhält, sind Hygiene-Konzepte weiterhin anzuwenden: Maskenpflicht in der Halle; Hygiene-Stewards zur Einhaltung der Standards.
  • Der Bestuhlungsplan und somit die Gästezahl sollten an die Inzidenz angepasst werden.
  • Als Zugang zu den Veranstaltungsorten sollten mehrere Eingänge vorhanden sein, um Besucherströme zu lenken. Wartezonen sollten ins Freie verlagert werden.
  • Während der Veranstaltung sollte an den Sitzplätzen gegessen werden, um Gedränge und lange Kontakte an Imbiss-Ständen zu vermeiden.

 

Es wird davon ausgegangen, dass diese Erkenntnisse bei dem Erlass der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung) durch die jeweilige Landesregierung berücksichtigt werden. Die Bestimmungen dieser Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen sind für die Veranstaltungen im Kreisgebiet verbindlich.

 

Die örtlichen Kulturämter entwickeln in Zusammenarbeit mit den dortigen Ordnungsbehörden, dem Kreisgesundheitsamt und den Kulturschaffenden nach Bedarf Hygienekonzepte für geplante Veranstaltungen und Ausstellungen. Diese werden immer an die zum Zeitpunkt der Veranstaltung geltenden Regelungen der Coronaschutzverordnung angepasst. Auch der Rhein-Kreis Neuss ist für seine Einrichtungen so verfahren.


 

4.  Gibt es öffentliche Plätze und Flächen, die für Veranstaltungen genutzt werden können, weil sie durch Größe oder Lage die Voraussetzungen zur Einhaltung der Hygienemaßnahmen erfüllen können und wenn ja, an welcher Stelle wird das kommuniziert?

 

Die Kulturämter und die kulturellen Einrichtungen des Kreises haben von Mai bis Oktober 2020 kleinere Veranstaltungen durchgeführt und auch alternative Veranstaltungsformate und – orte genutzt, so z.B. Aufführungen auf der Stadtparkinsel in Grevenbroich, die Drive-In-Comedy auf dem ehemaligen IKEA-Parkplatz in Kaarst oder Veranstaltungen auf der Freilichtbühne in Zons.

 

Derzeit sind sämtliche Kulturveranstaltungen sowie der Betrieb der Museen bis zum 01.01.2021 verboten und nach dem jetzigen Stand ist noch nicht ersichtlich, welche Regelungen danach gelten werden.

 

5.  Welche kommunalen Unterstützungsfonds z. B. nach dem Vorbild der „Kunst Nothilfe Bochum“ oder der „Kölner Kulturhilfe“ sind vom Rhein-Kreis Neuss entwickelt worden? Und falls bisher keinerlei Fonds entwickelt wurde – wäre dies eine sinnvolle Investition in den Kulturstandort Rhein-Kreis Neuss?

 

Die Unterstützung von einzelnen Kulturschaffenden ist keine originäre Aufgabe des Rhein-Kreises Neuss. Zuständig sind hierfür die Kommunen. Dort wurden bislang keine Fonds aufgelegt. Es gab jedoch andere Unterstützungsangebote der Kommunen, so hat die Stadt Grevenbroich in den Sommermonaten Sonderkonzerte mit Künstlerinnen und Künstlern durchgeführt und während des zweiten Lockdowns digitale Aufnahmen mit Musikerinnen und Musikern gemacht, die mit Honorarzahlungen verbunden sind. Für ausgefallene Veranstaltungen in der Stadt Meerbusch konnten die Eintrittsgelder an die Künstlerinnen und Künstler anstatt einer Rückerstattung gespendet werden. Dort wurden die Künstlerinnen und Künstler ferner unterstützt, den Internetauftritt zu verbessern und ihre Kunst zu präsentieren und zu verkaufen.

 

Bei den Kulturschaffenden, die der Rhein-Kreis Neuss regelmäßig unterstützt, z.B. den Festival Alte Musik Knechtsteden e.V. oder den Märchenspiele Zons e.V., wurden trotz Programmänderungen oder –kürzungen, die Zuschüsse, soweit möglich, ausgezahlt. In gleicher Weise verfuhr die Stiftung Kulturpflege und Kulturförderung der Sparkasse Neuss mit ihren Zuschüssen.

 

Die Jubiläumsstiftung der Sparkasse Neuss vergibt weitere 70.000 EURO an in Neuss lebende Künstlerinnen und Künstler. Dieses Hilfspaket ist bereits die zweite Maßnahme der Stiftung zur Unterstützung der Kunstschaffenden vor Ort. Schon im Mai hatte die Jubiläumsstiftung 70.000 € bereitgestellt. Während die Stiftung die Gelder im Frühjahr als Soforthilfe bereitgestellt hat, werden mit den neuen 70.000 Euro nun gezielt Projekte gefördert. Den Künstlerinnen und Künstlern soll auf diese Weise geholfen werden, die eigene kreative Tätigkeit auch unter Corona-Bedingungen fortzuführen und einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Bis zum 15. Januar kann ein entsprechender Antrag auf Projektförderung durch die Jubiläumsstiftung der Sparkasse Neuss gestellt werden.

 

Die Einrichtung eines Unterstützungsfonds auf Kreisebene bedarf der Beratung mit den Kommunen, da dieser über die Kreisumlage finanziert würde. Für die Haushaltsberatungen 2021 des Kreises ist jede Fraktion im Kreistag selbst gehalten, zu berücksichtigen, dass die öffentliche Hand ein wichtiger Auftraggeber für freie Kulturschaffende ist.


 

 

Seitens der Politik wurde für den Rhein-Kreis Neuss die Erarbeitung eines interkommunalen Kulturentwicklungsplanes beschlossen. Im Rahmen des dortigen Beteiligungsverfahrens wird es ein Forum für alle Kulturschaffenden geben, bei dem man sich auch über mögliche Hilfen austauschen könnte.