Betreff
Antrag der SPD-Kreistagsfraktion und der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vom 02.12.20 zum Thema Rhein-Kreis-Neuss-Pass
Vorlage
010/0132/XVII/2020
Art
Tischvorlage

Sachverhalt:

Mit Antrag vom 2. Dezember 2020 schlagen die Kreistagsfraktionen SPD und Bündnis 90/die Grünen vor, eine Ermäßigungskarte (sog. Rhein-Kreis-Neuss-Pass) für Menschen mit geringen Einkommen zu etablieren. Mittels dieser Karte sollen Menschen mit geringem Einkommen Vergünstigungen und Ermäßigungen im Bereich Kultur, Wirtschaft und Sport erhalten (z.B. freier Eintritt in kreiseigene Museen, Preisnachlässe bei kulturellen Veranstaltungen). Ziel des Rhein-Kreis-Neuss-Passes soll sein, allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Rhein-Kreis Neuss zu ermöglichen und die Stigmatisierung von Sozialhilfeberechtigten abzubauen.

 

 

In Nordrhein-Westfalen existieren bereits derartige Projekte.

 

Die Stadt Bonn hat für finanzschwache Bürgerinnen und Bürger 1961 den Bonn-Ausweis eingeführt. Ausweisinhaber zahlen Sie für diverse städtische Leistungen (Schwimmbad städtischen Museen, Musikschule etc.) nur die Hälfte des üblichen Preises. Auch erhalten Ausweisinhaber Vergünstigungen im ÖPNV. 2019 hat der Bonn-Ausweis bei 30.398 Nutzerinnen und Nutzer Kosten in Höhe von 2.283.645,00 € verursacht; damit sind pro Ausweisinhaber 75 € angefallen. Derzeit sind acht Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter mit dem Bonn-Ausweis beschäftigt; dies entspricht sechs VZÄ.

 

Die Stadt Düsseldorf hat 1997 den Düsselpass eingeführt. Als gesamtstädtisches Angebot steht der Düsselpass Sozialhilfeberechtigten, Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II und Personen mit vergleichbar geringem Einkommen zur Verfügung. Die reinen Sachkosten des Düsselpass belaufen sich jährlich auf ca. 80.000,00 €. Der personelle Aufwand lässt sich konkret nicht darstellen, da neben einer  VZÄ als Koordinationsbeauftragte jede/jeder Mitarbeiterin/Mitarbeiter im Bereich der Grundsicherung mit der Bewilligung und Ausgabe des Düsselpass beschäftigt ist.

 

Auch die Stadt Köln hat ein derartiges Instrument seit den 1980-iger Jahren etabliert. Der Köln-Pass, wie er in der heutigen Form existiert, wurde 2007 eingeführt. Auch hier zählen Vergünstigungen im ÖPNV-Bereich zum Katalog des Köln-Passes. Zu Beginn waren fünf Mitarbeiter/innen des mittleren Dienstes für den Köln-Pass zuständig. Mittlerweile ist diese Aufgabe auf die Mitarbeiter des BuT-Teams delegiert worden, so dass sich derzeit ca. 30 Mitarbeiter/innen mit dem Köln-Pass beschäftigen.

 

Anfang 2020 hat die Stadt Neuss den sogenannten Neuss-Pass eingeführt. Mit dem Neuss-Pass erhalten finanzschwache Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Neuss Vergünstigungen bei diversen städtischen und stadtnahen Einrichtungen. Derzeit ist eine ½ VZÄ des mittleren Dienstes mit der Prüfung und Bewilligung des Neuss-Passes beschäftigt. Für den Neuss-Pass hat die Stadt Neuss bei einer prognostizierten Nutzeranzahl von ca. 20.359 Nutzerinnen und Nutzer Gesamtkosten in Höhe von 566.259,33 € veranschlagt. Zehn Monate nach Einführung des Neuss-Passes kann die Stadt Neuss lediglich 121 Neuss-Pässe verzeichnen. Aus Sicht der Öffentlichkeit hat sich der Neuss-Pass zu einem Flop entwickelt (vgl. NGZ vom 27.10.2020).

 

Über ein ähnliches Instrument verfügt auch der Rhein-Kreis Neuss bereits.

 

2006 hatte der Rhein-Kreis Neuss die Familienkarte eingeführt. Mit der Familienkarte erhalten alle Karteninhaber (Erziehungsberechtigte mit Kind bis zu 18 Jahren) zahlreiche Vergünstigungen und Angebote. Partner der Familienkarte können Unternehmen, Dienstleister, Vereine oder auch Veranstalter sein. Derzeit stehen den ca. 40.000 Familienkarteninhaber 317 Unternehmen zur Verfügung. Die Einführung der Familienkarte hat Kosten in Höhe von ca. 67.000,00 € verursacht; jährlich  verursacht die Familienkarte Kosten in Höhe von ca. 20.000,00 €.

 

Im Vergleich zum Düsselpass, Bonn-Ausweis, Kölnpass und Neuss-Pass sind die geringen Kosten der Familienkarte u.a. auf deren Gültigkeitsdauer zurückzuführen. Während sich die Gültigkeit der Familienkarte nach der Volljährigkeit des jüngsten Kindes bemisst, richtet sich die Gültigkeit der o.g. „Sozial“-Pässe zum Teil nach der Berechtigungsdauer der Sozialhilfeleistung. Bei Berechtigten, die im SGB II-Bezug stehen, beträgt die Laufzeit lediglich ein Jahr.

 

Mit Etablierung der Familienkarte unterstützte der Rhein-Kreis Neuss u.a. finanzschwache Familien. Daneben gewähren viele Einrichtungen und Unternehmen im Rhein-Kreis Neuss bereits jetzt schon Vergünstigungen und Sondertarife für finanzschwache Personengruppen. So haben Schwerbehinderte (ab GdB 50%) im Schlossbad Grevenbroich beispielsweise nur den Jugendtarif zu zahlen. Die Stiftung Schloss Dyck gewährt einen ermäßigten Eintrittspreis für Schüler, Auszubildende, Studenten, Freiwilligendienste, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Behinderte (> GdB 50). Auch erhalten alle Besucherinnen und Besucher, die ihren Wohnsitz im Rhein-Kreis Neuss haben, an jedem Mittwoch sowie an jedem 1. Samstag im Monat, freien Eintritt in das Kreismuseum Zons.

Da jeder Erziehungsberechtigte mit einem minderjährigen Kind im Rhein-Kreis Neuss einen Anspruch auf Erteilung der Familienkarte besitzt, sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse  hier ohne Bedeutung. Eine Stigmatisierung von finanzschwachen Familien findet bei der Familienkarte des Rhein-Kreises Neuss faktisch nicht statt.

 

Anders würde sich dies bei einem Rhein-Kreis-Neuss-Pass verhalten. Dieser soll nur den nachfolgenden Personen zur Verfügung stehen:

-       Bezieher/innen von Grundsicherung für Arbeitssuchende nach den Bestimmungen des SGB II,

-       Bezieher/innen von Grundsicherung und Hilfe zum Lebensunterhalt für nicht erwerbsfähige Hilfsbedürftige nach den Bestimmungen des SGB XII und BVG,

-       Bezieher/innen von Wohngeld nach dem WoGG,

-       Bezieher/innen von Hilfen zur Deckung offener Heimpflegekosten nach dem SGB XII und BVG sowie Bezieher/innen von Pflegewohngeld,

-       Bewohner/innen von vollstationären Einrichtungen, die nach Abzug der Heimpflegekosten über ein Einkommen verfügen, das den zweifachen des Barbetrages gemäß § 27 b Abs. 2 SGB XII nicht übersteigt,

-       Bezieher/innen von wirtschaftlichen Jugendhilfen nach dem SGB VIII,

-       Bezieher/innen von Leistungen nach dem AsylbLG.

 

Im Ergebnis dokumentiert der Rhein-Kreis-Neuss-Pass den Sozialhilfebezug bzw. die schwache Finanzlage des Karteninhabers. Durch Vorlage des Rhein-Kreis-Neuss-Passes wird dies nach außen getragen und führt erst recht zu einer Stigmatisierung. Vor diesem Hintergrund werden viele Anspruchsberechtigte von einer Inanspruchnahme des Rhein-Kreis-Neuss-Passes absehen. Zu erkennen dies bereits am Neuss-Pass; obwohl 20.359 Einwohner/innen der Stadt Neuss einen Anspruch auf Erteilung des Neuss-Pass besitzen, haben lediglich 121 Personen diesen geltend gemacht.

 

Aufgrund der Corona-Krise kämpfen viele Unternehmen um die eigene Existenz; sie sind vielfach auf staatliche Hilfen angewiesen. In Bezug auf die Familienkarte des Rhein-Kreises Neuss hat ein Unternehmen seine Partnerschaft bereits coronabedingt aufkündigen müssen. Die Verwaltung geht davon aus, dass weitere Unternehmen dem folgen werden. Vergünstigungen für finanzschwache Bürgerinnen und Bürger können viele Unternehmen derzeit nicht leisten.