Betreff
Beschulung von Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine
Vorlage
40/1303/XVII/2022
Art
Bericht

Beschlussvorschlag:

Der Schul-und Bildungsausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.

 


Sachverhalt:

 

1)   Schulpflicht

 

Geflüchtete Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der Ukraine durchlaufen nach Beschluss der EU i. d. R. kein Asylverfahren. Sie haben ein sofortiges Aufenthaltsrecht und können eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Aufenthaltsgesetz für zunächst ein Jahr mit der Möglichkeit auf Verlängerung um weitere zwei Jahre erhalten. Mit Erhalt der Aufenthaltserlaubnis werden sie einer Kommune zugewiesen und müssen dort ihren Wohnsitz nehmen. Sobald dies erfolgt ist, besteht für die betroffenen Kinder und Jugendliche nach § 34 (1) Schulgesetz die Schulpflicht.

 

In der 12. Kalenderwoche wurden im Rhein-Kreis Neuss ca. 600-700 geflüchtete Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter gezählt. In der 18. Kalenderwoche waren bereits 528 Schülerinnen und Schüler der Erstförderung an einer Schule im Rhein-Kreis Neuss zugewiesen.

 

2)   Grundlage

 

Grundlage für die Beschulung der geflüchteten Schülerinnen und Schüler ist der Erlass „Integration und Deutschförderungen neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler. Hiernach hat das Erlernen der deutschen Sprache Priorität, damit die Beteiligung am Unterricht möglichst bald und umfassend erfolgen kann.

 

3)   Schulbesuch

 

a)   Anmeldung an einer Schule

 

Die Zuweisung eines Schulplatzes erfolgt durch die örtlichen zuständigen staatlichen Schulämter. Vorrang bei der Schulplatzvergabe haben Schulpflichtige gegenüber noch nicht schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen. Im Rahmen der Zuweisung erfolgt eine Beratung der ankommenden Familien aus der Ukraine zur angemessenen Beschulung ihrer Kinder. Diese leistet das Kommunale Integrationszentrum (KI).

Denkbar ist auch, dass Kinder und Jugendliche direkt bei Schulleitungen vorstellig werden ohne vorherige Beratung und Zuweisung durch die Schulaufsichtsbehörden. In Abstimmung mit dem zuständigen Schulamt, dem Schulträger und der Schule soll der Schulbesuch grundsätzlich auch auf diesem Weg ermöglicht werden.

 

Die Schulaufsicht hat dafür Sorge zu tragen, dass eine gleichmäßige Zuweisung auf alle Schulen im Rhein-Kreis Neuss erfolgt.

 

Es erfolgt eine Abstimmung einmal wöchentlich zur Schulplatzvergabe (obere und untere Schulaufsicht, Schulträger, Bildungsbüro, Kommunales Integrationszentrum).

 

b)   Schuleingangsuntersuchung

 

Gem. § 54 (2) S.2 Nr. 1 SchulG besteht die Verpflichtung schulärztlich untersuchen zu lassen. Im Rhein-Kreis Neuss führt das Gesundheitsamt in den Flüchtlingsheimen die Schuleingangsuntersuchungen durch und überprüft auch den Impfstatus.

Schulleitungen informieren das Gesundheitsamt bei Auskunft neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler damit die Schuleingangsuntersuchung veranlasst wird.

 

c)   Schulbesuch in der Primarstufe und Sekundarstufe I

 

Neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler können in drei unterschiedlichen Organisationsformen eine Deutschförderung erhalten

1)    eine innere Differenzierung (vollständige Teilnahme am Regelunterricht)

2)    in teilweiser äußerer Differenzierung (Besuch einer eigenen Lerngruppe und             Teilnahme am Regelunterricht)

3)    in vollständiger Differenzierung (in eigenen Lerngruppen)

Die Schule darf die Organisationsform der Differenzierung festlegen.

 

d)   Schulbesuch in der Sekundarstufe II: Gymnasiale Oberstufe

 

In der Regel verfügen die Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine nicht über ausreichende Deutschkenntnisse um dem Unterricht folgen zu können. Daher werden sie zunächst nicht in die Gymnasiale Oberstufe, vor allem nicht in die Qualifikationsphase der Gesamtschulen und Gymnasien aufgenommen. Probeweise Aufnahme bei entsprechend vorhandenem Sprach- und Lernstand sind möglich.

Viele Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe lernen im Distanzunterricht.

Für die Schülerinnen und Schüler, die in der 11. Klasse sind, ist das Schuljahr besonders wichtig, da in der Ukraine das Abitur nach dem 11. Schuljahr erreicht wird. Ein guter Abschluss ist sehr wichtig, da im Ukrainischen System nur die oberen 10 Prozent kostenfrei studieren dürfen.

Bezirksregierung unterstützt vorerst das Distanzlernen.

Der Rhein-Kreis Neuss gibt diesen Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit zur Nutzung der Selbstlernzentren in den Berufskollegs.

 

e)   Schulbesuch in der Sekundarstufe II: Berufliche Bildung

 

Die der Schulpflicht in der Sekundarstufe II unterliegenden Schülerinnen und Schüler, die noch über keine deutschen Sprachkenntnisse zur erfolgreichen Teilnahme am Unterricht in einer Regelklasse verfügen, werden am Berufskolleg in die Internationalen Förderklassen aufgenommen. Im Rhein-Kreis Neuss sind diese am BBZ Dormagen und Grevenbroich eingerichtet.

In der 14. Kalenderwoche wurden dort 76 Schülerinnen und Schüler beschult.

Besondere Bestimmungen gibt es im Programm Fit für Mehr für den Unterricht für geflüchtete Jugendliche im Alter von 16 bis 25 Jahren. Fit für Mehr ist zum einen für noch schulpflichtige geflüchtete Jugendliche in der Sekundarstufe II die unterjährig in den Berufskollegs aufgenommen werden, vorgesehen und zum anderen für nicht mehr schulpflichtige Jugendliche im Alter über 18 Jahren.

 

f)    KI, LASI

 

KI: Kommunales Integrationszentrum

 

Kommunale Integrationszentren haben vorrangig den Auftrag durch Koordinierungen, Beratungs- und Unterstützungsleistungen Einrichtungen des Regelsystems in der Kommunen im Hinblick auf die Integration von Menschen mit Einwanderungsgeschichte zu sensibilisieren und zu qualifizieren. Die Lehrkräfte in den Kommunalen Integrationszentren beraten Kinder, Jugendliche und deren Eltern, beim Seiteneinstieg, zu Bildungs- und Ausbildungswegen, Ganztagsangeboten, außerschulische Angeboten und Übergangen.

Das Kommunale Integrationszentrum des Rhein-Kreises Neuss ist mit der Schulaufsicht und einem Fachberater vernetzt und somit als zu favorisierende Vermittlungsstelle von ukrainischen Kindern an die Schulen anzusehen. Das Kommunale Integrationszentrum bietet Elternberatungen

  - vor Ort in den Kommunen

  - im Kreishaus Neuss

  - digital

 

          LASI: Landesstelle schulische Integration

 

LASI begleitet die in den Kommunalen Integrationszentren tätigen Lehrkräfte in Form der Vernetzung und fachlichen Unterstützung. Die Koordinierung und Unterstützung der zugewanderten Lehrkräfte bildet eine besondere Aufgabe.

 

 

4)   Ressourcen und Verstärkung

 

Um der Beschulung aller Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine gerecht zu werden, bedarf es der Mobilisierung aller vorhandenen Ressourcen:

 

a)    Das Land NRW stellt 5.000 Integrationsstellen für Lehrkräfte, vor allen für die Deutschförderung

b)   Der Etat für Aushilfskräfte im Rahmen der „Integration durch Bildung“ kann bei Bedarf verstärkt werden

c)    Die Stellenreserve des MSB, 1.052 Stellen, wird nicht mehr zurückgehalten, sondern zur Beschulung der geflüchteten Schülerinnen und Schüler eingesetzt.

d)    Flexible Mittel für den Vertretungsunterricht dürfen in allen Schulformen zur Erteilung von Vertretungsunterricht eingesetzt werden, zusätzlich können freie Lehrerstellen herangezogen werden.

e)    Akquise von Lehrkräften und anderen Berufsgruppen für den Schuldienst NRW

-       Werbung bei Pensionärinnen und Pensionären, Lehrkräfte in Beurlaubung mit dem Ziel einer vorzeitigen Rückkehr und Erhöhung der Stundenzahl bei Lehrkräften in Teilzeit

-       Anschreiben an Lehrkräfte der LEV Datenbank mit dem Ziel noch nicht dauerhaft Beschäftigte für einen befristeten Einsatz zu gewinnen (www.verena.nrw.de)

-       Einsatz von Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter mit bis zu 6 Stunden/Woche bis Dezember 2022

-       Ansprache von ukrainischen Lehrkräften. Die Beschäftigung ist im Rahmen bestehender Regelungen als Lehrkräfte oder sonstiges (sozial-)pädagogisches Personal möglich. Ein Erlass ist in Vorbereitung.

-       Bei Bedarf Ausbau der Weiterbildungsmaßnahme „Qualifikationserweiterung Deutsch als Zielsprache (DaZ)“ für Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen.

 

 

 

 

5)   Unterstützungssysteme und –angebote

 

a)   Schulpsychologie

In allen 53 Kreisen bzw. kreisfreien Städten gibt es eine schulpsychologische Beratungsstelle. Sie bietet u. a. Hilfe im Umgang mit dem psychischen Belastungen und möglichen Konfliktsituationen in Folge des Russland-Ukraine-Konflikts.

 

Der Schulpsychologische Dienst des Rhein-Kreises Neuss unterstützt bereits seit 2016 (Einrichtung einer landesschulpsychologischen Stelle) die schulische Integration durch Bildung (IdB), d. h. die Schulen bei der Unterrichtung der zunächst ab 2015) zugewanderten Schülerinnen und Schüler und hilft dabei, Schule zu einer stabilisierenden Säule im Leben dieser Kinder und Jugendlichen zu machen.

 

Mit Einrichtung dieser IdB-Stelle konnte der Schulpsychologische Dienst sein Beratungs- und Fortbildungsangebot zum Thema „Integration: Migration/Flucht“ ausweiten und die Zusammenarbeit mit Lehrkräften und Schulen intensivieren, was jetzt und im kommenden Schuljahr auch der Beschulung von Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine zugutekommt.

 

Die Leiterin des Schulpsychologischen Dienst, Frau Bellen, wird in der Sitzung diese Beratungstätigkeiten, Kooperationsformen und schulunterstützende Maßnahmen vorstellen.

 

b)   Schulsozialarbeit

 

Für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler stehen in NRW explizit 226 Stellen für multiprofessionelle Teams, die für Soziale Arbeit an Schulen genutzt werden zur Verfügung. Sie unterstützen die persönliche und soziale Entwicklung von Kinder und Jugendlichen, beraten und begleiten sie und ihre Eltern.

Über die Neuausrichtung der Schulsozialarbeit im Rhein-Kreis Neuss wurde im Schul- und Bildungsausschuss am 01.02.2022 berichtet (40/1013/XVII/2022).

 

c)   Schulpflichtige Kinder und Jugendliche können auch am Programm „Ankommen und Aufholen“ teilnehmen. Im Rahmen dieses Aktionsprogramms stellen Bund und Land finanzielle Mittel für vier Programmbausteine Extra-Geld, Extra-Personal, Extra-Zeit und Extra-Blick zur Verfügung um die Folgen der Pandemie an den Schulen bestmöglich aufzuarbeiten.

 

d)   Herkunftssprachlicher Unterricht (HSU): ein Angebot für Schülerinnen und Schüler die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen

 

 

e)   Schulnahes Bildungsangebot in zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE)

 

Hier werden bereits vor ihrem Schulzugang erste Deutschkenntnisse vermittelt.

Im Rhein-Kreis Neuss ist die ZUE im BBZ Hammfeld voll besetzt mit geflüchteten Ukrainern. Die untere Schulaufsicht im Rhein-Kreis Neuss führt das schulnahe Bildungsangebot fort.

 

6)   Schulraum

Der Schulträger ist gem. § 79 SchulG NRW verpflichtet, die für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderliches Gebäude (und Räume) zur Verfügung zu stellen.

Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf wurden im Rhein-Kreis Neuss noch nicht gemeldet, lediglich Schülerinnen und Schüler für die Internationale Förderklassen am BBZ. Daher sind die Räumlichkeiten an den kreiseigenen Schulen ausreichend.

 

7)   Ganztags- und Betreuungsangebote

 

In gebundenen Ganztagsschulen nehmen Schülerinnen und Schüler gemäß den Vorgaben des Erlasses teil.

In offenen Ganztagsschulen (OGS) der Primarstufe ist eine Anmeldung der Schülerinnen und Schüler notwendig und für 1 Jahr bindend. Die Aufnahme der Kinder kann im Rahmen der vorhandenen Platzkapazitäten ermöglicht werden.

Bisher (Stand 19.04.2022) erfolgten an den Förderschulen des Rhein-Kreises Neuss keine Anmeldungen von ukrainischen Kindern.