Betreff
(Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 21.12.2009)
Vorlage
50/0249/XV/2010
Art
Antrag

Beschlussempfehlung:

keine

 


Sachverhalt:

Der Bezug von Leistungen nach dem SGB II steht einem grundsätzlichen Bezug von Leistungen nach dem SGB XII nicht im Wege. Nach § 5 Abs. 2 SGB II erhält derjenige keine Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II erhält.

Dies gilt mit der Folge, dass bestimmte SGB XII-Leistungen (u.a. Hilfen zur Gesundheit nach §§ 47 bis 52, Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 bis 69 oder Hilfen in anderen Lebenslagen nach §§ 70 bis 74) auch ALG-II-Bezieher erhalten können.

Nach § 49 SGB XII werden zur Familienplanung die ärztliche Beratung, die erforderliche Untersuchung und die Verordnung der empfängnisregelnden Mittel geleistet. Die Kosten für empfängnisverhütende Mittel werden übernommen, wenn diese ärztlich verordnet worden sind.

In § 52 Abs. 1 SGB XII ist geregelt, dass die Hilfen nach den §§ 47 bis 51 den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen.

Hierzu aus dem Kommentar Grube/Wahrendorf zu § 49 SGB XII folgendes:

Die Hilfe des Satzes 1 ist als Geldleistungsanspruch konzipiert, auf den ein Rechtsanspruch besteht. Es wird eine finanzielle Beihilfe für die ärztliche Beratung, die erforderliche Untersuchung und die Verordnung empfängnisregelnder Mittel gewährt. … Empfängnisregelnde Mittel sind nach allgemeinem Sprachverständnis sowohl empfängnisverhütende als auch empfängnisermöglichende Mittel. … Ergänzt wird S. 1 durch S. 2, in dem noch einmal klargestellt ist, dass die Kosten empfängnisverhütender Mittel nur übernommen werden können, wenn sie ärztlich verordnet worden sind. Deshalb kann nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift der Hilfeträger keine Beihilfe für frei verkäufliche Präservative gewähren. Diese müssen aus der Hilfe zum Lebensunterhalt bezahlt werden. Wegen der Anbindung des Leistungsrechts an das SGB V können Mittel für Personen nach Vollendung des 20. Lebensjahres nicht mehr übernommen werden.“

Mit der Neukonzeption der Sozialhilfe ab dem 01.01.2005 stellt sich die Sachlage tatsächlich rechtlich so dar, dass nach Vollendung des 20. Lebensjahres keine Verhütungsmittel mehr nach § 49 SGB XII gewährt werden können. Da sich die Altersgrenze aus dem SGB V ergibt, ist eine Übernahme der Verhütungsmittel ab dem 21. Lebensjahres auch aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse nicht möglich.

Hilfebedürftige Personen, die Leistungen nach dem SGB II aber auch nach dem SGB XII beziehen, müssen, sofern sie das 20. Lebensjahr vollendet haben, die Aufwendungen für Verhütungsmittel aus ihrem Regelsatz oder dem ihnen zur Verfügung stehendem Einkommen tragen.

Leistungen hierfür würde der Rhein-Kreis Neuss somit freiwillig erbringen.

 

Eine Anfrage bei der Stadt Mönchengladbach ergab folgendes:

Die Stadt Mönchengladbach bewilligt seit 2009 dem Personenkreis der U25-jährigen SGB II-Bezieherinnen Verhütungsmittel, wenn diese ärztlich verordnet werden. Im Haushalt waren hierfür ca. 12.000 Euro angesetzt, der aber für die hohe Zahl der Anträge nicht ausreichte. Für 2010 ist eine Anhebung des Ansatzes auf 25.000 € vorgesehen.

In 2009 wurden bei der Stadt Mönchengladbach insgesamt 168 Anträge gestellt. Im Durchschnitt hat ein Antrag somit Kosten in Höhe von 134,00 € verursacht (168 x 134,00 € = 22.512,00 €). Die einzelnen Kosten variieren hierbei in einer Preisspanne von ca. 20,00 € für Pillen bis zu 400,00 € für Spiralen.

Für 2010 wird seitens der Stadt Mönchengladbach angedacht, den Personenkreis auf Leistungsberechtigte nach dem SGB XII und dem AsylbLG auszuweiten und die Altersgrenze zu streichen, da eine Beschränkung auf SGB II-Bezieherinnen nicht begründet werden kann.

Die Bewilligungspraxis sieht wie folgt aus: Die ALG-II-Bezieherin lässt sich zunächst das Verhütungsmittel ärztlich verordnen und legt die ärztliche Verordnung bei der ARGE vor. Der persönliche Leistungssachbearbeiter stellt eine Kostenzusage aus, die bei einer Apotheke vorzulegen ist. Rechnungen werden sodann nicht der ARGE, sondern dem Sozialamt vorgelegt und durch das Sozialamt abgerechnet. Im Abrechnungswesen stellte die Stadt Mönchengladbach jedoch Hindernisse fest, da die Abrechnungspraxis nicht einheitlich ist. Die Abrechnungspraxis wird als kompliziert bezeichnet.

 

Geschätzte Auswirkungen auf den Rhein-Kreis Neuss:

Laut dem ARGE-Report Rhein-Kreis Neuss des Monats Oktober 2009 waren bei der ARGE Rhein-Kreis Neuss in Oktober 2009 (Seite 8)  2.167 erwerbsfähige Frauen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und 6.174 erwerbsfähige Frauen, im Alter zwischen 25 und 50 Jahren, im Leistungsbezug nach dem SGB II. Insgesamt beläuft sich die Zahl der Frauen, die Verhütungsmittel beantragen könnten, auf 8.341.

Nimmt man die durchschnittlichen Kosten eines Antrages mit 134,00 € an (Durchschnitt der Stadt Mönchengladbach in 2009), fielen für den Rhein-Kreis Neuss folgende Mehrbelastungen an:

·         alle 8.341 ( = 100 % ) der o.g. Frauen beantragen entsprechende Leistungen:                     1.117.694,00 €

·         bei einer Antragsquote von 50 % = 558.847,00 €

·         bei 30 % = 335.308,20 €

·         bei 20 % = 223.538,80 €

·         bei 10 % = 111.769,40 €

·         bei  5 % = 55.884,70 €

Bei einer Ausweitung des Personenkreises auf andere Rechtskreise würden die geschätzten Mehrbelastungen des Rhein-Kreises Neuss entsprechend steigen. Hinzukommt ohnehin ein nicht unerheblich hoher Verwaltungsaufwand.