1. Vorbemerkungen [1]
Die Kreisverwaltung beobachtet die Entwicklungen und Diskussionen
zur so genannten Wertstofftonne fortlaufend. Der Sachverhalt stellt sich
derzeit wie folgt dar:
Der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien der
Bundesregierung sieht vor, die Verpackungsverordnung zu einer
„Wertstoffverordnung“ fortzuentwickeln. Zentrales Element ist das Konzept einer
so genannten „trockenen Wertstofftonne“, in der Verpackungswertstoffe und
Nichtverpackungs-Wertstoffe mit dem Ziel einer effizienten Verwertung gemeinsam
erfasst werden sollen.
Im vorliegenden Referentenentwurf eines an die Europäische
Abfallrahmenrichtlinie angepassten neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG)
ist in § 10 Abs. 1 Nr. 3 eine Verordnungsermächtigung der Bundesregierung
vorgesehen. Danach soll die Bundesregierung zukünftig in einer Verordnung
festlegen können, wie kommunale Abfälle und Verpackungsabfälle der
Systembetreiber gemäß Verpackungsverordnung in einer gemeinsamen Wertstofftonne
gesammelt werden.
Ob ein neues KrWG mit dieser Verordnungsermächtigung
beschlossen wird, ob die Bundesregierung darauf eine entsprechende Verordnung
erlässt und wie diese dann aussieht, ist derzeit noch nicht absehbar.
Die Überlegungen der Bundesregierung zur Einführung einer
Wertstofftonne sind hinsichtlich der Trägerschaft stark umstritten. Die
kommunalen Interessenverbände einerseits und die Interessenverbände der
Entsorgungswirtschaft bzw. der Systembetreiber gemäß der Verpackungsverordnung
andererseits beanspruchen beide die „Systemführerschaft“ für die
Wertstofftonne. Derzeit lässt das Bundesumweltministerium im Rahmen eines vom
Öko-Instituts moderierten Workshops die Positionen und Vorschläge zu
Trägerschaft, Finanzierung und abfallwirtschaftlicher Ausgestaltung der
Wertstofftonne erarbeiten. Der Abschlussbericht wird für August 2011 erwartet.
Im Jahr 2009 wurden in Deutschland über das Duale System im
Rahmen der Sammlung von Leichtverpackungen (gelbe Tonne) ca. 27,7 kg/Einwohner
erfasst. Der Leichtverpackungsanteil lag dabei bei ca. 18,1 kg/Einw. bzw. 65 %
der Sammelmenge. Weitere 3,4 kg/Einw. waren so genannte „stoffgleiche
Nichtverpackungen“. Das sind Materialien aus Kunststoff oder Metall, die keine
Verpackungen sind, aber bei der Verwertung der Verpackungsabfälle nicht stören
und mit verwertet werden können (Kinderspielzeug etc.). Die verbleibenden 6,2
kg/Einw. waren systemstörende Fehlwürfe (Restmüll).
Bei einer Aufwertung der gelben Verpackungstonne zu einer
Wertstofftonne und einer zusätzlichen Erfassung von stoffgleichen
Nichtverpackungen aus Kunststoff und Metall dürfte die Sammelmenge um ca. 7
kg/Einw. von 27,7 auf 34,7 kg/Einw. ansteigen. Von den zusätzlichen 7 kg/Einw.
dürften etwa 1,9 kg/Einw. wiederum systemstörende Fehlwürfe sein.
Die Erlöse für Metalle und teilweise auch für sortenreine
Kunststoffe können den Aufwand für Einsammlung, Sortierung und Transport nicht
decken. Anders als etwa beim Altpapier sind keine Gewinne erzielbar.
Kostenvorteile können sich ergeben, wenn die getrennte Erfassung und Verwertung
von Kunststoffen und Metallen kostengünstiger als die bisherige Entsorgung
dieser Stoffe über die graue Restmülltonne ist.
Verschiedene Kommunen haben bereits Wertstofftonnen
eingeführt oder führen diese gerade ein. Bekannt sind z.B. die Systeme aus
Leipzig, Berlin („gelbe Tonne plus“)
sowie Hamburg. Bei diesen liegt die Trägerschaft für das Einsammelsystem bei
den Systembetreibern gemäß Verpackungsverordnung. In Berlin sind
Rechtsstreitigkeiten anhängig zwischen der Stadt Berlin und der Firma Alba, die
in der gelben Tonne Nichtverpackungen aus Metall und Kunststoff ohne Zustimmung
der Stadt als gewerbliche Sammlung mit erfasst. In der Stadt Dortmund wurde zum
01.01.2011 ein System in gemeinsamer Trägerschaft eingeführt. Die Stadt Bochum
hat eine kommunale Wertstofftonne eingeführt, in der sie auch Verpackungen
erfasst. Sie wurde darauf von 2 der 9 Systembetreiber gemäß
Verpackungsverordnung verklagt.
Auf der Grundlage der Sammelmenge „gelbe Tonne“ des
Rhein-Kreises Neuss von 26,2 kg/Einw. für 2009 ergibt sich folgende Gegenüberstellung:
Gelbe Tonne gemeinsame
Wertstofftonne
Verpackungen und Nichtverpackungen 20,3 kg/Einw. 25,4 kg/Einw.
aus Kunststoff und Metall
Systemstörende Fehlwürfe (Restmüll) 5,9 kg/Einw. 7,8 kg/einw.
26,2
kg/Einw. 33,2
kg/Einw.
Die über die graue Restmülltonne erfassten Abfallmengen dürften im Gegenzug um 7 kg/Einw. sinken, von 234,7 kg/Einw. auf 227,7 kg/Einw.
2. Stellungnahme zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen
2.1 Einführung einer kommunalen Wertstofftonne noch im Jahr 2011
Eine kommunale Wertstofftonne könnte zunächst nur die o.g. 7 kg/Einw. Wertstoffe (incl. 1,9 kg/Einw. Fehlwürfe) getrennt erfassen. Diese Menge ist für eine eigene Tonne und regelmäßige Abfuhr im Holsystem zu klein. Außerdem besteht im Rhein-Kreis Neuss die Besonderheit, dass der Restabfall über eine moderne Sortieranlage auf der Deponie Neuss-Grefrath mit Nahinfrarot-Trennsystemen und Metallabscheidung nachbehandelt wird. Verwertbare Abfälle aus Kunststoff und Metall werden bei der Nachsortierung erfasst. Kunststoffanteile, die bei der Nachsortierung nicht erfasst werden, werden in der Müllverbrennungsanlage Krefeld thermisch verwertet. Diese Verwertung unterscheidet sich wenig von der thermischen Verwertung der in der gelben Tonne gesammelten Materialien. Für eine getrennte Sammlung von Restabfällen aus Metall und Kunststoff besteht im Rhein-Kreis Neuss keine ausreichende abfallwirtschaftliche Notwendigkeit.
Es sind grundsätzlich auch keine Kostenvorteile zu erwarten, da Erlöse für aussortierte verwertbare Stoffe bereits heute realisiert werden.
Schließlich wäre der Entsorgungsvertrag mit dem Beauftragten des Kreises für die Restmüllverwertung und –beseitigung, der Entsorgungsgesellschaft Niederrhein mbH, anzupassen. Diese Verhandlungen sind möglicherweise nicht kurzfristig, noch im Jahr 2011 abzuschließen.
2.2 Mitnutzung der kommunalen Wertstofftonne
durch die Systembetreiber
gemäß Verpackungsverordnung.
Die Mitbenutzung einer kommunalen Wertstofftonne zur Sammlung von Leichtverpackungen würde mit den o.g. 33,2 kg/Einw. zumindest zu einer praktikablen Abfallmenge führen, die mit einer eigenen Tonne gesammelt werden kann. Es ergeben sich aber folgende Probleme und Vorbehalte.
Es macht abfallwirtschaftlich keinen großen Unterschied, ob Nichtverpackungen aus Kunststoff und Metall in der grauen Tonne bleiben und in der modernen Sortieranlage des Kreises nachsortiert werden, oder in die bisherige gelbe Tonne gelangen und in einer Sortieranlage für Verpackungsabfälle nachsortiert werden.
Die Systembetreiber sind nicht bereit ihr etabliertes eigenes System aufzugeben und eine Tonne, in der 26,2 kg/Einw. Verpackungen und 7 kg/Einw. kommunale Abfälle gesammelt werden, als kommunale Tonne unter kommunaler Systemführerschaft zu akzeptieren und zu den Konditionen der Kommunen mit zu benutzen. Auf die genannten Klageverfahren im Fall Bochum wird verwiesen.
2.3 Berücksichtigung des Erlasses
(IV-3/IV-2-884.07) der Landesregierung NRW
bei neuen Ausschreibungen.
Neue Ausschreibungen stehen derzeit nicht an. Der Kreis ist verpflichtet, die Erlasse der Landesregierung zu beachten. Bei Ausschreibungen berücksichtigt der Kreis die Erlasse der Landesregierung, auch den in dem Antrag genannten. Einer eigenen Beschlussfassung bedarf es nicht.
3. Fazit
und Empfehlung
Eine über die vorstehenden Ausführungen hinausgehende Prüfung der Einführung einer kommunalen Wertstofftonne im Rhein-Kreis Neuss ist derzeit nicht sinnvoll. Eine erneute Befassung mit dem Thema Wertstofftonne ist angebracht, wenn die Verordnungsermächtigung der Bundesregierung beschlossen werden sollte und eine Verordnung zu einer gemeinsamen Wertstofftonne vorliegt. Möglicherweise kann dann auch wieder die Überlegung aufgegriffen werden, im Rhein-Kreis Neuss die Restmülltonne und die gelbe Tonne zu einer Tonne zusammen zu fassen (so genanntes GIG-Projekt: Gelb in Grau). Der Rhein-Kreis Neuss bietet sich wegen seiner modernen Sortieranlage für ein solches Projekt an. Ein GIG-Projekt hatte die Zustimmung der Gremien des Kreises, war aber wegen des Widerstandes der Systembetreiber, insbesondere der DSD GmbH , bisher nicht durchführbar.
[1]
Daten und teilweise auch Textpassagen aus:
Umweltbundesamt
Texte 08/2011
Planspiel zur Fortentwicklung der Verpackungsverordnung Teilvorhaben 1:
Bestimmung der Idealzusammensetzung der Wertstofftonne