Betreff
Erweiterung der Kompostierungsanlage in Korschenbroich um eine Vergärungsanlage
Vorlage
68/2511/XV/2013
Aktenzeichen
68.3
Art
Anfrage (alt)

Sachverhalt:

Im Jahre 2011 wurde im Auftrag des Kreises eine Machbarkeitsstudie zur Integration einer Vergärungsanlage in die Kompostierungsanlage Korschenbroich erstellt. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Integration einer solchen Anlage technisch zwar möglich ist, sich aber aufgrund der im Kreis zur Verfügung stehenden  Menge an Bioabfällen nicht wirtschaftlich darstellen lässt.

Ein wirtschaftlicher Betrieb ist nur möglich, wenn

·         20.000 t an Bioabfällen zusätzlich im Kreisgebiet gesammelt oder in benachbarten Körperschaften akquiriert werden könnten und gleichzeitig

·         für die akquirierten Mengen pro Tonne Bioabfall ein Preis von über 100 € erzielt werden kann.

Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie wurden dem Planungs- und Umweltausschuss auf seiner Sitzung am 29.11.2012 vorgestellt. Der Ausschuss hatte daraufhin dem Kreisausschuss empfohlen, aufgrund der prognostizierten Mehrkosten auf die Integration einer Vergärungsanlage vorerst zu verzichten, gleichzeitig sollte jedoch die Zielsetzung, eine solche Anlage zu bauen, sobald ein wirtschaftlicher Betrieb möglich ist, bestehen bleiben.

Die Verwaltung wurde gebeten

1.    nach einer geeigneten Wärmesenke Ausschau zu halten,

2.    die Akquise zusätzlicher Bioabfallmengen im Auge zu behalten,

3.    bei gesetzlichen Veränderungen, z.B. bei der EEG-Förderung oder technischer Neuerungen bei der Bioabfallvergärung, erneut zu prüfen, ob dadurch die Wirtschaftlichkeit der Anlage möglich ist,

4.    zu klären, wie die Erfassung von Bio- und Grünabfällen gesteigert werden kann, die Mengenpotentiale zu ermitteln und dazu die Kosten- und Erlössituation zu klären,

5.    zu klären, wie die am Standort der Kompostierungsanlage evtl. benötigten Erweiterungsflächen gesichert werden können und

6.    dem Planungs- und Umweltausschuss einmal jährlich zum Sachstand zu berichten.

Mit den nachfolgenden Ausführungen erfolgt der geforderte Sachstandbericht unter Berücksichtigung der unter den Punkten 1 bis 5 genannten Vorgaben. Hierum hatte auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit gesondertem Antrag vom 19.03.2013 (s. Anlage) gebeten.

zu 1.  „nach einer geeigneten Wärmesenke Ausschau zu halten“

Die Nutzung des durch die Vergärung erzeugten Biogases kann auf zwei Wegen erfolgen. Zum einen kann das Gas auf Erdgasqualität aufbereitet und ins Gasnetz eingespeist werden. Zum anderen kann mittels Gasmotor und Generator vor Ort Strom erzeugt werden. Diese Verstromung ist nur dann sinnvoll und wirtschaftlich, wenn auch die Abwärme des Gasmotors sinnvoll genutzt werden kann (Betrieb als sogenanntes Blockheizkraftwerk – BHKW) und hierfür entsprechende Erlöse erzielt werden können. Im Umfeld der Kompostierungsanlage gibt es jedoch nach wie vor keine Wärmenutzer, die die gesamte Wärmemenge konstant und dauerhaft übernehmen könnten. Somit verbleibt unverändert nur die Gasaufbereitung und Einspeisung ins Erdgasnetz.

zu 2. „die Akquise zusätzlicher Bioabfallmengen im Auge zu behalten“

Eine Akquise fremder Bioabfallmengen auf dem freien Markt ist für den Kreis nicht möglich. Die Kompostierungsanlage des Kreises würde damit vergaberechtlich ihre sogenannte Inhouse-Fähigkeit verlieren und der Kreis könnte sie nicht mehr ohne weiteres für seine eigenen Bioabfälle nutzen.

Zusätzliche Mengen können grundsätzlich jedoch im Rahmen kommunaler Kooperationen beschafft werden. Dazu haben die Stadt Mönchengladbach, der Kreis Viersen und der Rhein-Kreis Neuss in einer Voruntersuchung den Status und die Ausbaumöglichkeiten ihrer Kompostierungsanlagen erfasst und die Bioabfall-Mengenströme ermittelt. Die Möglichkeiten einer Kooperation werden weiter untersucht. Über die weitere Entwicklung wird berichtet.

 

zu 3. „bei gesetzlichen Veränderungen, z.B. bei der EEG-Förderung oder technischer Neuerungen bei der Bioabfallvergärung, erneut zu prüfen, ob dadurch die Wirtschaftlichkeit der Anlage möglich ist“

In Bezug auf die die technische Umsetzung von Bioabfallvergärungsanlagen gibt es keine nennenswerten Veränderungen.

Im Bereich der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist insbesondere die Novelle des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) zu nennen, die zum 01.01.2012 in Kraft getreten ist. Diese Novelle schafft einen eigenen Rechtsbereich für die Vergütung von Strom aus der Vergärung von Bioabfällen (§ 27 a EEG). So erfolgte auch eine Erhöhung der Grundvergütungssätze (s. nachfolgende Tabelle).

 

 

 

 

 

 

 

 

EEG 2009

EEG 2012

Leistung BHKW

151 – 500 KW

501 – 5.000 KW

<= 500 KW

501 – 20.000 KW

Grundvergütung

9,18

8,25

16,00

14,00

KWK-Bonus

3,00

3,00

0,00

0,00

Luftreinhaltebonus

1,00

0,00

0,00

0,00

Technologiebonus

2,00

2,00

0,00

0,00

Max. Vergütung

15,18

13,25

16,00

14,00

 

 

 

 

 

Gasaufbereitungs- Bonus in Abh. von der Nennleistung der Aufbreitungsanlage

0,00

0,00

Nennleistung < 700 Nm³ :     3,00
Nennleistung < 1.000 Nm³ :   2,00
Nennleistung < 1.400 Nm³ :   1,00

Angaben in Cent / KWh


Legt man die Vergütungssätze von 2012 zugrunde, so ergibt sich im Vergleich zu 2009 für die Verstromung von aufbereitetem Biogas, ein Vergütungsplus von etwa 2 bis 4 Cent/KWh. Die EEG-Vergütung erhält grundsätzlich derjenige, der den aus Biogas mittels BHKW gewonnenen Strom ins Stromnetz einspeist. Der Biogaserzeuger (im vorliegenden Fall wäre dies der Kreis) erhält keine EEG-Vergütung. Der Preis für das eingespeiste Biogas ist mit dem Abnehmer, in der Regel ein Gashändler, frei zu verhandeln. Inwieweit sich die gestiegene EEG-Vergütung auf diesen Preis niederschlägt, kann nur schwer abgeschätzt werden, da letzten Endes auch die Situation auf dem allgemeinen Gasmarkt hierfür eine wesentliche Rolle spielt.

Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurde ein im Jahr 2011 zu erzielender durchschnittlicher Erlös für das aufbereitete Biogas von 6 Cent pro Kilowattstunde (Brennwert Gas) angesetzt. Aus 6 KWh Gas lassen sich ca. 2 kWh Strom produzieren. Auch bei Ansatz eines Erlöses von 7 oder 8 Cent / KWh ergibt sich bei den derzeitigen Rahmenbedingungen im Kreis kein wirtschaftliches Ergebnis. Dieses ist nach wie vor nur bei einer deutlichen Durchsatzerhöhung in einer Größenordnung von etwa 20.000 Jahrestonnen zu erzielen.

Auch unter Berücksichtigung der Erhöhung der EEG-Vergütungssätze lässt sich eine Direktverstromung des erzeugten Biogases vor Ort unter den gegebenen Rahmenbedingungen ohne Erlöse durch Wärmenutzung nicht wirtschaftlich umsetzen.

 

zu 4. „zu klären, wie die Erfassung von Bio- und Grünabfällen gesteigert werden kann, die Mengenpotentiale zu ermitteln und dazu die Kosten- und Erlössituation zu klären“

Im Kreisgebiet lag die Menge an Bio- und Grünabfällen aus privaten Haushalten in 2012 bei insgesamt 46.000 t, was eine spezifische Menge von etwa 103 kg/Einwohner und Jahr (kg/Exa) bedeutet. Allerdings gibt es bei den einzelnen Städten und Gemeinden deutliche Unterschiede. Die Erfassungsmengen in Grevenbroich, Jüchen, Kaarst, Korschenbroich und Meerbusch liegen zwischen 130 und 150 kg/Exa, in Rommerskirchen sogar bei 188 kg/Exa. Hiergegen fallen Dormagen mit 91 kg/Exa und insbesondere die Stadt Neuss mit nur 37 kg/Exa deutlich ab.

Die Bioabfallerfassung ist Aufgabe der kreisangehörigen Städte und Gemeinden. Die Kommunen handeln derzeit im Rahmen ihres Ermessens, wenn sie die getrennte Bioabfallerfassung mehr oder weniger stark fördern (Gebührengestaltung, Öffentlichkeitsarbeit, Benutzungszwang). Es gibt zurzeit keinen Anlass für ein Vorgehen der Aufsichtsbehörde.

Allerdings wurde in § 11 des am 01.06.2012 in Kraft getretenen Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) eine umfassende getrennte Erfassung von Bioabfällen ab dem 01.01.2015 gesetzlich vorgeschrieben. Vor diesem Hintergrund wird der Landrat rechtzeitig die Kommunen um Darlegung der geplanten Maßnahmen bitten.

Der Kreis soll nach den Regelungen des Landesabfallgesetzes Gebührenanreize setzen. Dies geschieht bereits. Zur Förderung der getrennten Bioabfallerfassung hat der Kreis die von den Städten und Gemeinden zu entrichtenden Gebühren für Bioabfälle gesenkt sowie im Gegenzug die Restabfallgebühr erhöht (sogenannte Quersubvention). Sofern eine stärkere Quersubvention gewünscht wird, kann darüber bei der jährlichen Beschlussfassung über die Abfallgebühren entschieden werden.

Im Rahmen der Vorarbeiten zum neuen landesweiten Abfallwirtschaftsplan hat das Land NRW in Bezug auf die Umsetzung des § 11 KrWG für das Jahr 2015 Prognosen für die jeweiligen Bioabfallmengen in Abhängigkeit von der Siedlungsstruktur bzw. Bevölkerungsdichte getroffen. Demnach wird für den Rhein-Kreis Neuss ein durchschnittliches Erfassungspotenzial an Bio- und Grünabfällen aus dem Haushaltsbereich von 122 kg/Exa angenommen, wobei davon ausgegangen wird, dass eine Erfassung von organischen Abfällen über eine Biotonne verpflichtend vorgegeben wird, d.h., ein Anschluss- und Benutzungszwang erfolgt. Legt man diese Prognose als Maßstab an, so würde die jährliche Gesamtmenge von derzeit 46.000 t auf etwa 55.000 t gesteigert werden. Die Verwaltung hält diese Zielprognose zwar für sehr ambitioniert, jedoch unter dem Ansatz eines kreisweiten Anschluss- und Benutzungszwanges für die Biotonne durchaus für realistisch.

Nach den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie ist auch bei einem Durchsatz von 55.000 t/Jahr, also alleine mit den Abfällen des Kreises, noch kein wirtschaftlicher Betrieb zu erwarten.

Diese Beurteilung nach der Machbarkeitsstudie erfolgt unter Berücksichtigung der derzeitigen Rahmenbedingungen, insbesondere der vertraglichen Kostenregelungen zur Kompostierungsanlage Korschenbroich. Nach Auslaufen des Entsorgungsvertrages Ende 2016 und einer anschließenden Ausschreibung könnte sich die wirtschaftliche Beurteilung anders darstellen.

 

Zu 5. „zu klären, wie die am Standort der Kompostierungsanlage evtl. benötigten Erweiterungsflächen gesichert werden können“

Von den beiden betrachteten technischen Vergärungs-Varianten ist nur eine wegen ihres größeren Platzbedarfs auf eine Erweiterungsfläche angewiesen. Hinsichtlich des inzwischen neben der Anlage errichteten Windrades ist eine ausreichende Erweiterung nach den zu beachtenden Abstandsbestimmungen (gerade noch) möglich. Die Kompostierungsanlage liegt in der Wasserschutzzone IIIb und die entsprechende Wasserschutzzonenverordnung sieht ein Erweiterungsverbot vor, sowohl hinsichtlich einer Flächenerweiterung, als auch hinsichtlich einer Kapazitätserweiterung. Eine Ausnahmegenehmigung aus Allgemeinwohlinteressen ist grundsätzlich möglich. Sie wurde mit der Genehmigungsbehörde besprochen. Ein positives oder negatives Signal der Genehmigungsbehörde liegt nicht vor, sie möchte erst nach einem ausreichend begründeten Antrag entscheiden. Für eine Antragstellung ist der Verfahrensstand verfrüht, weil derzeit weder das Ob noch das Wie einer Erweiterung konkret feststeht.

Gespräche mit den Eigentümern bzw. Pächtern der zu erwerbenden Grundstücke wurden beim jetzigen Verfahrensstand gleichfalls noch nicht aufgenommen.