Beschlussempfehlung:
Der
Kreisjugendhilfeausschuss beschließt die beigefügte Vereinbarung zum
„Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen gem. § 72 a SGB VIII“
und beauftragt die Verwaltung, diese Vereinbarung mit den örtlich ansässigen
Freien Trägern der Jugendhilfe sowie sonstigen Trägern, die Leistungen der
Kinder- und Jugendhilfe in Korschenbroich, Jüchen und Rommerskirchen erbringen,
abzuschließen. Bei auswärtigen Trägern werden die im jeweiligen
Jugendamtsbereich abgeschlossenen Vereinbarungen anerkannt.
Sachverhalt:
Tätigkeitsausschluss
einschlägig vorbestrafter Personen gem. § 72 a SGB VIII
Das Gesetz zur Stärkung eines aktiven
Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BkiSchG) ist
am 01.01.2012 in Kraft getreten. Ziel dieses Gesetzes ist eine Verbesserung des
Kinderschutzes. Erreicht werden soll dieses Ziel im Wesentlichen durch den Ausbau
von Prävention und Intervention, sowie durch die Stärkung aller Akteure, die
mit dem Wohlergehen von Kindern befasst sind.
Der Jugendhilfeausschuss wurde regelmäßig
über die gesetzlichen Neuerungen informiert.
Im bisherigen § 72 a SGB VIII war der
Ausschluss einschlägig Vorbestrafter von Tätigkeiten in der Kinder- und
Jugendhilfe schon seit 2008 für alle hauptamtlich Beschäftigten in der Jugendhilfe
geregelt. (z.B. Personal in Kindertages-, Beratungs-, Jugendfreizeit- und
Erziehungseinrichtungen). Im neuen § 72 a wird hier eine Erweiterung auf den
Personenkreis der neben- und ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendhilfe
tätigen Personen, die Kinder und Jugendliche beaufsichtigen, betreuen, erziehen
oder ausbilden oder einen vergleichbaren Kontakt haben, vorgenommen. §72a Abs.3
regelt dies für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendamt) und §72a
Abs. 4 für die Freien Träger der Jugendhilfe und Vereine, indem das Jugendamt
verpflichtet wird, durch Vereinbarungen sicherzustellen, dass auch keine neben-
oder ehrenamtlich
in der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Personen, die wegen einer
kindeswohlgefährdenden Straftat rechtskräftig verurteilt worden sind,
beschäftigt werden. Eine Liste der nach SGB VIII § 72 a relevanten Straftaten
ist Bestandteil der Vereinbarung (siehe Anlage).
In dieser Vereinbarung werden die freien
Träger zur Einforderung und Prüfung eines erweiterten Führungszeugnisses gem. §
30a Bundeszentralregistergesetz (BZRG) für diesen Personenkreis verpflichtet.
Hierzu gehören insbesondere Ehrenamtler,
die in den Jugendverbänden, Jugendabteilungen von Vereinen und Verbänden oder
Organisationen tätig werden. Damit zählen z.B. die Betreuer bei den
Jungschützen, der Jugendfeuerwehr, den Sportvereinen aber auch dem
Ehrenamtforum dazu, soweit minderjährige von ihnen betreut/ beaufsichtigt
werden und der Träger mit seinem Angebot eine Leistung/Aufgabe der Kinder- und
Jugendhilfe anbietet oder wahrnimmt (§ 2 SGB VIII). In der Regel
ist keine Jugendarbeit i.S. des SGB VIII: private Jugendreisen; Sporttraining
im engeren Sinne, Musikunterricht/Probe/Auftritt; kirchliche Bildung wie
Konfirmandenunterricht, rein schulische Veranstaltungen und ähnliche Angebote.
Die Gesetzesbegründung benennt als weiteres
Abgrenzungskriterium die Finanzierung:
„Erfasst werden hierbei nur diejenigen
Leistungen, die auch von der öffentlichen Jugendhilfe finanziert werden.“
Dies trifft immer dann zu, wenn das
entsprechende Angebot zumindest anteilig durch das
Kreisjugendamt bzw. aus Mitteln der
Jugendförderpläne (Kreis, Land oder Bund) gefördert wird. Das Landesjugendamt
empfiehlt die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses auch, wenn die Angebote
aus anderen öffentlichen Mitteln finanziert werden.
Die
Grundlage des erweiterten Führungszeugnisses findet sich in § 30a BZRG.
Es kann danach für Personen erteilt werden, die beruflich, ehrenamtlich oder in sonstiger Weise mit
Kindern und Jugendlichen tätig sind. Es enthält zum einen den Inhalt
eines einfachen Führungszeugnisses, zum anderen sind bei Verurteilungen wegen
einer in § 72a SGB VIII genannten Straftat auch die minderschweren Erstverurteilungen,
enthalten. Bei den so genannten Bagatellverurteilungen handelt es sich um Geldstrafen
unter 90 Tagessätzen und Freiheitsstrafen unter 3 Monaten. Dies gilt auch für
rechtskräftige Verurteilungen in Jugendstrafverfahren. Das bedeutet, dass eine
Eintragung in das erweiterte Führungszeugnis für rechtskräftige Verurteilungen
wegen der in § 72a SGB VIII genannten einschlägigen Straftaten unabhängig
von der Höhe des verhängten Strafmaßes erfolgt. Das gilt auch bei
Verurteilungen Jugendlicher.
Die ehrenamtlich tätige Person stellt
persönlich den Antrag auf Ausstellung eines erweiterten Führungszeugnisses bei
der zuständigen Meldebehörde. Mit Antragstellung ist eine Aufforderung der
Organisation/des Vereins vorzulegen, in der die Person tätig ist/sein möchte.
Die Organisation muss schriftlich bestätigen, dass der Antragsteller berechtigt
ist, ein erweitertes Führungszeugnis
zu verlangen und dass es sich dabei um eine ehrenamtliche
Tätigkeit handelt, bei der aus Billigkeitsgründen gemäß § 12 Justizverwaltungskostenordnung
von der Erhebung der Gebühr abgesehen wird.
Zur Umsetzung des § 72 a Abs. 4 liegen auf
Bundes- und Landesebene Empfehlungen vor. In diesen Empfehlungen wird
einerseits ein Prüfschema empfohlen, anhand dessen jede einzelne Tätigkeit
dahingehend geprüft und beurteilt werden soll, ob sie aufgrund ihrer Art,
Intensität und Dauer des Kontaktes zu Kindern und Jugendlichen die
Einsichtnahme in ein erweitertes Führungszeugnis erfordert und andererseits
wird die Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses im Regelfall empfohlen.
Das Landesjugendamt
Rheinland hat im Verlauf einer Tagung zur Thematik des §72a am 09.04.2013 auf
die Vorgehensweise des Bayrischen Landesjugendamtes verwiesen und diese als
möglichen Weg dargestellt.
„Im
Regelfall entstehen bei der Wahrnehmung auch von neben- und ehrenamtlichen
Aufgaben im Wirkungskreis der Kinder- und Jugendhilfe sehr schnell Situationen,
die wegen der Vertrauensstellung oder des intensiven Kontakts zu den
Minderjährigen ausgenutzt werden könnten. Von daher wird empfohlen, im
Regelfall ein erweitertes FZ einzuholen.“
(Fachliche Empfehlungen zur
Handhabung des § 72a SGB VIII – Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses
Bayern vom 12.03.2013)
Umsetzung § 72 a
Abs. 4 SGB VIII im Rhein-Kreis Neuss:
Die ebenfalls von den Landesjugendämtern
empfohlene Verständigung auf Kreisebene, um eine möglichst einheitliche Praxis
vor Ort zu gewährleisten, konnte erreicht werden.
Die Jugendämter des Rhein-Kreises Neuss
haben sich auf einen gemeinsamen Vereinbarungsinhalt verständigt, sowie einen
Leitfaden zur weitergehenden Information für die freien Träger erstellt. Der
Leitfaden ist ebenfalls als Anlage beigefügt. Damit auch die besonders große
Gruppe der Sportvereine einbezogen ist, wurde der Kreissportbund an den Beratungen
beteiligt.
Die Jugendämter im Rhein-Kreis Neuss
schlagen die folgende Vorgehensweise vor:
Alle ehren- oder nebenamtlich Tätigen ab
einem Alter von 14 Jahren (Strafmündigkeit) müssen vor Aufnahme der Tätigkeit
und danach in regelmäßigen Abständen (spätestens alle 5 Jahre) ein erweitertes
Führungszeugnis vorlegen. Das erweiterte Führungszeugnis darf bei Vorlage nicht
älter als drei Monate sein. Die Vorlage und Einsichtnahme erfolgt bei dem
Träger, für den der Ehrenamtler tätig sein möchte. Der Träger ist auch für die
Einhaltung der Frist der Wiedervorlage des erweiterten Führungszeugnisses
zuständig.
Einzelfallentscheidungen, wann das
erweiterte Führungszeugnis aufgrund eines nahezu ausgeschlossenen
Gefährdungspotentials der Tätigkeit oder aufgrund sehr kurzfristiger Einsätze nicht vorgelegt werden muss, obliegen
der Entscheidung des Freien Trägers und sind möglich. Keine pädagogischen Tätigkeiten
und damit insofern nicht infrage kommend sind z.B. die Arbeit in der Küche
(Koch, Küchenhelfer, Essensausgabe), Hausmeister u. ä. technische Tätigkeiten,
Reinigung, Materialverleih, Fahrdienste....soweit nicht andere Kriterien
zutreffen, die für eine Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses sprechen.
¨ Durch diese
Vorgehensweise werden alle in der Jugendhilfe Tätigen – unabhängig davon, ob
sie haupt- ehren- oder nebenamtlich beschäftigt werden – gleich behandelt.
Diese Vereinheitlichung stellt eine Erleichterung in der Umsetzung des § 72 a
SGB VIII dar und befreit davon, dass bestimmte Personengruppen „unter Verdacht“
gestellt werden.
¨ Im Regelfall
entstehen bei der Aufgabenwahrnehmung in der Kinder- und Jugendhilfe auch im
ehrenamtlichen Bereich Situationen, die aufgrund ihrer Nähe, Intensität und/
oder der besonderen Vertrauensstellung zu Kindern und Jugendlichen ausgenutzt
werden könnten. Von daher ist die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses
als Regelfall einzustufen. Insbesondere Übernachtungsaktionen oder Fahrten
gehören zu den Grundzügen der Kinder- und Jugendarbeit. Nach allen vorliegenden
Empfehlungen erfordern Aktionen mit Übernachtung immer die Vorlage eines
erweiterten Führungszeugnisses.
¨ Für die einzelnen
Träger bietet diese Vorgehensweise eine erhebliche Vereinfachung, da ansonsten
jede einzelne Tätigkeit zeitaufwendig geprüft und bewertet und jede neu hinzukommende
Aufgabe ebenfalls einer Prüfung unterzogen werden müsste.
¨ Insbesondere für
ehrenamtlich tätige Vereins- oder Verbandsvorstände stellt diese Vorgehensweise
eine erhebliche Entlastung dar, befreit sie von der Verantwortung der Einzelfallprüfung
und ggfs. „falschen“ Bewertungen von Tätigkeiten und ermöglicht den flexiblen
ggf. spontanen Einsatz des Ehrenamtlers.
¨
Die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses
ist ein zusätzlicher Baustein in einem Gesamtkonzept der Prävention zum Schutz
vor Kindeswohlgefährdung.
Seitens des Landesjugendamtes wird
empfohlen, städtische Fördergelder nur noch an Träger auszuzahlen, die eine
Vereinbarung unterzeichnet haben.
„Erfolgt
die Finanzierung auf dem Wege der Förderung nach § 74 SGB VIII sollten die
Verpflichtungen aus § 72a SGB VIII Teil der Förderbescheide, -richtlinien oder
-vereinbarungen sein“.(Script des LVR Landesjugendamt
Rheinland / Steinbüchel und Tintner, vom 9.4.2013)
Die Einsichtnahme
in das erweiterte Führungszeugnis und deren Dokumentation:
Die datenschutzrechtliche Regelung in § 72a
Abs. 5 SGB VIII setzt der Dokumentation sehr enge Grenzen. Durch diese
Dokumentation wäre aber im Falle einer notwendigen Beweisführung nicht
nachweisbar, dass ein erweitertes Führungszeugnis eingesehen wurde und dass es keine
Eintragungen enthielt. Die Jugendämter im Rhein-Kreis Neuss haben sich daher
darauf verständigt, die Abgabe einer Einverständniserklärung zur Erhebung und Speicherung weiterer
Daten zu empfehlen. Ein exemplarischer Vordruck der Einverständniserklärung ist Bestandteil der Vereinbarung.
In der Vereinbarung wird den Trägern
ebenfalls die Erstellung eines Präventionsschutzkonzeptes empfohlen. In den
meisten Dachverbänden bestehen bereits überörtliche Präventionskonzepte, die
auch auf die kommunale Ebene Anwendung finden können. Das Jugendamt wird die
Träger bei Bedarf bei der Erstellung und Umsetzung des Präventionsschutzkonzeptes
gerne beraten und unterstützen.