Betreff
Antrag der Brata Besitzgesellschaft mbH & Co. KG auf Erteilung eines Vorbescheides für die Erweiterung einer bestehenden Lagerhalle
Vorlage
68/2815/XV/2013
Aktenzeichen
68.4-40.01-7-100-13
Art
Beschlussvorlage

Beschlussempfehlung:

Der Beirat bei der Unteren Landschaftsbehörde erhebt keine Bedenken gegen eine positive Bescheidung im Vorbescheidverfahren wenn sichergestellt ist, dass es sich um die angemessene Erweiterung eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs handelt, im Zulassungsverfahren eine Minimierung der Eingriffswirkung erzielt wird und die Kompensation des damit verbundenen verbleibenden Eingriffs in Natur und Landschaft unter Wahrung auch der Eingrünung nach Westen im Interesse des Bildes der Erftauenlandschaft am Ort erfolgt.


Sachverhalt:

Der Standort Erprather Mühle, gelegen südlich Neuss-Reuschenberg in der Erftaue, ist seit langer Zeit Sitz der Firma Brata.

Die ursprünglichen Mühlengebäude wurden im Lauf der Jahre mehrmals um zusätzliche Anlagen erweitert. Zuletzt wurden 2005 eine neue Produktionshalle, ein Kesselhaus und eine Siloanlage zugelassen.

 

Die Fa. Brata Besitzgesellschaft mbH & Co. KG hat nunmehr einen Bauvorbescheid für die Erweiterung einer 1998 am südlichen Ende des eigentlichen Betriebsgeländes, unmittelbar vor den Kompensationsflächen gelegene Lagerhalle beantragt.

 

Die Antragstellerin begründet den Bedarf für diese Erweiterung mit lebensmittelhygienischen Anforderungen und produktionstechnischen Gründen.

 

Die Halle soll in gleicher Art und Weise wie der bestehende Teil nach Süden anschließend um 1.460,30 qm Grundfläche vergrößert werden. Zusätzlich soll an drei Seiten eine neue Umfahrt für Lkw im Umfang von etwa 1.750 qm angelegt werden. Abzüglich eines bereits bestehenden gepflasterten Bereichs sollen rd. 2.790 qm durch Halle und Umfahrt neu versiegelt werden (vgl. Flächensummen lt. Landschaftspflegerischem Begleitplan).

 

Der Standort des Vorhabens liegt im baulichen Außenbereich i. S. d. § 35 BauGB. Der wirksame Flächennutzungsplan der Stadt Neuss stellt hier Fläche für die Landwirtschaft und Wasserfläche dar.

 

Das Vorhaben bedarf der baurechtlichen Zulassung. Die Stadt Neuss als Untere Bauaufsichtsbehörde beurteilt das Vorhaben nach § 35 Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 Ziff. 6 BauGB. Danach kann einem geplanten sonstigen (also nicht privilegierten) Vorhaben im Außenbereich, wenn es sich um die bauliche Erweiterung eines zulässiger Weise errichteten gewerblichen Betriebs handelt und die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist, nicht entgegen gehalten werden, dass es

 

  • den Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widerspricht,
  • die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt oder
  • die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt,

 

wenn es im Übrigen außenbereichsverträglich i. S. d. Abs. 3 dieser Vorschrift ist.

 

Bei dem hier in Rede stehenden Betrieb der Firma Brata handelt es sich um einen zulässiger Weise errichteten gewerblichen Betrieb im Außenbereich. Die Entscheidung, ob eine Erweiterung im Verhältnis zum Bestand angemessen ist, richtet sich nach der Rechtsprechung nach dem jeweils vorhandenen Bestand, nicht etwa nach einem Ursprungsbestand.

Die Obere Bauaufsichtsbehörde hat bestätigt, dass unter diesem Gesichtspunkt die jetzt vorgesehene Erweiterung als angemessen i. S. d. Vorschrift anzusehen ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Erweiterung Teil eines als nicht angemessen anzusehenden Gesamtprojektes wäre, welches in unzulässiger Weise in für sich genommen angemessene Einzelabschnitte aufgeteilt wurde, um eine Zulassung zu erwirken. Die zur Erweiterung vorgesehene Lagerhalle wurde 1998 zugelassen. Eine 2005 zugelassene Halle diente nicht als Lager- sondern als Produktionshalle.

 

Nach dem Landschaftsplan I - Neuss - liegt das Firmengelände vollständig im festgesetzten Landschaftsschutzgebiet 6.2.2.7, welches mit Ausnahme der angrenzenden Hausgärten auch die umliegenden Flächen erfasst. Der Landschaftsplan stellt hier das Entwicklungsziel 1 "Erhaltung der … Landschaft" dar.

 

Nach den Festsetzungen des Landschaftsplanes unter Abschnitt 6.2.2 ist in den Landschaftsschutzgebieten u. a. das Errichten baulicher Anlagen, das Beseitigen von Bäumen und Sträuchern und das Anlegen von Straßen, Wegen und Plätzen verboten. Diese Verbote stehen der Zulassung des Vorhabens entgegen.

 

Nach § 67 Abs. 1 BNatSchG kann von den Verboten des Landschaftsplanes auf Antrag Befreiung gewährt werden, wenn

 

  1. dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
  2. die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist

 

Die Entscheidung über die Gewährung von Befreiung für das beantragte Vorhaben steht derzeit im baurechtlichen Vorbescheidverfahren nicht an. Gleichwohl ist seitens der Unteren Landschaftsbehörde im Beteiligungsverfahren zu entscheiden, ob eine Befreiung grundsätzlich in Betracht kommen kann, oder nicht.

 

Gründe des (Anm.: die Belange von Natur und Landschaft) überwiegenden öffentlichen Interesses i. S. d. § 67 Abs. 1 Ziff. 1 BNatSchG, welche die Zulassung der Hallenerweiterung notwendig machen würden, wurden bislang nicht vorgetragen und sind nicht ersichtlich.

 

In Betracht kommen könnte eine unzumutbare Belastung für die Antragstellerin bei Durchführung des Bauverbots und damit Versagung des Vorhabens.

 

Die Antragstellerin begründet das Erfordernis zum Bau der Hallenerweiterung mit lebensmittelhygienischen Anforderungen an die Lagerung der Rohstoffe und Produkte, die eine Trennung erfordern. Zudem wird die geplante Erweiterung mit produktionsplanerischen Gründen, dass nämlich ein Produktionsprozess über einen längeren Zeitraum hintereinander ablaufen kann, ohne dass er mehrfach unterbrochen werden muss, um andere Produkte herzustellen. Nach Angaben der Antragstellerin dient dies der wichtigen Senkung der Produktionskosten im zunehmenden Wettbewerb.

Eine Ausweitung der Produktion ist nach Angaben der Antragstellerin nicht vorgesehen. Es werden nicht mehr Rohstoffe als bislang eingesetzt und nicht mehr Fertigprodukte hergestellt. Der Verkehr bleibt gleich.

 

Eine Kopie der Bauvoranfrage mit den angesprochenen Erläuterungen ist als Anlage beigefügt.

 

Insgesamt könnte nach den vorgetragenen Begründungen, soweit sich dies nach dem Stand des (Vor-) Verfahrens feststellen lässt, der Fall einer unzumutbaren Belastung für die Antragstellerin bei Durchführung der Verbotsvorschriften des Landschaftsplanes I für Landschaftsschutzgebiete angenommen werden. Die vorgetragenen Gründe der notwendigen Anpassung an lebensmittelhygienische Regelungen und das Erfordernis der effizienteren Produktion zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit am Markt könnten diese Entscheidung tragen.

 

Weiterhin ist zu entscheiden, ob das Vorhaben mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist. Hierbei sind die Auswirkungen des Vorhabens auf das Landschaftsschutzgebiet, die biotischen und abiotischen Faktoren des Naturhaushalts und das Landschaftsbild zu bewerten.

 

Die Antragstellerin hat hierzu eine Voreinschätzung zur Bauvoranfrage durch das Büro Mueller + Partner, Willich, vorgelegt. Diese Voreinschätzung kommt zu dem Ergebnis, dass durch das Vorhaben ein Eingriff in ökologisch wertvolle Obstwiesen und Gehölzbestände bewirkt würde, eine Kompensation im nahen Umfeld aber möglich sei. Bezüglich des Eingriffs in das Landschaftsbild wird auf den entstehenden Durchblick auf die Gebäude von der B 477 aus verwiesen. Die artenschutzrechtlichen Fragestellungen erscheinen lösbar. Der Hinweis auf die Baumschutzsatzung der Stadt Neuss ist unzutreffend, da diese nicht im Außenbereich gilt.

 

Aus Sicht der Unteren Landschaftsbehörde kann den Schlussfolgerungen der Voreinschätzung nicht in allen Punkten zugestimmt werden.

 

  1. Artenschutzrechtlich und -fachlich sind derzeit keine nicht lösbaren Problemstellungen ersichtlich. Die detaillierte Untersuchung und Beurteilung des Eingriffsraumes muss vor der Zulassung im Rahmen einer ASP erfolgen.
  2. Die ökologische Wertminderung der Eingriffsflächen scheint kompensierbar. Gleichwohl ist bei der Bewertung zu berücksichtigen, dass es sich hier um Kompensationsflächen für zurückliegende Eingriffe in Natur und Landschaft handelt, die unabhängig von der Kompensation des mit dem Vorhaben verbundenen Eingriffs zunächst mit einem Ausgleich des Entwicklungszeitraums an anderer Stelle zu ersetzen wären.
  3. Nach der derzeitigen Planung greift das Vorhaben massiv in die westliche Eingrünung des Betriebsgeländes ein, so dass an dieser Stelle ein Durchblick auf die baulichen Anlagen verbleiben würde. Dies ist aus Sicht der Wahrung des Landschaftsbildes in dieser, ohnehin bereits durch bauliche Anlagen unterschiedlichster Art beeinträchtigten Landschaft nicht vertretbar. Gerade aus Westen ermöglicht die dort freie Landschaft auch aus größeren Entfernungen einen Blick auf den Vorhabenstandort. Dies bedingt aus landschaftsästhetischer Sicht eine möglichst dichte und umfassende Eingrünung des Eingriffsortes.

 

Im Ergebnis ist das heutige Konzept vor der konkreten bau- und naturschutzrechtlichen Beantragung dahin gehend zu überarbeiten, dass

 

  • die Eingriffsflächen minimiert werden, dies insbesondere mit Blick auf die geplante Umfahrt,
  • der Ersatz der entfallenden Kompensationsflächen unter Berücksichtigung des Entwicklungszeitraums in die Bewertung eingestellt wird und
  • nach Westen hin durch Umstellung / Reduzierung der Baukörper und Fahrflächen oder durch Erweiterung der Eingrünung auf die westlich anschließenden Ackerflächen eine ausreichend breite und durchgehende Eingrünung des Betriebsgeländes verbleibt bzw. entsteht.

 

Wenn dies gewährleistet werden kann, sieht die Untere Landschaftsbehörde für das sich aus diesen Änderungen Ergebende die Möglichkeit der Gewährung von Befreiung gem. § 67 Abs. 1 BNatSchG.