Betreff
Aktuelle Situation in den Meridias Rheinstadtpflegehäusern Meerbusch
Vorlage
50/0428/XVI/2015
Art
Bericht

Sachverhalt:

I.       Aktuelle Situation der Einrichtungen

Am 20.01.2015 sind Heimaufsicht und Gesundheitsamt in einer unangemeldeten, anlassbezogenen Prüfung anonym eingegangenen Beschwerdepunkten in den Meridias Rheinstadtpflegehäusern Meerbusch nachgegangen. Die Beschwerdepunkte waren massiv und beinhalteten Kritik an der personellen Ausstattung, der Speisenversorgung, der Pflege und der Hygiene in beiden Häusern. Die Lage in den Einrichtungen gleiche den Zuständen vor den Übernahme der beiden Häuser durch die Meridias GmbH Ende 2013.

 

Die Prüfung am 20.01.2015 wurde durch zwei Verwaltungsbeamte, eine Pflegefachkraft und einen Gesundheitsaufseher durchgeführt, um alle fachlichen Aspekte abdecken zu können. Prüfauftrag war neben den Sachverhaltsfeststellungen auch eine Befragung der angetroffenen Bewohnerinnen und Bewohner zu deren Zufriedenheit.

 

Im Rahmen der Überprüfungen konnten die Beschwerdepunkte nicht bestätigt werden. Die befragten Bewohner waren mit den Leistungen der Häuser weitestgehend zufrieden. Kritik wurde geäußert zur personellen Ausstattung sowie zu einer Verlegung des zentralen Speisesaals in die Wohnbereiche. Der Betreiber hält die notwendige Personalausstattung vor, jedoch kam es zwischen Mitte Dezember 2014 und dem Tag der Prüfung durch eine Häufung von krankheitsbedingten Ausfällen zu einer engen Personalbesetzung. Die Verlegung des Ortes der Einnahmen der Speisen war seitens der Einrichtung in ausreichender Weise vorab kommuniziert und auch über Monate hinweg mit dem Beirat diskutiert worden. Die Einrichtungsleitung versprach sich von der Neuregelung eine bessere Begleitung aller Bewohner. Das neue Verfahren soll zunächst für 3 Monate getestet werden.

 

Ordnungsbehördliche Maßnahmen der Heimaufsicht oder des Gesundheitsamtes waren somit nicht notwendig. Die Einrichtungen waren zuletzt am 05. November 2014 im Rahmen einer wiederkehrenden Prüfung überwacht worden. Im Rahmen dieser Prüfung war eine angemessene pflegerische Versorgung festgestellt worden, jedoch gab es weiterhin Verbesserungsbedarf in den Pflegeprozessen (Pflegeplanung, Durchführung der Pflege, Dokumentation). Hier befand sich die Einrichtung jedoch ebenfalls auf einem guten Weg.

 

Die Heimaufsicht hat wegen des öffentlichen Interesses das zuständige Landesministerium, die Bezirksregierung Düsseldorf und die Knappschaft Bochum als zuständigen Landesverband der Pflegekassen über das Ergebnis ihrer Überprüfung vom 20.01.2015 informiert. Die Knappschaft Bochum hat in Absprache mit der Heimaufsicht den MDK Nordrhein mit der Durchführung einer Qualitätsprüfung in beiden Häusern beauftragt. Diese Prüfung hat am 23.01.2015 stattgefunden und wurde am 26.01.2015 abgeschlossen. Ein Vertreter der Heimaufsicht hat die Prüfung begleitet und beobachtet, die Ergebnisse waren hinsichtlich der Bewertung der Beschwerden mit den vom Rhein-Kreis Neuss getroffenen Feststellungen exakt identisch. Die personelle Situation hatte sich Ende Januar in beiden Häusern wieder entspannt.

 

 

II.      Strafrechtliche Ermittlungen im Jahr 2014

Am 21.01.2015 berichtete der Express Düsseldorf über die auch dort vorliegende Beschwerde sowie die Prüfung des Rhein-Kreises Neuss. In diesen Artikel flossen auch Informationen über strafrechtliche Ermittlungen ein, die im Februar 2014 mittels einer Strafanzeige durch die Einrichtungsleitung eingeleitet worden waren. Grund der Anzeige waren Hämatome bei zahlreichen Bewohnern, die nicht erklärbar waren. Der Verdacht der Einrichtung richtete sich gegen mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen seitens der Meridias GmbH auch umgehend gekündigt wurde. Die strafrechtlichen Ermittlungen wurden im September 2014 ergebnislos eingestellt, da der ermittelnden Staatsanwaltschaft eine eindeutige Nachweisführung nicht möglich war. Nach Durchführung der o.g. Maßnahmen sind in den beiden Einrichtungen keine weiteren Hämatome bei Bewohnerinnen und Bewohnern bekannt geworden. Die Einrichtungsleitung ist mit dem Sachverhalt transparent umgegangen, die Heimaufsicht wurde unverzüglich informiert.

 

 

III.     Überprüfung der personellen Situation von Pflegeeinrichtungen

Nach den gesetzlichen Vorgaben ermittelt die Heimaufsicht regelmäßig den Personalbedarf der Einrichtungen. Dabei werden quantitative und qualitative Aspekte des Personalkörpers sowie die tatsächliche Ist-Besetzung in den Wohnbereichen überprüft.

 

In einem ersten Schritt ist zu ermitteln, wie viele Vollzeitstellen für die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner in einem Haus an einem Stichtag benötigt werden. Hierzu wird die Anzahl der Bewohner in den jeweiligen Pflegestufen mit den sogenannten Orientierungswerten multipliziert. Anhand einer fiktiven Beispielberechnung für den Bereich „Pflegepersonal“ in einer Einrichtung mit 80 Betten wird das Berechnungsschema veranschaulicht:

 

Pflegestufe

Orientierungswert

Anzahl Bewohner

Personalsoll

0

1 : 8

2

0,25

I

1 : 4

19

4,75

II

1 : 2,5

43

17,20

III

1 : 1,8

16

8,89

Gesamt

 

 

31,09

 

Aus den in diesem Beispielfall berechneten 31,09 Vollzeitstellen sind alle Dienste der Pflege (Früh, Spät, Nacht) an allen Tagen des Jahres abzudecken. Das Stellensoll umfasst die  Urlaubszeiten ebenso wie die Zeiten für Fort- und Weiterbildungen. Auch krankheitesbedingte Ausfälle müssen aus diesem Stellensoll in den ersten 6 Wochen der jeweiligen Erkrankung durch das vorhandene Personal aufgefangen werden. Erst dann ist der Betreiber in der Lage Ersatzpersonal kostenneutral zu finanzieren, da der erkrankte Mitarbeiter dann aus der Lohnfortzahlung entfallen ist.

 

Des Weiteren hat das Personal gemäß den gesetzlichen Vorgaben alle Bedarfe der Bewohner zu erfüllen. Dabei ist die aktuelle Pflegestufenzuordnung des Bewohners unerheblich. Dies bedeutet in der Praxis, dass eine Leistung für die Stufe II erbracht werden muss, wohingegen nur die Stufe I refinanziert wird und sich in der Personalbemessung widerspiegelt. Diese Situation ist in allen Fällen gegeben, in denen sich ein Pflegezustand bei einem Bewohner langsam verschlechtert. Erst wenn die Veränderung des Pflegezustandes ausgereicht hat, um eine höhere Pflegestufe zu beantragen, bildet die Pflegestufe des Bewohners nach einer erfolgten Höherstufung wieder den Personaleinsatz der Einrichtung ab. Hierdurch wird deutlich, dass der Personalbedarf in der Praxis immer höher liegt, als das refinanzierte Stellensoll.

 

Das von der Heimaufsicht berechnete Personalsoll wird mit der tatsächlichen Personalsituation abgeglichen. Die entsprechenden Angaben der Einrichtung werden stichprobenartig durch Abgleiche mit den Dienstplänen, durch Einsichtnahme in die Arbeitsverträge oder durch Befragung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verifiziert.

 

Liegt die tatsächliche Personalausstattung unter dem Soll, sind Maßnahmen der Heimaufsicht zu prüfen. Diese sind abhängig von der Größe der Unterschreitung. Im schlimmsten Fall kann ein Belegungsstopp ausgesprochen werden, bei kleineren Unterschreitungen wird in angemessener Frist die Personalsituation erneut geprüft und dem Betreiber bis dahin Gelegenheit gegeben, sein Personal aufzustocken. Bei der Bewertung ist zu beachten, dass die Berechnung des Personalsolls durch Veränderungen in der Bewohnerstruktur einem ständigen Wandel unterliegt. Hierin liegt die besondere Schwierigkeit einer prospektiv kontinuierlich ausreichenden, gleichzeitig aber auch wirtschaftlich vertretbaren Personalstruktur. Die Heimaufsicht ist nach den gesetzlichen Vorgaben an dieser Stelle gehalten, nicht nur einen Stichtag zu betrachten, sondern einen Zeitraum von 3 Monaten zu beleuchten. Die Wertung eines Sachverhaltes durch die Heimaufsicht hat demnach immer einen Prozess als Grundlage und nicht nur eine stichtagsbezogene Berechnung.

 

Neben dem Pflegepersonal wird auch der Soziale Dienst der Einrichtungen unter den gleichen Bedingungen und Aspekten quantitativ geprüft und bewertet.

 

Neben der Quantität des Personals ist zu prüfen, ob jeder zweite Beschäftigte eine Fachkraft ist (Fachkraftquote). Die Angaben der Einrichtung zu diesem Punkt werden anhand der Qualifikationsnachweise der Mitarbeiter stichprobenartig geprüft. Liegt die Fachkraftquote unterhalb der geforderten 50 v.H. sind die bereits oben beschriebenen Maßnahmen der Heimaufsicht zu prüfen.

 

In den beiden Meridias-Häusern bestanden am 20.01.2015 und auch im gesamten Jahr 2014 kein Handlungsbedarf der Heimaufsicht in diesen beiden Prüfungsaspekten. Das aufgrund der Orientierungswerte benötigte Personal wurde immer überschritten, die Fachkraftquote wurde in beiden Häusern eingehalten.

 

Neben der quantitativen und qualitativen Personalausstattung wird anhand der Dienstpläne und durch Ist-Kontrollen geprüft, ob die Personaleinsatzplanung für die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner ausreichend ist. Es gibt keine Vorschrift, die das Verhältnis von Personal zu Bewohner pro Schicht eindeutig vorgibt! Somit ist eine Bewertung für die Heimaufsicht im Hinblick auf Anschlussmaßnahmen schwierig. Der Rhein-Kreis Neuss nimmt hilfsweise als Regelfall ein Verhältnis von einem Mitarbeiter für 10 Bewohner im Frühdienst als ausreichend an. Im Spätdienst kann die Besetzung sogar darunter liegen. Wird bei der Prüfung der Dienstpläne oder der Ist-Besetzung festgestellt, dass die Besetzung der Schichten unter der o.g. Marke liegt, wird dies mit dem Betreiber der Einrichtung zunächst besprochen. Können keine nachvollziehbaren Gründe genannt werden, wird zu einer Verbesserung der Personalausstattung geraten. Treten jedoch in einer Prüfung Mängel auf, die auf eine zu geringe Personalausstattung zurückzuführen sind, können auch bzgl. der Ist-Besetzung die o.g. ordnungsbehördlichen Maßnahmen geprüft werden.

 

Der Krankenstand einer Pflegeeinrichtung ist bei der Heimaufsicht nicht meldepflichtig. Nur im Rahmen der üblichen Kontakte zwischen Heimaufsicht und den Einrichtungen werden Häufungen von krankheitsbedingten Ausfällen bekannt. Ursachen für solchen Häufungen können akute nosokomiale Infektionsgeschehen oder auch das zufällige Zusammenfallen verschiedener Erkrankungen sein. Besondere Probleme bringen auch vermehrte, krankheitsbedingte Ausfälle in Ferienzeiten für die Einrichtungen mit sich. Unmittelbare Einwirkungsmöglichkeiten hat die Heimaufsicht jedoch nur dann, wenn entweder das Personalsoll nicht ausgeschöpft wird - wobei auch die erkrankten Mitarbeiter erfasst werden, sofern sie noch nicht aus der Lohnfortzahlung herausgefallen sind - oder wenn die tatsächliche Besetzung der Dienste nicht mehr ausreicht, um die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner zu gewährleisten.

 

Da das Aufgabenfeld der Heimaufsicht auf das Rechtsverhältnis zwischen Bewohner und Betreiber abstellt, bietet das Wohn- und Teilhabegesetz keine Instrumente für eine Einflussmöglichkeit auf das Verhältnis zwischen Betreiber und Arbeitnehmer. Dies beinhaltet auch Fragen zum Umgang des Arbeitgebers mit vermehrten Krankheitsausfällen etc. Die Heimaufsicht hat in ihrer Funktion als Sonderordnungsbehörde unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Vorgaben und Entscheidungsprozesse auf eine ausreichende Personalausstattung hinzuwirken.