Betreff
Präventive Maßnahmen gegen gewaltorientierten Islamismus im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben"
Vorlage
V/0555/XVI/2015
Art
Beschlussvorlage

Beschlussempfehlung:

 

1.         Der Kreisausschuss begrüßt die Einrichtung einer Koordinierungs- und Fachstelle.

2.         Er stimmt der Abgabe einer Interessensbekundung zur Einrichtung einer solchen Stelle im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ zu.

3.         Der Landrat des Rhein-Kreises Neuss wird beauftragt, eine Finanzierung im Rahmen des Haushaltes des Rhein-Kreises Neuss für das Jahr 2015 aufzuzeigen.


Sachverhalt:

A)   Allgemeines

 

In der Bundesrepublik Deutschland leben ca. 7.000 gewaltbereite Salafisten, hiervon befinden sich ca. 1.900 Personen in Nordrhein-Westfalen. Auch im Rhein-Kreis Neuss leben Salafisten, die sich für einen Gottesstaat einsetzen und versuchen, Anhänger für ihre Sache zu finden.

 

Insbesondere werden Veranstaltungen durchgeführt, in denen versucht wird, Jugendliche für einen Kampfeinsatz in Syrien und im Irak zu gewinnen. Angesprochen werden dabei Jugendliche mit Migrationshintergrund (90 %), mit einem Bruch im Lebenslauf (100 %) und Konvertiten (10 %). Die Rekrutierung erfolgt sowohl über persönliche Kontakte als auch über das Internet. Zugesagt wird insbesondere gesellschaftliche Anerkennung bereits in der Ausbildungsphase zum ISIS-Kämpfer, ein angemessener Geldbetrag zum Leben in den Kampfgebieten sowie Karrierechancen im „Islamischen Staat“.

 

Aus dem bisherigen Umgang mit betroffenen Jugendlichen ist bekannt, dass jeder Jugendliche, der nach Syrien oder den Irak ausreisen möchte, zuvor Signale in der Familie bzw. in der Gesellschaft setzt.

 

Um eine solche Ausreise zu verhindern, ist es notwendig, an die Jugendlichen heranzukommen, um ihnen eine Lebensperspektive im Rhein-Kreis Neuss aufzuzeigen. Hierzu bedarf es des Aufbaus einer Vertrauensgrundlage, die insbesondere von muslimischen Vereinigungen im Rhein-Kreis Neuss aufgebaut werden können, die die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland anerkennen und bereit sind, sich für die freiheitliche, demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland einzusetzen. Ziel ist es, einen „Wegweiser“ einzurichten, in dem Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter oder diese Vereinigungen aufgrund von Hinweisen von Eltern und Lehrern die gefährdeten Jugendlichen aufsuchen, um einer Akquisition dieser Personen durch die Salafisten entgegen zu treten. Hierbei sollen die Sozialarbeiter eng mit den Jugendämtern und Schulen kooperieren und auch eine Netzwerkarbeit leisten.

 

B)   Bundesprogramm „Demokratie leben!“

 

Um solche Aktivitäten der Kommunen vor Ort zu unterstützen, hat der Bund ein  Bundesprogramm „Demokratie leben! – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ aufgelegt. Mit diesem Bundesprogramm sollen bundesweit kommunale Partnerschaften für Demokratie gefördert werden. Während zunächst der Schwerpunkt dieses Programms darauf ausgelegt war, sich lokal und regional für Demokratie und gegen Rechtsextremismus einzusetzen, ist es Ende des Jahres 2014 dahingehend erweitert worden, dass nunmehr auch Anlaufstellen zur Vermeidung von Akquisitionen durch Salafisten gefördert werden. Insgesamt sollen in der Bundesrepublik Deutschland 230 solcher Koordinierungs- und Fachstellen eingerichtet werden, wobei derzeit 179 Kommunen bereits Förderverträge mit dem Bundesfamilienministerium eingegangen sind. Darunter befinden sich auch die Stadt Düsseldorf und die Stadt Bonn.

 

C)   Organisation

 

Die kommunale Partnerschaft „Demokratie leben!“ ist wie folgt zu organisieren:

 

a)   Das federführende Amt

 

Förderempfänger aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ wäre der Rhein-Kreis Neuss. Innerhalb seiner Behördenstruktur ist eine halbe Stelle einzurichten, mit der die Aufgaben des Bundesprogrammes koordiniert werden. Hierbei sind folgende Aufgaben zu erfüllen:

 

·            die rechtsverbindliche Antragstellung für die „Partnerschaft für Demokratie“ auf Zuwendung von Bundesmitteln aus dem Programm;

·            die rechtliche Verantwortung der Umsetzung der „Partnerschaft für Demokratie“;

·            die ordnungsgemäße Mittelverwendung und die Weiterleitung der zugewendeten Bundesmittel an Dritte (u. a. die Auszahlung der Mittel für die Fonds);

·            die rechtsverbindliche Mittelanforderung bei der Regiestelle;

·            die Abrechnung der Fördermittel gegenüber der Regiestelle (Verwendungsnachweis) und die damit zusammenhängende Erstüberprüfung der ordnungsgemäßen Verwendung der Bundesmittel entsprechend den Regelungen nach Nr. 7.2 der Anlage 3 zur VV Nr. 5.1 zu § 44 WHO (ANBest-Gk);

·            die Organisation, Berufung und Bereitstellung einer Koordinierungs- und Fachstelle des Begleitausschusses.

 

b)   Die Koordinierungs- und Fachstelle

 

Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt bei der Partnerschaft für Demokratie. Mit dieser Partnerschaft soll ein muslimisch geprägter Verein gefunden werden, der entweder über einen Zugang zu den Jugendlichen verfügt, die von den Salafisten angesprochen werden, oder in der Lage ist, sich in der Szene entsprechendes Vertrauen aufzubauen. Um einen verlässlichen Ansprechpartner für die Jugendlichen bereitstellen zu können, erhält der Verein als Koordinierungs- und Fachstelle eine Förderung zur Einstellung einer Sozialpädagogin oder eines Sozialpädagogen, der im Wege der aufsuchenden Sozialarbeit gefährdeten Jugendlichen Zukunftsperspektiven im Rhein-Kreis Neuss aufbauen kann. Hierzu ist eine enge Abstimmung mit den Jugendämtern im Rhein-Kreis Neuss, der Arbeitsagentur und den Schulen erforderlich.

 

      Konkrete Aufgaben sind:

 

·            Erstansprechpartner bei Problemlagen entsprechend des Förderbereiches;

·            Steuerung der Erstellung und Fortschreibung der „Partnerschaft für Demokratie“ in Zusammenarbeit mit dem federführenden Amt, dem Begleitausschuss und weiteren Akteuren;

·            Koordinierung und inhaltlich fachliche Begleitung der Einzelmaßnahmen, auch im Hinblick auf eine stärkere Einbindung in die lokale Gesamtstrategie;

·            Fachlich inhaltliche und administrativ technische Beratung von Programmakteuren im Themenfeld;

·            Koordination der Arbeit des Begleitausschusses;

·            Öffentlichkeitsarbeit zur Bekanntmachung des Bundesprogramms und der „Partnerschaft für Demokratie“ vor Ort;

·            Unterstützung der Vernetzung, Bekanntmachung und der Inanspruchnahme von Angeboten auf Landesebene (insbesondere Demokratiezentren);

·            Förderung der Vernetzung zwischen Zivilgesellschaft und Verwaltung, insbesondere Anregung und Unterstützung des Know-How-Transfers im Umgang mit Problemlagen entsprechend des Förderbereiches in Verwaltungsstrukturen;

·            Förderung fachlicher Qualifizierung von Akteuren in der „Partnerschaft für Demokratie“;

·            Weiterentwicklung der Arbeit in der Kommune im Themengebiet;

·            Gewährleistung der Zusammenarbeit mit dem Programm Evaluation/Wissenschaftliche Begleitung des Bundesprogramms;

·            Sicherstellung der Erfassung der Projektdaten und Ergebnisse;

·            Teilnahme an inhaltlich qualifizierenden Maßnahmen des Bundesprogramms.

 

 

c)   Der Begleitausschuss

 

Darüber hinaus wird ein Begleitausschuss gebildet, der neben Vertreterinnen und Vertretern aus möglichst allen relevanten Ressorts der kommunalen Verwaltung und anderer staatlicher Institutionen mehrheitlich mit lokalen bzw. regionalen Handlungsträgern aus der Zivilgesellschaft besetzt wird. Der Begleitausschuss

 

·            unterstützt und begleitet die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren in der „Partnerschaft für Demokratie“;

·            legt die Eckpunkte der Gesamtstrategie nach Beratung in der Demokratiekonferenz fest;

·            analysiert lokale bzw. regionale Unterstützungsmöglichkeiten und organisiert deren Einbindung;

·            berät die Koordinierungs- und Fachstelle und das federführende Amt in der praktischen Arbeit der „Partnerschaft für Demokratie“, insbesondere bei der Umsetzung und Fortschreibung sowie der nachhaltigen Verankerung und

·            entscheidet über die Einzelmaßnahmen, die zur Umsetzung der Zielsetzungen der „Partnerschaft für Demokratie“ durchgeführt werden sollen und begleitet diese.

 

D)  Finanzen

 

Im Rahmen des Partnerschaftsprojektes erhält eine Kommune im ersten Jahr einen Zuschuss von 55.000,- € pro Jahr. Diese Mittel müssen wie folgt eingesetzt werden:

 

25.000,- € für die Bezahlung der Koordinierungsstelle

20.000,- € für die Durchführung von Intiativen

bis zu 5.000,- € für einen Jugendfonds und

bis zu 5.000,- € für Öffentlichkeitsarbeit

 

Die Eigenmittel betragen:

 

20 % von 55.000,- € für die Jahre 2016 und 2017 sowie

40 % von 55.000,- € für die Jahre 2018 und 2019.

 

Somit entständen für den Rhein-Kreis Neuss im ersten Jahr der Durchführung Kosten in Höhe von

 

11.000,- € Sachmittel

30.000,- € Personalkosten für eine halbe Stelle gehobener Dienst

 

Eine Neueinstellung für diese Aufgabe ist nicht vorgesehen.

 

E)   Interessensbekundung

 

Um Fördermittel zur erhalten, war es erforderlich, dass die Kreisverwaltung bis zum 13. März 2015 ihr Interesse an der Einrichtung einer Koordinierungs- und Fachstelle gegenüber dem Bundesfamilienministerium bekundet. Diese Interessensbekundung ist nach Beratung des Projektes in der Bürgermeisterkonferenz am 3. März 2015 vorbehaltlich einer Beschlussfassung vom Kreisausschuss abgegeben worden.