Betreff
Abfallwirtschaftsplan des Landes NRW
Vorlage
68/0641/XVI/2015
Aktenzeichen
68.2-08/05-04
Art
Mitteilung

Sachverhalt:

Zum überarbeiteten Entwurf des Abfallwirtschaftsplanes wurde bereits kurzfristig am Tage dessen Bekanntgabe im Kreisausschuss mündlich berichtet. In der Folge wurden die nachfolgenden Erläuterungen für die Sitzung des Kreisausschusses am 19.05.2015 erarbeitet. Über die Diskussion und die Beschlussfassung im Kreisausschuss wird in der Sitzung berichtet.

 

Erläuterungen für den Kreisausschuss:

 

„Der Entwurf eines Abfallwirtschaftsplanes (AWP) für Siedlungsabfälle des Landes NRW war bereits Gegenstand der Beratungen des Planungs- und Umweltausschuss des Kreises am 27.11.2012, 04.06.2013, 19.11.2013, und 01.04.2014. Die Stellungnahme des Kreises zum Entwurf des AWP’s wurde dem Kreisausschuss am 10.09.2014 als Mitteilung bekannt gegeben.

 

Der AWP wurde inzwischen überarbeitet und in einer neuen Fassung vom Kabinett beschlossen. Zur aktuellen Fassung des AWP’s wurde bereits in der Sitzung des Kreisausschusses am 22.04.2015 kurzfristig berichtet, die Kreisverwaltung erlangte am Tag der Sitzung Kenntnis von der Kabinettsfassung des AWP’s.

 

Stellungnahme des Kreises

 

Im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens hat der Kreis in seiner Stellungnahme vom 05.08.2014 deutliche Kritik am damaligen Entwurf des AWP’s geübt. Die Kritik betraf insbesondere die Eingrenzung des Wettbewerbs und der kommunalen Selbstverwaltung durch die Schaffung von Entsorgungsregionen. So konnte der Kreis etwa seine Abfälle in der 67 km entfernten Müllverbrennungsanlage Weisweiler entsorgen, nicht aber in der nur 35 km entfernten Müllverbrennungsanlage Wuppertal, denn diese Anlage lag in einer anderen Entsorgungsregion. Der Kreis beabsichtigt, seine Restabfallentsorgung zum 01.01.2017 neu auszuschreiben und ist zur Erzielung eines marktgerechten Entsorgungspreises auf ein offenes Verfahren mit möglichst vielen Bietern angewiesen. Umweltkriterien, auch die Transportentfernung zur Müllverbrennungsanlage, sollen in der Ausschreibung des Kreises berücksichtigt werden. Keine der kürzlich erfolgten vergleichbaren Ausschreibungen, z.B. des Kreises Viersen oder der Stadt Mönchengladbach, hat zu unangemessenen Transportentfernungen zu weit entfernten Müllverbrennungsanlagen geführt. Beim geplanten Abfallwirtschaftsplan des Landes NRW standen offensichtlich weniger Umweltkriterien im Vordergrund. So blieb etwa die Effizienz der verschiedenen Müllverbrennungsanlagen außer Betracht, obwohl diese einen wesentlich größeren Einfluss auf die Emissionen bei der Abfallverbrennung hat. Die durch den Transport verursachten Emissionen verursachen weniger als 1% der gesamten Emissionen, die bei der Abfallverbrennung entstehen. Vielmehr gibt es im Land NRW ein Überangebot an Müllverbrennungskapazitäten, das zu sinkenden Verbrennungspreisen bei wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren geführt hat. Mit der Schaffung von Entsorgungsregionen versuche das Land NRW nach der Auffassung des Kreises in den Wettbewerb und die kommunale Selbstverwaltung einzugreifen, um so zu Gunsten der Verbrennungsanlagen den Preisverfall zu stoppen.

 

Kabinettsfassung des AWP’s

 

Die vom Kabinett beschlossene Fassung wird noch im Rahmen der Benehmensherstellung von den Ausschüssen für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie für Kommunalpolitik und für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landtages beraten werden. Ein Einverständnis dieser Ausschüsse ist nicht erforderlich. Auch muss der AWP nicht vom Landtag beschlossen werden. Es ist damit zu rechnen, dass der AWP in der vorliegenden Fassung verkündet werden wird.

 

Den vom Kreis vorgetragenen Bedenken wurde nicht Rechnung getragen. Im Gegenteil: Der Zuschnitt der Entsorgungsregionen wurde nochmals zum Nachteil des Kreises verändert. Sah der alte Zuschnitt der Regionen immerhin noch 8 Müllverbrennungsanlagen vor, derer sich der Kreis bedienen konnte, so kann der Kreis jetzt nur noch bei 4 Anlagen anliefern. Dabei handelt es sich um die Müllverbrennungsanlagen in Aachen, Düsseldorf, Krefeld, und Asdonkshof (Kreis Wesel). So ist etwa jetzt auch eine Anlieferung zur Müllverbrennungsanlage in Köln nicht mehr möglich. Dabei wäre eine Entsorgung des südlichen Kreisgebietes (Dormagen) zur nahe gelegenen Müllverbrennungsanlage im Kölner Norden eine realistische Entsorgungsmöglichkeit gewesen. Nach den Planungen des Landes soll jedoch der Kreis die Auslastung der oben genannten 4 Müllverbrennungsanlagen sicher stellen.

 

Die Preisnachteile durch die Einschränkung des Wettbewerbs können erheblich sein. So beträgt der ohne Ausschreibung ermittelte Preis der Müllverbrennungsanlage Krefeld für die Stadt Krefeld aktuell 172,17 €/t (Internetauftritt der Müllverbrennungsanlage). Die im Wettbewerb erzielbaren Preise lagen in den letzten Jahren, soweit hier bekannt, zwischen 65 – 70 €/t und liegen aktuell, wegen der besseren Auslastung der Anlagen durch Importe aus dem europäischen Ausland, dem Vernehmen nach zwischen 80 – 90 €/t.

 

Weiteres Vorgehen

 

Nach den Ausführungen im AWP (S. 13, 3. Textabsatz, S. 28, 8. Textabsatz AWP) will das Land den AWP zunächst für 1 Jahr nicht für verbindlich erklären. Erst danach soll geprüft werden, ob eine Verbindlichkeitserklärung zur Umsetzung des AWP’s erforderlich ist. Der AWP bindet den Kreis zwar nach seiner Bekanntmachung als Verwaltungsvorschrift (S. 28, 12. Textabsatz AWP), jedoch kann der Kreis erst nach einer Verbindlichkeitserklärung oder einer rechtsmittelfähigen Einzelverfügung verwaltungsrechtlich gegen den AWP vorgehen. Die Möglichkeiten einer Feststellungs- oder Normenkontrollklage bestehen nach der Recherche des Kreises nicht.

 

Es besteht jedoch die Möglichkeit, nach der Bekanntmachung des AWP’s eine Beschwerde bei der europäischen Kommission einzulegen. Ob die Kommission die Beschwerde annimmt, liegt in deren Ermessen. In einem vergleichbaren Fall hatte die Kommission eine Beschwerde gegen eine Autarkieverfügung des Landes Baden-Württemberg (Entsorgung von Siedlungsabfällen ausschließlich im Land Baden-Württemberg) angenommen und im Ergebnis hat das Land Baden-Württemberg diese Autarkieverfügung weitgehend zurück nehmen müssen.

 

Leider steht zu befürchten, dass im Rahmen der anstehenden Ausschreibung zur Restabfallentsorgung erhöhte Risiken auftreten werden. Wenn sich der Kreis an die Vorgaben des AWP’s hält und die Ausschreibung auf die genannten 4 Müllverbrennungsanlagen beschränkt, besteht die Gefahr, dass die ausgeschlossenen Müllverbrennungsanlagen diese Ausschreibung vergaberechtlich angreifen. Wenn sich der Kreis nicht an die Vorgaben des AWP’s hält und offen ausschreibt, kann umgekehrt eine der genannten 4 Anlagen vergaberechtlich versuchen, die Beachtung des AWP’s und den Ausschluss der Konkurrenz durchzusetzen. Vergaberechtliche Verfahren sind erfahrungsgemäß sehr langwierig, eine rechtzeitige neue Auftragsvergabe zum 01.01.2017 ist gefährdet.

 

Zum weiteren Vorgehen wird Folgendes vorgeschlagen:

 

·       Der Kreis wird gegen eine Einzelverfügung oder eine Verbindlichkeitserklärung zur Umsetzung des AWP’s Rechtsmittel einlegen und die Vorgaben des AWP’s hinsichtlich der Entsorgungsregionen erst beachten, wenn diese trotz der eingelegten Rechtsmittel verbindlich werden.

·       Nach der Bekanntmachung des AWP’s, noch vor einer eventuellen Verbindlichkeitserklärung, wird der Kreis eine Beschwerde bei der europäischen Kommission prüfen. Der Kreis wird eine Beschwerde einlegen, wenn diese Aussicht auf Erfolg verspricht.“

 

In der Verwaltung wurde alternativ folgende Überlegung entwickelt:

 

Der Entwurf des AWP bezieht sich auf  gemischte Siedlungsabfälle, die unter der Abfallschlüsselnummer (ASN) 20 03 01 der Abfallverzeichnis-Verordnung geführt werden. Unter dieser Bezeichnung wird  dem Rhein-Kreis Neuss in der Wertstoffsortier- und -aufbereitungsanlage (WSAA) auf der Deponie Neuss Haus- und hausmüllähnlicher Gewerbemüll überlassen.  Nach Sortierung und Aufbereitung verläßt der Restmüll derzeit unter der gleichen ASN die WSAA  in Richtung Abfallverbrennung. Die Verwaltung konnte in Erfahrung bringen, dass die Abfallströme aus vergleichbaren Anlagen unter der ASN 19 12 12 (Sonstige Abfälle aus der mechanischen Behandlung von Abfällen) geführt werden. Die so deklarierten Abfälle unterlägen nicht mehr dem AWP-Entwurf. Dafür wären auch keine Umrüstungen der Anlage oder Änderungen in der derzeitigen Behandlung in der WSAA erforderlich.

 

Vorstehende Überlegung bedarf noch der Abstimmung mit den Landesbehörden.